Warum "Schumi" keinen Zusammenhang zwischen der Mercedes-Umstrukturierung und den starken Tests sieht - Sorgen die Reifen für ein bitteres Erwachen?
© Foto: xpbimages.com
Mercedes hat sein Team für 2013 ordentlich umgebaut: Statt Rekord-Weltmeister Michael Schumacher sitzt nun Lewis Hamilton am Volant des "Silberpfeils", statt Norbert Haug leitet nun Toto Wolff die Motorsport-Geschicke des Konzerns. Und mit Formel-1-Legende Niki Lauda hat man einen gut vernetzten Experten als Aufsichtsrats-Vorsitzenden an Bord, der mithelfen soll, den zuletzt wenig erfolgreichen Kahn wieder auf Kurs zu bringen.
Die Wintertests geben nun Anlass zur Hoffnung, dass dies bereits 2013 gelingen könnte: Hamilton und Teamkollege Nico Rosberg fuhren an den letzten zwei Barcelona-Testtagen jeweils Bestzeit, der Wiesbadener war der schnellste Mann der Versuchsfahrten. Doch bieten diese Ergebnisse ein realistisches Bild des Kräfteverhältnisses? Und was haben die Umstrukturierungen im Team damit zu tun?
Schlüsselentscheidungen vor zwei Jahren?
Ex-Mercedes-Pilot Schumacher zweifelt gegenüber 'RTL' an einem Zusammenhang. "Ich sehe eher im Hintergrund die Ingenieure, die Infrastruktur im Team selber als ausschlaggebend dafür, dass das Auto in Zukunft auch um Meisterschaft kämpfen kann", glaubt er. "Und ich denke, die Schritte sind schon vor längerer Zeit eingeleitet worden."
Er spielt darauf an, dass Teamchef Ross Brawn nach der enttäuschenden Comeback-Saison die Konsequenzen zog und zahlreiche neue Leute nach Brackley holte, darunter der nunmehrige Technikchef Bob Bell sowie die Bereichsleiter Aldo Costa und Geoff Willis. Dass diese Schritte richtig waren, habe sich schon Anfang 2012 gezeigt, man habe dieses Potenzial aber nicht über die Saison hinweg zeigen können. Das lag auch daran, dass Mercedes den Windkanal in Brackley eine Zeitlang stilllegen musste, um diesen für 60-Prozent-Modelle umzurüsten, wodurch man bei der Entwicklung zurückfiel.
Er hofft nun, "dass die Infrastruktur, die schon vor zwei Jahren eingerichtet wurde, jetzt in der Lage ist, den Wettbewerb übers Jahr hinweg mitgehen zu können." Dies sei vor allem im Fall von Mercedes besonders schwer, denn die Erwartungshaltung ist enorm: "Wir reden hier immerhin von der Weltmarke Mercedes, die einen gewissen Anspruch hat. Und dem gerecht zu werden, da ist natürlich von Haus aus her schon mal sehr viel Druck vorhanden. Dem sind wir die letzten Jahre nicht gewachsen gewesen, das heißt, wir haben es nicht umsetzen können."
Hat Mercedes die Reifen im Griff?
Bei Mercedes zeigt man sich sehr zuversichtlich, dass dies 2013 gelingt, doch "Schumis" langjähriger Weggefährte Karl Wendlinger gibt sich gegenüber 'ServusTV' diesbezüglich vorsichtig: "Nico und Lewis waren sehr schnell in Barcelona, aber wir hatten bei den Tests dieses Jahr im Gegensatz zu den vergangenen Jahren keine Longruns. Damals hat man über die Distanz immer gesehen, wer schnell ist und bei wem die Reifen am besten halten, wer den Reifenstopp am längsten hinauszögern kann, um dann später mit wenig Benzin im Tank neue Reifen zu haben. Das gab es dieses Jahr nicht, weil die Reifen so extrem abgebaut haben."
