Robert Kubica: Zu langsam für ein Formel-1-Comeback?

, 29.11.2017

Die detaillierte Analyse seiner Testzeiten zeigt: Robert Kubica muss noch eine Menge Speed finden - "Bin nicht mehr der Gleiche wie vor sieben Jahren"

Robert Kubicas Rückkehr in die Formel 1 ist am ersten Tag der Pirelli-Tests in Abu Dhabi nicht wahrscheinlicher geworden. Die Analyse seiner Rundenzeiten bestätigen das, was Renault-Ingenieure hinter vorgehaltener Hand schon seit Wochen erzählen: Der 32-jährige Pole ist nicht mehr so schnell wie vor sieben Jahren, als er noch als zukünftiger Ferrari-Star galt, ehe ihn ein schwerer Rallye-Unfall aus allen Karriere-Träumen riss.

Kubica fuhr am Vormittag acht Runs. Die ersten vier mit wenig Benzin an Bord, die letzten vier als Rennsimulation. Zwar ist es schwierig, die Daten mit dem Rennen zwei Tage zuvor zu vergleichen, weil die Teams am Dienstag gar nicht wussten, welche Pirelli-Reifen sie gerade drauf hatten. Aber im Schnitt waren Kubicas Longrun-Zeiten doch um ein bis eineinhalb Sekunden langsamer als das Tempo von Felipe Massa im Rennen.

Auch auf die schnelle Qualifying-Runde scheinen noch Defizite vorhanden zu sein. Während Lance Stroll, in den Augen vieler Experten nicht gerade eine Bank als kommender Weltmeister, am Nachmittag zweimal unter 1:40 und fünf weitere Mal unter 1:41 Minuten blieb, erzielte Kubica am Vormittag eine persönliche Bestzeit von 1:41.296 Minuten.

Weil Strolls Zeit praktisch gleich schnell war wie im Qualifying am Samstag, ist der Rückschluss zulässig, dass die Bedingungen am Dienstag jenen am Samstag nicht komplett unähnlich waren. Doch Kubica hätte mit seiner Zeit im Qualifying nur den 20. und letzten Platz belegt, mehr als acht Zehntelsekunden hinter dem Vorletzten (Brendon Hartley auf Toro Rosso).

Noch Luft nach oben?

Der einmalige Grand-Prix-Sieger macht sich Mut, wenn er sagt: "Ich rechne damit, dass es mit jedem Testtag besser wird. Tage wie heute stimmen mich zuversichtlich, dass es ganz gut funktionieren kann. Wenn ich zurückkehre, dann nur auf dem höchsten Niveau. Ich werde sicher nicht hinten mitfahren. Auch wenn ich sieben Jahre weg war und beeinträchtigt bin, werde ich alles daran setzen, den besten Robert Kubica zu zeigen, den es je gegeben hat."

Der Abu-Dhabi-Test sei nicht nur für Williams-Technikchef Paddy Lowe da, offene Fragen zu beantworten, "sondern für mich selbst auch", sagt Kubica und ergänzt: "Heute habe ich große Verbesserungen gesehen. Die sehe ich jeden Tag." Indes lobt Lowe: "Robert hat sich großartig geschlagen. Wir sind sehr zufrieden mit der Anzahl der Runden (100; Anm. d. Red.) und seinem Test insgesamt."

Dabei gibt Kubica selbst zu "nicht mehr der Gleiche wie vor sieben Jahren" zu sein: "Ich musste meinen Körper nach dem Unfall kennenlernen und mich umstellen. Aber eine sehr positive Erkenntnis dieses Tests ist, wie mein Körper beisammen ist und wie es mir von Tag zu Tag leichter fällt, ein Formel-1-Auto zu fahren. Das stimmt mich zuversichtlich."

Lenkrad speziell für Kubica adaptiert

Kubica fährt mit einem speziell für ihn adaptierten Lenkrad. Während andere Fahrer meist zwei Schaltwippen am Lenkrad haben (eine fürs Hoch-, eine fürs Runterschalten), schaltet Kubica nur mit der linken Hand, indem er die Schaltwippe entweder nach vorne zieht oder nach hinten drückt. Das ist übrigens keine "Sonderausstattung", wie Lowe klarstellt: "Das Auto ist sowieso für Push/Pull ausgelegt."

