Senna & Ferrari: Wie es beinahe zur Traumehe gekommen wäre

, 01.05.2014

Ex-Ferrari-Teamchef Cesare Fiorio enthüllt, wie nahe er wirklich dran war, Ayrton Senna zu verpflichten, und wieso ihm der Vorvertrag am Ende das Genick brach

Genau 20 Jahre ist es nun her, dass Ayrton Senna beim Grand Prix von San Marino in Imola auf tragische Weise sein Leben ließ. Doch beinahe wäre damals alles anders gekommen - und der Brasilianer wäre an diesem Tag nicht in einem Williams, sondern in einem Ferrari gesessen. Die Gerüchte um Senna und die Roten aus Maranello sind legendär, doch was war damals wirklich dran?

Im Fahrerlager erzählte man sich stets, dass zwischen Senna und dem damaligen Ferrari-Teamchef Cesare Fiorio, der von 1989 bis zum Grand Prix von Monaco 1991 die Geschicke der Scuderia leitete, ein Vorvertrag existierte. Der McLaren-Superstar sollte 1991 und 1992 für Ferrari fahren. Es hieß, dass Fiorio diese Absichtserklärung in seinem Safe aufbewahrte. 'Motorsport-Total.com' ging der Sache auf den Grund und nahm Kontakt mit dem Italiener auf.

Wie sich Fiorio an Senna herantastete

"Als ich 1989 zu Ferrari ging, da war es mein Ziel, den bestmöglichen Fahrer zu kriegen", erinnert sich Fiorio. "Und klarerweise war Senna die Nummer eins auf meiner Einkaufsliste. Die Nummer zwei war Prost und natürlich Mansell, den ich im Team hatte. Mein Ziel war es, Gerhard Berger durch Senna zu ersetzen, also begann ich sofort mit den Gesprächen."

Doch der amtierende Weltmeister gab Fiorio zunächst einen Korb. "Senna stellte klar, dass er für die kommende Saison einen Vertrag hatte, also konnten wir keinen Deal machen", erinnert sich der 74-Jährige. "Wir einigten uns aber darauf, im Gespräch zu bleiben. Ich habe es dann geschafft, Prost (für 1990, Anm. d. Red.) ins Team zu holen. Er und Mansell ergaben eine sehr gute Fahrerpaarung."

Fiorio gab aber nicht auf: "1990 versuchte ich erneut, mit Ayrton zu sprechen. Er hatte Interesse, zu Ferrari zu wechseln, also war es sehr einfach, den ersten Kontakt herzustellen. Wir beide wollten schließlich zusammenarbeiten."

Brasilien-Grand-Prix 1990: Schlüsseltreffen in Sennas Anwesen

Nach dem Grand Prix von Brasilien 1990 kam man einander näher: "Wir hatten das Rennen mit Alain gewonnen. Ich habe Sao Paulo damals am Sonntagabend nicht verlassen, sondern blieb einen Tag länger. Senna schickte einen Chauffeur, der mich bei meinem Hotel abholte und mich zu seinem Haus brachte. Ich weiß noch, dass ich von 9 Uhr morgens bis 19 Uhr blieb, um alle Punkte zu besprechen, denn später musste ich meinen Flug erwischen."

Die Verhandlungen gestalteten sich als unkompliziert: "Es waren keine Manager, keine Anwälte involviert - nur er und ich. Wir haben eine Pause gemacht und gingen mit einigen Familienmitgliedern von ihm kurz Mittagessen, und dann ging es weiter. Am Abend hatten wir 80 Prozent der Punkte geklärt - der Deal war also zu 80 Prozent abgeschlossen. Wir haben uns dann verabschiedet und wollten in der nahen Zukunft weitere Gespräche führen."

Juni 1990: Senna und Ferrari einigen sich auf Vorvertrag

Was auch passierte - und zwar am Donnerstag vor dem Grand Prix von Frankreich in Le Castellet, der Anfang Juli stattfand: "Es war üblich, dass wir mit dem Privatjet zur Strecke flogen. Das Flugzeug machte also einen Zwischenstopp in Nizza, und ich stieg aus. Ich besuchte Ayrton zuhause in Monaco. Wir machten dann weiter mit den 20 Prozent, die noch nicht geklärt waren. Ein paar Dinge konnten wir nicht lösen, zum Beispiel, dass er Nacional als Kappensponsor hatten, während wir diesen Platz für Philipp Morris reserviert hatten. Aber wenn es darum geht, Senna zu Ferrari zu holen, sind das Kleinigkeiten."

