Der zurückgetretene Weltmeister über die Schwierigkeit, Formel-1-Pilot und Familenvater zu sein - Philosophie und Ehefrau halfen über Neid und Stress hinweg
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Formel-1-Pilot zu sein kommt aus Sicht vieler Motorsport-Fans dem perfekten Leben gleich. Einen Haufen Geld für das bekommen, wovon Kinder wie Erwachsene träumen, was sie jedoch höchstens als Jugendliche auf der PlayStation ausleben können. Reisen um die Welt, Luxushotels und das Gefühl, ein Star zu sein. Nico Rosberg hat vieles davon aufgegeben. Wie der Familienvater der 'Daily Mail' schildert, hatten Prominenz, Ruhm und Glorie Schattenseiten, die er nicht länger zu tragen gewillt war.
Rhythmus existierte in seinem Leben bisher praktisch nicht. Oft plagte ihn wegen der Fernreisen ein Jetlag. "Ich bin Schritte von eineinhalb Stunden pro Tag gegangen", erklärt Rosberg seine Strategie, um die Zeitverschiebung möglichst schonend zu kompensieren. Bei zehn Stunden Unterschied wie bei Trips nach Australien bedeutete das eine Woche Chaos für den Körper. "Gut möglich, dass ich nachmittags geschlafen und in der Nacht mein Leben geführt habe. Es war der Horror", meint der Deutsche.
Als Töchterchen Alaia auf die Welt kam, wurde die Situation noch schlimmer. Statt mir ihr zu spielen, schlief Rosberg bei runtergelassenem Rollladen. "Alaia wusste, dass sie ihren Daddy nicht stören durfte", berichtet der 32-Jährige, der sich der Formel 1 zuliebe nicht mit Kinderhändchen auf dem Gesicht und Getöse in den Ohren wecken ließ. "Sie hatte es intus, dass sie immer, wenn sie ins Schlafzimmer gekommen ist, ihre Finger auf den Mund gelegt und 'Pssst!'' gesagt hat", erinnert sich Rosberg.
Seine Ehefrau übernahm dann neben ihrer Mutter- auch die Vaterrolle. "Vivian hat alles getan, was sie konnte. Wenn unsere Tochter etwas brauchte, war Vivian zur Stelle", spricht Rosberg ihr ein Kompliment für ihr Engagement aus, während er damit beschäftigt war, in die richtige Zeitzone zu kommen. Dafür will er sich revanchieren, auch bei Alaia. "Jetzt lebe ich die schwierigen Momente ebenfalls. Das schafft eine Bindung. Sie gibt Liebe zurück. Wahnsinn, dass sie weiß, dass man mit ihr leidet."
Die Probleme des rastlosen Formel-1-Lebens versuchte Rosberg früher auf seine Weise zu kompensieren. Er las Bücher über Philosophie. "Wenn man morgens aufwacht und sich schlecht fühlt, ist es so manchem Genie vor 2.000 Jahren genauso ergangen. Und es hat darüber geschrieben", sagt der Weltmeister. "Daraus kann man lernen, warum man Neid oder Stress empfindet. Wenn man das versteht, kann man sich dem widmen und damit umgehen." Hinzu kamen seine täglichen Meditationsübungen.
Mittlerweile sucht Rosberg den Takt nur noch in der Musik. "Ich lerne jetzt Gitarre zu spielen. Dafür muss man mit seinem Lehrer eine Weile an einem Ort sein, um den Rhythmus zu finden. Das ist ein lächerliches, kleines Beispiel", freut er sich über sein Leben nach dem Motorsport, mit dem auch seine Eltern einverstanden sind. Vater Keke Rosberg gönne ihm sein Glück, meint Nico und erzählt, wie stolz die ganze Familie ist: "An Weihnachten saßen wir mit meiner Mutter am Tisch und sie sagte: 'Ich sitze hier mit zwei Formel-1-Weltmeistern. Wie cool ist das denn bitte?"