Wer Kubicas rechten Arm einmal gesehen hat, kann verstehen, warum um die Art und Weise seines Fahrens eines Formel-1-Autos regelrechte Legendbildung entsteht. Teilweise wird behauptet, in engen Kurven wie etwa der Haarnadel in Abu Dhabi reiche seine Beweglichkeit nicht aus, um beide Hände am Lenkrad zu halten. Aber das, behauptet zumindest Kubica selbst, ist ein Mythos.

"Es ist unmöglich, ein Formel-1-Auto mit einer Hand zu fahren", stellt er klar. "Aber es stimmt, dass ich Beeinträchtigungen habe. Ich muss meinem Körper beibringen, die zu umschiffen. Das ist nichts Falsches. Wir sind Menschen und unser Gehirn ist auch dazu da, dem Körper dabei zu helfen, Lösungen für Probleme zu finden. Das ist ganz normal im Leben. Ich habe das Gefühl, dass ich das im Griff habe."

Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' war Lowe einer derjenigen im Williams-Team, die vor dem Abu-Dhabi-Test die größten Zweifel an Kubicas Eignung für ein Fulltime-Comeback hatten. Das scheint zuzutreffen, was den Speed angeht. Aber rein körperlich wäre der Pole wohl dazu in der Lage, einen Grand Prix zu meistern: "Da sehe ich keine Probleme", bestätigt Lowe.

Hart trainiert und mehrere Kilogramm abgenommen

Kubica weiß warum: "Ich bin in den vergangenen sechs Monaten nicht auf der faulen Haut gelegen, sondern ich habe hart gearbeitet. Ich würde sogar sagen: Heute bin ich weitaus besser in Form als 2010, als ich noch Rennen gefahren bin!" Sogar seit er im Frühjahr 2017 zugesagt hat, die 24 Stunden von Le Mans für das ByKolles-Team zu fahren (was dann doch nicht passiert ist), hat er noch einmal ein paar Kilogramm abgenommen.

"Die Motivation ist da", betont Kubica. Aber daran haben die Williams-Verantwortlichen ohnehin keine Zweifel: "Robert ist ein Fahrer, den wir alle bewundert haben, als er noch in der Formel 1 gefahren ist. Es spricht für seinen Charakter, dass er nach seinem Unfall überhaupt für eine Rückkehr in die Formel 1 in Betracht gezogen wird und er alles daran setzt, das zu schaffen."

Doch vieles deutet darauf hin, dass alle Anstrengungen letztendlich zu wenig sein werden. Kubica sei zwar "ziemlich schnell, aber nicht sofort" auf Tempo gekommen, analysiert Lowe den Test. "Robert", sagt er, "ist auch kein Übermensch. Er kennt das Auto nicht, er kennt die Reifen nicht. Nicht einmal die Strecke kennt er besonders gut. Es ist lange her, dass er hier Rennen gefahren ist, und so hat es ein bisschen gedauert, bis er auf Tempo kam."

Lowe findet: Kubica hat sich "gut geschlagen"

"Wir wissen vom Rennwochenende, dass es sehr schwierig ist, die Reifen ins Temperaturfenster zu bringen. Vor allem die härteren Mischungen, mit denen wir das Programm begonnen haben", erklärt der Williams-Technikchef. "Es ist ein schwieriger Prozess, von der ersten Runde an auf Tempo zu sein und die erste Kurve gleich durchzuziehen. Aber angesichts all dieser Herausforderungen hat er sich gut geschlagen."

Gleichzeitig sieht Kubica ein, dass sich die Formel 1 "in den vergangenen sieben Jahren dramatisch verändert" hat. 2010, als er seine letzte Saison fuhr, steckte KERS noch in den Kinderschuhen, der F-Schacht und flexible Flügel waren die großen Innovationen und die technische Weiterentwicklung stand ganz im Zeichen des angeströmten Diffusors. Mit der heutigen Hybrid-Formel hatte das wenig zu tun.

Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich Kubica in der Box "ein bisschen wie am ersten Schultag" fühlte. "Aber meine Erfahrung wird mir dabei helfen, schneller zu lernen als früher, als ich noch jung war", sagt er. "Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber wenn man schaut, wo ich vor zwölf Monaten war und wo ich heute bin, dann waren es gute letzte zwölf Monate."

Ahnt Kubica schon, dass es nichts wird?

Möglicherweise realisiert Kubica schon, dass es mit dem angestrebten Comeback nicht klappen wird. Zumindest kann man das zwischen den Zeilen heraushören, wenn er sagt: "Wenn es jetzt nicht weitergeht, wäre das einerseits natürlich eine Enttäuschung, weil ich ein sehr gutes Gefühl habe. Aber wenn ich andererseits dran denke, wo ich herkomme, dann sollte ich glücklich darauf und stolz darüber sein, was ich in den vergangenen zehn Monaten erreicht habe."

Und auch Lowe weicht aus, wenn man ihn darauf anspricht, wie es nun weitergehen soll: "Darüber sprechen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir werden uns später damit auseinandersetzen. Heute ging es nur um den Test und darum, die Informationen zu bekommen, die wir bekommen wollten." Nämlich über die neuen Pirelli-Reifen.

Dass Williams wirklich nur Reifendaten sammeln wollte und Kubica eher zufällig im Auto saß, ohne dass dem besondere Bedeutung beigemessen wurde, ist nicht besonders glaubwürdig. Alleine dass Lowe noch nie zuvor bei einem Test des Williams-Teams anwesend war, unterstreicht die Besonderheit dieser beiden Testtage. Am Mittwoch darf Kubica ja nochmal einen Halbtag lang ran.

"Roberts Feedback", lobt Lowe, "ist sehr gut. Er hat enorm viel Erfahrung und weiß, was er tut. Er ist Profi-Rennfahrer und er ist selbstbewusst, und das spürt man, wenn man mit ihm in der Box ist. Alle sind happy mit Robert. Und dass gegenüber der Box ein Forza-Kubica-Transparent hing, zeigt, wie groß das Interesse an ihm ist. Auf diesem Transparent waren Fotos von hunderten Fans von ihm. So etwas ist schön zu sehen."

Auf den Spuren von Niki Lauda?

Aber während der eine oder andere Journalist schon darauf brennt, eine moderne Niki-Lauda-Story zu vertexten, bleibt Kubica auf dem Boden: "Viele wünschen sich, dass ich zurückkehre, einfach weil es so eine tolle Geschichte wäre. Ja, stimmt, es wäre eine tolle Geschichte - aber letztendlich kann ich mir für die Story nichts kaufen."

"Wenn ich die Chance bekomme, muss ich bereit und optimal vorbereitet sein. Ich freue mich über die viele Anteilnahme und das Mitfiebern, aber unterm Strich weiß ich, wie die Realität aussieht. Und die Realität ist, dass ich auf mich alleine gestellt bin, wenn ich im Auto sitze. Da muss ich den Job erledigen", weiß er.

"Wenn man mir ein Cockpit anbietet, ich mich dafür aber nicht bereit fühle, werde ich es nicht machen. Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich selbst. Ich verstehe meine eigene Situation und versuche, die Ansprüche der Situation anzupassen. Aber letztendlich lege ich nur die höchsten Maßstäbe an mich selbst an", sagt Kubica und ergänzt: "Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass ich selbst nicht an mich glaube. Das würde mit Sicherheit zu Problemen führen."

Er macht keinen Hehl daraus, dass er "enttäuscht" wäre, wenn es nicht mit einem Start in Melbourne klappe sollte. "Weil ich mich so angestrengt habe und weil ich große Chancen sehe, die Herausforderung zu meistern." Aber selbst wenn der Traum letztendlich platzen sollte, wird sich in einer anderen Rennserie etwas finden. "Es gibt immer einen Plan B", lächelt Kubica.

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