Und Wendlinger weiß: Die Reifen waren stets die Achillesferse des Mercedes-Boliden. "Wenn sie das dieses Jahr im Griff haben oder verbessert haben, dann ist das sicher ein Auto, das ganz vorne mitfahren wird", glaubt er. Ex-Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck gibt sich da schon etwas überzeugter, dass Mercedes tatsächlich den Durchbruch geschafft hat. "Ich würde sagen, Lewis hat zum richtigen Zeitpunkt zu Mercedes gewechselt, weil es jetzt nach den drei mageren Jahren theoretisch besser werden müsste, weil es auch eine Umstrukturierungen gegeben hat. Rein theoretisch ist Mercedes für mich auf der Siegerstraße."
Verjüngungskur durch Hamilton
Viele sehen auch das Engagement von Hamilton und den Abschied Schumachers als Verbesserung. Stuck ist allerdings nur bedingt dieser Ansicht. "Michael Schumacher ist im Vorjahr mit Sicherheit unter Wert geschlagen worden", sagt er gegenüber 'ServusTV'. "Er hat mit der Pole in Monaco gezeigt, dass er es immer noch kann, aber das Auto hat einfach nicht gepasst. Ich glaube, dass Nico auch eine Menge von Schumacher gelernt hat, was er jetzt umsetzen kann."
Leichte Vorteile sieht er nur in Hinblick auf das Alter, schließlich ist Hamilton 28, Schumacher bereits 44 Jahre alt: "Dass natürlich ein Hamilton in der Endkonsequenz den einen Meter länger am Gas bleibt als Schumacher, ist klar - der ist auch ein paar Jahre jünger."
Zudem sind Rosberg und Hamilton bereits seit gemeinsamen Kart-Zeiten befreundet. Diese Freundschaft wird nun einem Härtetest unterzogen, denn keiner der beiden will es sich leisten, gegen den anderen den Kürzeren zu ziehen. "Der Erste, den man schlagen muss, ist bekanntlich der Teamkollege", weiß Wendlinger. Dennoch glaubt er, dass die gute Beziehung der beiden für das Team ein Vorteil ist: "Je besser die Stimmung im Team ist, desto besser kann sich auch die eigene Leistung entfalten. Wenn du nämlich nur mit Grabenkämpfen und Streitereien beschäftigt bist, dann färbt das auch auf die eigene Leistung ab."
Neues Feuer bei Hamilton?
Für Hamilton könnte sich der Tapetenwechsel - der Brite wurde von McLaren entdeckt und fuhr nie für ein anderes Team - erfrischend auswirken, auch wenn er nicht auf Anhieb mit seinem Ex-Team mithalten kann. Dieser Meinung ist zumindest Ex-Toro-Rosso-Pilot Jaime Alguersuari.
Er glaubt gegenüber 'ServusTV' nicht, dass Geld der Hauptgrund seines Wechsels war: "Ich glaube, unterm Strich wollen in der Formel 1 alle gewinnen. Für Lewis ist das jetzt eine neue Herausforderung, eine neue Etappe, ein neuer Lebensabschnitt. Er wollte vielleicht einmal die Farbe, die Flagge wechseln. Ich halte das für absolut in Ordnung - wie wenn Fußballspieler die Mannschaft wechseln. Das Trikot ist anders, aber man will sich als Profi entwickeln und wachsen. Eine neue Herausforderung gibt einem die Gelegenheit."
Schumachers Geduld war am Ende
Doch wie würde es "Schumi" gehen, wenn er im Jahr nach dem Karriereende von der Couch aus miterleben müsste, wenn bei Mercedes endlich der Knoten platzt? Er sieht dieses Szenario derzeit gelassen: "Ich habe es ja selber entschieden, nicht dabei sein zu wollen. Würde es jetzt dann irgendwann mal dazu reichen, mit dem Auto ganz, ganz vorne zu fahren, dann wäre es natürlich auch auf eine Art schön gewesen, das schon früher erleben zu können. Aber die Energie - muss man ganz klar sagen - hätte ich nicht mehr gehabt, darauf noch länger zu warten."
Zudem werde er seinem Ex-Team diese Saison sicher auch "das eine oder andere Mal", einen Besuch an der Rennstrecke abstatten. Das soll aber nicht zur Gewohnheit werden, denn vor dem Fernsehe "sieht man am meisten. Ich stehe nicht an der Strecke, das gibt mir zu wenige Informationen. Ich brauche da detaillierte Informationen, die kriege ich dann da am Fernsehen oder im Team."