"Schumis" Blackout: "Er hätte die Kurve nicht geschafft"

, 25.09.2012

Zu spät gebremst, verschätzt, gepennt oder schlicht unglücklich agiert: Die Formel 1 rätselt, wie es zum Unfall zwischen "Schumi" und Vergne kam

Michael Schumacher ist beim Nachtrennen der Formel 1 einem Konkurrenten ins Heck gefahren. Wieder einmal. Denn es war nicht der erste Zwischenfall dieser Art, mit dem "Schumi" seit seiner Rückkehr in die Formel 1 für Schlagzeilen sorgte. Dieses Mal aber rätselt das Fahrerlager, wie es dazu kommen konnte. Hat sich Schumacher verschätzt, verbremst oder hat er schlicht "gepennt"?

Der Rekordchampion konnte sich den Crash mit Toro-Rosso-Pilot Jean-Eric Vergne direkt nach dem Rennen selbst kaum erklären. "Ich habe früher gebremst, als ich es normalerweise getan hätte. Wohl wissend, dass die beiden vor mir im Zweikampf sind und ich am Kurvenausgang womöglich profitieren kann. Am zu spät Bremsen lag es sicherlich nicht", sagt Schumacher auf 'Sky'. Woran denn dann?

Im Gespräch mit 'RTL' vermutete Schumacher im Anschluss an das Formel-1-Nachtrennen einen Fehler an seinem Fahrzeug. "Es hat nicht richtig verzögert. Ich habe das sofort kommen sehen, dass die Verzögerung bei den Vorderleuten wesentlich größer ist als bei mir", meint Schumacher. Und dann rauschte der Mercedes-Fahrer auch schon in das Heck des Rennwagens, den Vergne pilotierte.

An ein Bremsversagen glaubt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer allerdings nicht. "Da hat er sich einfach verschätzt", sagt der frühere Rennfahrer und schildert die Situation aus seiner Sicht: "Alle vier Räder blockieren, also geht die Bremse. Man sieht aber in der Formel 1 nicht ins Auto hinein." Grundsätzlich könne man daher nicht ausschließen, dass es eine Fehlfunktion am W03 gegeben hat.

"Wenn so etwas passiert ist wie zum Beispiel bei Timo Glock am Samstag im Training, wo das Gas hängengeblieben ist, dann wird man das jetzt in der Telemetrie feststellen können", meint Surer. "Bei Glock hat das Gas weitergeschoben, obwohl er auf der Bremse stand. Deswegen kann man nicht von einem Fahrfehler sprechen. Es sieht zwar danach aus, aber möglicherweise ist das Auto schuld."

In Singapur ein bisschen "neben der Spur"?

In den Augen von Schumachers ehemaligem Formel-1-Konkurrenten Karl Wendlinger kommt eine solche Erklärung nicht in Frage. Der Mercedes-Pilot habe schlicht und ergreifend "viel zu spät gebremst", meint Wendlinger und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Ich würde sagen, er hat das Ganze übersehen. Er kam mit so viel Überschuss an, dass er die Kurve nicht geschafft hätte."

Selbst dann nicht, wenn Vergne gar nicht da gewesen wäre, sagt Wendlinger. "Ich glaube, ihm ist da irgendwas mit der Konzentration passiert." Also ein kurzer Blackout, ein Moment der Unachtsamkeit? Schumacher wirkte in Singapur in der Tat ein bisschen "neben der Spur": Die Gedenkminute für den verstorbenen Formel-1-Rennarzt Sid Watkins verpasste er, weil er noch eben auf dem Örtchen war.

Außerdem vertat er sich in einer Medienrunde bei der Punktzahl für den zweiten Platz eines Formel-1-Grand-Prix, nannte dafür 20 statt 18 Zähler, hielt den Zeitunterschied zwischen Singapur und Europa für sechs statt acht Stunden. Und dann knallte er schließlich noch in der 39. von 59 Runden in einen anderen Rennwagen. Das war der Höhepunkt eines von kleinen Malheurs gespickten Wochenendes.

