Wie du mir, so ich dir: Nico Rosberg spielt im Poker um seinen neuen Vertrag die Karte Ferrari, Mercedes zieht als Antwort den Joker Pascal Wehrlein
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Bis Ende Juni möchte der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda das Thema Vertragsverhandlungen mit Nico Rosberg ad acta legen, und lange Zeit sah die Angelegenheit auch nach einem reinen Formalakt aus. Doch je länger sich die beiden Parteien in Position bringen, desto mehr scheint es sich zu spießen. Darauf deuten zumindest aktuelle Medienberichte hin.
"Die müssen sich erst einmal einig werden, mit welcher Strategie sie in die Zukunft gehen wollen. Wenn sie sich einig sind, dann können wir verhandeln", sagt Rosbergs Chefverhandler Gerhard Berger gegenüber der 'Bild'-Zeitung über Mercedes. Und er deutet an: "Es geht nicht ums Geld. Es geht um etwas anderes."
Nämlich, so hört man, um Pascal Wehrlein. Der 21-jährige DTM-Champion gilt als heiße Zukunftsaktie und bereitet sich gerade bei Manor darauf vor, eines Tages Mercedes zu fahren. Nur: Wenn Rosberg seinen Dreijahresvertrag bis Ende 2019 durchboxt, hätte Mercedes für Wehrlein frühestens nach Ablauf von Lewis Hamiltons aktuellem Vertrag (Ende 2018) ein Cockpit frei. Bis dahin könnte Wehrlein schon von der Konkurrenz weggeschnappt sein.
Rosberg will nicht nur für ein Jahr unterschreiben
Ein Zweijahresvertrag wiederum soll für Mercedes keine Wunschoption sein, weil dann beide Verträge gleichzeitig, Ende 2018, auslaufen würden. Das will man tunlichst vermeiden, um von Hamilton und Rosberg nicht gleichzeitig unter Druck gesetzt werden zu können, weil man keinen festen Rettungsanker für 2019 hat. Und ein Einjahresvertrag ist offenbar Rosberg zu kurz, selbst bei einer satten Gehaltserhöhung.
Seit das Rosberg-Camp es vermeidet, die Ferrari-Gerüchte klar zu dementieren, spielt jedenfalls auch Mercedes das Spielchen mit und zückt die Karte Wehrlein. Sportchef Toto Wolff signalisiert in einem Interview mit 'Auto Bild motorsport', dass der Manor-Youngster durchaus eine (viel billigere) Alternative zu Rosberg sein könnte: "Pascal hat schon in der DTM bewiesen, wie man Meisterschaften gewinnen muss."
Wehrlein sei bei mit der "Lehre" bei Manor "auf dem richtigen Weg, um irgendwann im Mercedes zu landen. Er muss als Formel-1-Neuling gleich ein Team mit sich ziehen, und das macht er richtig gut", überschüttet Wolff den Deutschen mit Lob. Und er heizt das Feuer weiter an, indem er über Wehrleins Mercedes-Test nach der teaminternen Kollision in Barcelona sagt: "Es gibt keine Zufälle in der Formel 1. Wir wollten den Stand seiner Entwicklung sehen."
Rosberg für Mercedes leicht zu ersetzen
Wolff sieht Mercedes in den Verhandlungen mit Rosberg in der stärkeren Position, denn: "Wir wissen, dass wir das stärkste Auto haben, ein sehr starkes Team und auch für die Zukunft gut aufgestellt sind. Das müsste für Nico das Hauptargument sein." Umgekehrt hätte Mercedes sicher kein Problem, einen starken Ersatz für Rosberg zu finden. Fernando Alonso hat seinen Manager Flavio Briatore in der Vergangenheit schon mal anklopfen lassen.
