Hat der Mercedes-Pilot im teaminternen Duell mit Lewis Hamilton als Technikfuchs einen großen Trumpf in der Tasche? Keine innige Freundschaft
© Foto: Mercedes GP
Mercedes hat es am Rande der Testfahrten geschafft, die Formel-1-Welt zu verwirren. Während Nico Rosberg die Fortschritte am W04 lobte und trotz hoher Erwartungen mit mehr als achtbaren Resultaten kokettierte, unkte Lewis Hamilton über sein neues Arbeitsgerät: Ankommen und Punkte holen sei, der WM-Titel schon mal gar nicht, so der Tenor. Rosberg erklärt seinen Optimismus gegenüber 'Sport Bild': "Es muss ein weiterer Schritt kommen. Dann springt auch der eine oder andere Sieg heraus."
Der Wiesbadener nennt Konstanz den Schlüssel zum Erfolg und erinnert an seine Sternstunde 2012 in China. Das Potenzial scheint im Auto zu schlummern, dazu will er mehr Grip spüren. Also kein Grund zur Beunruhigung? Offenbar nein. Schon gar nicht wegen des neuen Teamkollegen. Schließlich sieht Rosberg sich in Stallduellen als mit allen Wassern gewaschen. "Ich kann Ihnen sagen, dass Michael immer noch eine Hammerleistung gebracht hat", denkt er an die drei Jahre an der Seite Schumachers.
Mehr Technikverständnis als Hamilton
Seine Theorie klingt tautologisch: "Hätten wir regelmäßig um Siege gekämpft, wären unserer beider Leistungen auch noch positiver bewertet worden." Wohl wahr, allerdings rieb sich Mercedes zuletzt dafür auf, überhaupt WM-Punkte gutgeschrieben zu bekommen. Rosberg ist skeptisch und erwartet nicht, dass Hamilton mit dem Silberpfeil auf Anhieb Wunder vollbringt. "Besser als ein siebenmaliger Weltmeister zu sein, das muss man erst mal hinkriegen. Da ist nicht mehr viel
Spielraum nach oben."
Dennoch: Auf seinen alten Kumpel aus gemeinsamen Tagen auf der Kartbahn hält er große Stücke. "Da war er sauschnell", erinnert sich Rosberg, sieht sich 13 Jahre später aber im Vorteil, weil er sich für den besseren Ingenieur hält und diese Stärken bei der Abstimmungsarbeit ausspielen will. "Ich bin ein Allrounder. Unser Beruf ist sehr komplex", sagt der 27-Jährige, der sein Abitur mit der Durchschnittsnote 2,1 abgeschlossen hat. Die Formel 1 von heute beschreibt er als ständige Suche nach Verbesserungen.
Lewis & Nico: Ziemlich beste Freunde
"Manche machen das mit ihrem Instinkt, manche mehr mit dem Kopf. Ich bin da eher der Kopfmensch", so Rosberg über sein Rezept bei Datenauswertung und Setup. Das berühmte "Popometer" spielt die zweite Geige. "Ich versuche, mich jede Runde immer wieder neu zu erfinden." Davon muss Hamilton nicht unbedingt profitieren. Rosberg beteuert zwar, teamintern nicht zu lügen, er arbeitet aber in erster Linie für sich selbst: "Ich schicke ihm natürlich nicht gleich eine SMS, wenn ich etwas herausgefunden habe."
Selbstbewusstsein gibt Rosberg auch die Tatsache, dass eine teaminterne Niederlage weit zurück liegt. 2006 bei Williams gegen Mark Webber zog er letztmals den Kürzeren, nennt so eine Situation aber auch eine "Motivationshilfe". Die Beziehung der beiden Mercedes-Stars wird allgemein als freundschaftlich beschrieben, doch sowohl für Hamilton als auch für Rosberg ist klar: "Wir verstehen uns super, aber das ist der Unterschied zwischen Freunde und beste Freunde."
Sitzen die beiden, die in ihrer Wahlheimat Monaco im gleichen Apartmenthaus wohnen, zusammen, unterhalten sie sich "wie Herr Schmidt und Herr Müller" - so formuliert es Rosberg und macht keinen Hehl daraus, dass er auch mal an den Kollegen ein gutes Haar weniger lässt. Lästern käme schon vor. "Bin ich zwar nicht stolz drauf, aber wir sind auch nur normale Kerle." Zwei normale Typen, die sich jedes zweite Wochenende Rad-an-Rad-Duelle mit über 300 Kilometern pro Stunde liefern.