Schumacher crasht - kein Einzelfall

Von einem Zufall will der ehemalige Formel-1-Pilot und heutige TV-Co-Kommentator Christian Danner gegenüber dem 'SID' aber nichts wissen: "Solche Dinge sind ihm auch schon im Hellen passiert", sagt der Deutsche und merkt an: "Wir sind alle Menschen, aber solche Unfälle passieren Michael einfach zu oft. Wenn du 20 Meter vorher bremsen musst und du tust es nicht, ist es trotzdem dein Fehler."

Den zumindest die unmittelbar Betroffenen rasch abgehakt haben. "Ich sehe das nicht so dramatisch", wird Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost vom 'SID' zitiert. Der Österreicher vertritt einen ganz anderen Standpunkt als viele Formel-1-Experten: "Es war eine ganz normale Szene, ein Rennunfall, wie er immer passieren kann und immer wieder passieren wird." Kein Nachtreten, kein Vorwurf an "Schumi".

Auch Vergne hegt keinen Groll: "Es wäre nicht sinnvoll, darüber wütend zu sein. So etwas passiert", erklärt der Nachwuchspilot und fügt hinzu: "Selbst der erfahrenste Rennfahrer im Feld kann Fehler machen." Doch das macht Schumacher - trotz einer ansteigenden Formkurve seit 2010 - in den Augen mancher Beobachter halt viel zu oft. Was die Zukunftsplanung nicht unbedingt vereinfacht.

Auf den Unfall folgt die Frage nach 2013

Oder wie es der dreimalige Formel-1-Weltmeister Niki Lauda ausdrückt: "Es geht nichts weiter bei ihm. Das sieht er auch selbst." Wie die Konsequenz aus all dem lautet, ist offen. Denn über 2013 schweigt man sich im Lager Schumacher/Mercedes weiterhin aus. Eine Bekanntgabe der Pläne werde zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. "Wir sind mittendrin in den Gesprächen", sagt Norbert Haug.

Der Mercedes-Sportchef versichert bei 'Sky': "Es gibt keine Entscheidungen. Michael und unser Team werden die Entscheidung diskutieren und auch gemeinsam die Entscheidung treffen. Wir wissen, was wir an Michael haben. Ich glaube, er ist sehr, sehr gern bei uns", sagt Haug. Es sei aber trotzdem "vollkommen unmöglich", über Tendenzen zu reden, weil man weiter in Ruhe verhandeln wolle.

Die Kehrseite der Medaille ist: Gerüchte und Spekulationen um die sportliche Zukunft von "Schumi" reißen nicht ab. Sie werden im Gegenteil sogar noch durch Rennauftritte wie in Singapur geschürt, wenn es für den Rekordchampion wieder einmal nicht nach Plan lief. Dessen ist sich Haug bewusst. Er sagt: "Solange wir keine Fakten nennen können, müssen wir mit den Spekulationen leben."

Sollte Schumacher bei Mercedes ausgemustert werden?

Könnte das Mercedes-Team vielleicht auch mit einem neuen Fahrer an der Seite von Nico Rosberg auskommen? Der bisherige McLaren-Pilot Lewis Hamilton wird schließlich schon seit geraumer Zeit mit dem Silberpfeil-Cockpit in Verbindung gebracht. Und laut 'Motorsport-Total.com'-Experte Surer käme ein solcher Schritt zur richtigen Zeit für den Rennstall und wäre eine sinnvolle Investition.

"Lewis Hamilton ist der beste Fahrer auf dem Markt", erklärt Surer. "Wenn man einen Fahrer braucht, wenn Michael Schumacher aufhören würde, dann ist Hamilton natürlich erste Wahl. Den müssen sie nehmen, wenn sie ihn kriegen können, denn er ist ein Siegkandidat." Der frühere Formel-1-Teamchef Giancarlo Minardi wird noch deutlicher: "Ich denke, es ist Zeit für einen Wechsel", sagt der Italiener.

"Wenn sich Mercedes verbessern will, müssen sie Rosberg einen vielversprechenden jungen Piloten an die Seite geben oder sich anderweitig umschauen", meint Minardi. "Schumi" wird das nicht gern hören. Er steht offenbar nicht mehr sehr hoch im Kurs. Und das just im dritten Jahr seiner zweiten Formel-1-Karriere, in dem es allmählich bergauf geht. Wenn man von den vielen Zwischen- und Ausfällen absieht ...

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