Rundumschlag von Ecclestone: "Formel 1 so schlecht wie nie"

, 22.02.2016

Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone lässt seinem Frust freien Lauf: FIA-Präsident zu diplomatisch, Sport zu vorhersehbar und die Kommission als Kartell

Vor dem Start in die Formel-1-Saison 2016 mit den ersten offiziellen Testfahrten in Barcelona hat Vermarkter Bernie Ecclestone zu einem großen Rundumschlag ausgeholt. Der 85-jährige Brite, der die Fäden der Königsklasse in der Hand hält, kritisiert die aktuelle Szene als die "schlechteste Formel 1 aller Zeiten". In einem Interview mit der britischen 'Daily Mail' prangert der Promoter einige sportliche Missstände an und lässt an den aktuellen Entscheidungsstrukturen kein gutes Haar.

"Ich will nur das Beste für die Formel 1", sagt Ecclestone, der sich als "große Ausnahme" im Fahrerlager siegt. "Ich brauche den Job nicht. Ich brauche auch das Geld nicht. Viele Teilnehmer denken nur daran, was für sie kurzfristig von Vorteil sein kann. Für die meisten Leute ist ein Blick zwei und drei Rennen nach vorn schon langfristig. Die Formel 1 ist so schlecht wie nie. Ich würde für meine Familie kein Geld ausgeben, um ein Rennen zu schauen - niemals!"

"Was soll das, wenn man von vornherein schon fast ganz sicher weiß, dass Lewis Hamilton die Pole holen und das Rennen gewinnen wird und dabei der zweite Mercedes auch auf das Podest kommt?", prangert der Formel-1-Boss die Berechenbarkeit des Sports an, die sich in den vergangenen zwei Jahren recht fest etabliert hat. Warum haut Ecclestone mit der großen Keule auf die Szene? Er will Veränderungen, die er auf Grundlage der aktuellen Strukturen nicht im Alleingang vollziehen kann.

Kartell: Formel-1-Kommssion offenbar illegal

Die Formel 1 erfährt nur dann grundlegende Veränderungen, wenn die Strategiegruppe einen Plan ausarbeitet, dieser durch die Formel-1-Kommission befürwortet und schließlich vom FIA-Weltrat abgesegnet wird. Die Krux: Nicht alle Player der Szene haben Einfluss, Mercedes und Ferrari können dank ihrer Marktmacht (Belieferung von vielen Teams mit Antrieben) per Veto alles verhindern, was ihnen sportlich oder politisch schaden könnte. "Die Kommission ist ein Kartell. Und Kartelle sind verboten", meint Ecclestone.

Force India und Sauber hatten diesen Entscheidungsweg in der Formel 1 bereits bei den Wettbewerbshütern der Europäischen Union (EU) in Brüssel angeprangert. "Kann sein, dass die EU-Kommission tätig wird, aber wir sollten in der Lage sein, es selbst auszusortieren", meint Ecclestone, der feststellt: "Wir betreiben da etwas, das illegal ist." Bis mindestens 2020 sind die Strukturen in der Formel 1 festgeschrieben. Änderungen können nicht an Mercedes und Ferrari vorbei gemacht werden - es bleibt ein Vetorecht.

In der Vergangenheit waren die Machtverhältnisse anders. Ecclestone konnte gemeinsam mit dem ehemaligen FIA-Präsidenten Max Mosley fast nach Belieben agieren. Dies ist nicht mehr möglich. Unter anderem auch deshalb, weil der aktuelle Chef des Automobil-Weltverbandes (FIA), Jean Todt "leider ein Diplomat" geworden sei, meint der Brite. "Er will alle glücklich machen. So funktioniert das nicht. Man kann nicht alle glücklich machen."

Formel 1: Jean Todt will sich nicht einmischen

Ecclestone kritisiert, dass sich Todt nahezu ausschließlich um Themen wie Sicherheit im Straßenverkehr kümmere und die Formel 1 nur betrachte, weil dies in seiner Funktion als FIA-Präsident von ihm erwartet werde. "Er sollte diese Dinge weitermachen, aber die Verantwortung für die Formel 1 jemand anderem übertragen. Ich werde mit ihm darüber sprechen", sagt der 85-jährige "Zampano" der Königsklasse, der seine lautstarke Kritik sicherlich nicht zufällig zum Start der ersten Testfahrten 2016 platziert.

Ursprünglich hatte der FIA-Weltrat bei seiner letzten Sitzung im Jahr 2015 beschlossen, dass Ecclestone und Todt gemeinsam ein neues Regelwerk für die Formel 1 ausarbeiten sollten - ein Freifahrtschein für einen Prozess wie in "guten, alten Zeiten". Warum wurde dies nicht umgesetzt? "Ich habe gesagt: 'Jean, jetzt können wir machen was wir wollen'. Er meinte: 'Ohhh, dann werden wir verklagt'. Ich habe ihm gesagt, dass sie doch klagen sollen. Ich werde alles bezahlen. Aber er hat sich nicht darauf eingelassen."

Der ehemalige Brabham-Teamboss hat nach eigener Aussage bereits einige Ideen, die den Sport in Zukunft wieder spektakulärer machen könnten. Allerdings sind diese Ansätze noch nicht zu Ende gedacht. "Das Qualifying würde ich so lassen. Der Schnellste soll seine Statistik für Pole-Positions weiterführen können. Starten soll er aber dann von Rang zehn oder so", meint Ecclestone. "Man muss sich das nochmal im Detail genauer anschauen, wie man so etwas umsetzt. Wir brauchen aber auf jeden Fall umkämpftere Rennen."

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