Als Fiorio nach dem Grand Prix von Frankreich, den übrigens wieder von Ferrari gewonnen wurde, nach Maranello zurückkehrte, schrieb er eine Absichtserklärung mit all den besprochenen Punkten und schickte sie an Senna, damit dieser sie per Fax zurücksenden konnte, was auch geschah.

Vorvertrag wird für Fiorio zum Bumerang

Eine Aktion mit ungeahnten Folgen, wie er erzählt: "Das wurde dann von Ferrari-Präsident Piero Fusaro gegen mich verwendet, der einen persönlichen Krieg gegen mich begonnen hatte, den er nicht gewinnen konnte. Ich habe das Team übernommen und Erfolg gebracht. Doch er nutzte dann die Gelegenheit und besiegte mich."

Er verwendete das Dokument gegen Fiorio, wie dieser verrät: "Fusaro ging mit der Absichtserklärung zu Prost und informierte ihn, dass ich Senna holen wolle. Ab diesem Zeitpunkt gab es Probleme bei der Zusammenarbeit mit Prost. Alles wurde sehr kompliziert, und die Situation wurde unerträglich. Also musste ich gehen."

Damit war auch der Plan, Senna zu Ferrari zu holen gescheitert: "Der Deal konnte nie abgeschlossen werden. Ich habe dieses Dokument fast 20 Jahre lang in meinem Safe aufgehoben, bis ich mir eines Tages dachte, dass ich es veröffentlichen sollte. Ich habe ein Buch geschrieben."

Vertragsdetails: Senna wollte Technikertransfer einleiten

Auf die Frage, wie Senna reagierte, als Fiorio ihm erstmals seinen Plan eröffnete, ihn zu engagieren, antwortet der Mann aus Turin: "Ich war damals neu in der Formel 1 - und das, obwohl ich davor in vielen Meisterschaften tätig war, bei den Prototypen und so weiter. Er kannte mich jedenfalls nicht als Manager. Er hat mir damals sofort gesagt, dass er nicht wechseln könne, weil er einen Vertrag habe. Ich sagte darauf, dass das kein Problem sei, denn ich müsse zuerst das richtige Team für ihn aufbauen."

Hatte Senna irgendwelche speziellen Sonderwünsche? "Es gab ein paar Dinge, die er haben wollte", erinnert sich Fiorio. "Er wollte wissen, welche technischen Maßnahmen wir planen, und er wollte, dass wir Steve Nichols von McLaren holen. Er kannte ihn sehr gut, und Nichols wollte eine Veränderung. Ich wollte aber auch meinem Team treu bleiben, denn ich hatte mich von John Barnard getrennt. Daher bat ich ihn, mir zu erklären, wie es am besten passen würde."

Senna wünschte sich bestmöglichen Teamkollegen

Von Forderungen, einen Teamkollegen seiner Wahl zu engagieren, sah Senna ab. "Nein, nein, nein", sprudelt es aus Fiorio heraus. "Er meinte nur, dass ich den schnellstmöglichen Fahrer finden sollte. Das hat mich überrascht, denn alle Top-Fahrer wollten jemanden, der nicht so schnell ist, damit sie ihn kontrollieren können. Er hat aber den schnellsten verfügbaren Fahrer als Teamkollegen, damit er im Qualifying und im Rennen das Maximum aus sich herausholen muss. Und wenn er dann langsamer gewesen wäre, dann hätte er gewusst, dass er nicht die beste Arbeit leistet. Das war eine Überraschung."

Fiorio, der nach Sennas Tod noch bei Ligier und Minardi als Teamchef fungieren sollte, und die Rennlegende aus Sao Paulo haben sich auch nach dem gescheiterten Deal noch mehrmals im Fahrerlager getroffen, über die Angelegenheit haben aber beide geschwiegen. Und so ist es bis heute kaum bekannt, wie wenig tatsächlich fehlte, dass Senna für Ferrari an den Start gegangen wäre.

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