Und dass Kandidaten wie Alonso, Bottas oder Ricciardo im Gegensatz zu Rosberg keinen deutschen Pass haben, ist für Mercedes "nicht unbedingt" ein Problem: "Daimler ist ein international aufgestellter Konzern. Wir wollen immer die zwei besten Fahrer im Auto haben, egal welchen Pass sie haben", führt Wolff ein weiteres Argument an, warum es auch ohne Rosberg gehen würde. Aber er sagt gleichzeitig: "Wenn unter diesen besten Piloten ein Deutscher ist, umso besser."
Rosbergs Ausweichoption Ferrari scheint in Wahrheit eine Luftnummer zu sein. "Ich weiß, was hinter den Kulissen passiert", grinst Sebastian Vettel, von 'Auto Bild motorsport' auf das Thema angesprochen. "Und das reicht mir. Ich weiß, das wird keine Gerüchte stoppen, aber ich weiß, dass die Zukunft vielen Leuten zeigen wird, dass sie falsch lagen."
Wolff spielt: Es muss nicht Rosberg sein
Wolff für seinen Teil würde sich "nicht wundern, wenn Ferrari Interesse hätte. Es handelt sich bei Nico schließlich um den Führenden in der WM und um einen großartigen Fahrer. Im Moment ist unser Ziel, mit Nico weiterzumachen." Aber: "Wenn wir nicht zusammenkommen, müssen wir uns etwas anderes überlegen."
Eines steht bei allen verhandlungstaktischen Spielchen über allem: "Wir befinden uns in Gesprächen, und die verlaufen sehr positiv", hält der Österreicher fest. "Wir sprechen mit niemandem sonst. Das ist das Commitment, das wir Nico schuldig sind." Letztendlich dreht sich dabei alles um zwei Faktoren: Vertragslaufzeit und Gehalt. Denn dass er um fast zehn Millionen Euro pro Jahr weniger erhalten soll als Hamilton, stinkt Rosberg.
Theoretisch hätte ein Cockpit-Tausch zwischen Rosberg und Vettel Charme. Der eine würde endlich richtig Geld verdienen, der andere anstatt sich im Ferrari abzuquälen ein Siegerauto bekommen. Aber sollte Vettel anklopfen (sehr unwahrscheinlich), "würde ich ihm das Gleiche sagen, was ich ähnlichen Kalibern gesagt habe, als die in den letzten Jahren ihr Interesse kundtaten: Erst sprechen wir mit unseren Stammpiloten. Erst wenn wir uns mit diesen nicht einig werden können, kann man weitersehen", so Wolff.
Irvine rät Rosberg zu Verbleib bei Mercedes
Der ehemalige Formel-1-Pilot Eddie Irvine, bekannt aus der Kult-Videoserie "Ein Drink mit Eddie Irvine", rät Rosberg indes dazu, bei Mercedes zu bleiben: "Jeder will irgendwann für Ferrari fahren. Ob Nico allerdings das Auto aufgeben möchte, das er gerade hat, um für Ferrari zu fahren, das weiß ich nicht. Ich halte das momentan nicht für sinnvoll, denn er hat einen guten Lauf."
Er sei sich "sicher", dass Rosberg deutlich weniger verdiene als Hamilton, und verstehe daher den medial inszenierten Flirt mit Ferrari, der ihm bei den Gehaltsverhandlungen mit Mercedes behilflich sein könnte. Aber sollte Kimi Räikkönen wirklich ersetzt werden, wovon man laut Irvine ausgehen kann, dann sieht er einen anderen Kandidaten auf Pole-Position: "Ricciardo würde großartig zu Ferrari passen."
Aber: "Jemand wie Nico hat Möglichkeiten. Er liefert noch sehr gute Leistungen ab, er ist in einem guten Alter, hat aber viel Erfahrung und ist sehr schnell. Es wird Nachfrage nach ihm geben", sagt Irvine. "Das Problem ist aber, dass es nicht so viele Cockpits gibt, die du wirklich wollen würdest. Möchtest du wirklich Mercedes verlassen, um zu Ferrari zu wechseln? Oder zu irgendeinem anderen Team?"