Stewart: "Der Kopf war Hamiltons Hauptproblem"

, 09.08.2012

Wie sich Jackie Stewart das Vorjahrestief von Lewis Hamilton erklärt, mit wem er ihn vergleicht und ob er glaubt, dass der McLaren-Fahrer diesbezüglich über den Berg ist

Während Lewis Hamilton im Vorjahr eine Saison zum Vergessen erlebte und immer wieder Fehler machte oder in Zwischenfälle verwickelt war, beeindruckt er dieses Jahr mit Konstanz und Fehlerlosigkeit. Als unstabil erweist sich bestenfalls sein Team, das nach einem guten Saisonstart ein hartnäckiges Tief erlebte, bei den Boxenstopps regelmäßig patzte, sich aber nun wieder gefangen hat und dem Weltmeister 2008 erlaubte, den Grand Prix von Ungarn für sich zu entscheiden. Es war der zweite Saisonsieg Hamiltons.

Formel-1-Legende Jackie Stewart zeigt sich von Hamiltons Rückkehr zu alter Stärke durchaus beeindruckt. "Er hat aus dem letzten Jahr eine Menge gelernt", lobt er Hamilton im Gespräch mit Formel-1-Reporter James Allen. Dem Schotten ist bewusst, dass Hamilton einige harte Lehrstunden und keine einfache Zeit hinter sich hat.

Was Hamilton falsch machte

"Auch im Winter muss einiges in ihm vorgegangen sein, als er im Bett lag und einfach nur nachdachte, anstatt ins nächste Auto zu springen", glaubt Stewart. "Wenn man das nämlich ständig macht und bei zu vielen Veranstaltungen ist, dann glaube ich nicht, dass man sich wirklich verbessert."

Hamilton gab schon im Vorjahr zu, dass ihn sein unstetes Privatleben vom Rennfahren ablenkt. Eine Erkenntnis, die er auch seinem Teamkollegen Jenson Button zu verdanken hat, denn dieser setzt seit Jahren auf ein stabiles Umfeld und wirkt dementsprechend geerdet. "Ich glaube, das Hauptproblem war sein Kopf", analysiert Stewart Hamiltons Situation. "An dem außergewöhnlichen Talent, mit dem er gesegnet ist, hat nie jemand gezweifelt. Aus irgendeinem Grund wollte er sich im Vorjahr aber nur auf sein Talent verlassen."

Tatsächlich gab Hamilton vor dem Saisonstart 2012 zu, durch seinen ausschweifenden Lebensstil an den Rennwochenenden oft nicht die erwartete Leistung gebracht zu haben - eine unüblich offene Erklärung für einen Spitzensportler, der für ein Topteam an den Start geht. Stewart ist der Meinung, dass Hamilton die Rolle seiner Psyche und seiner Einstellung unterschätzt hat: "Die natürliche Begabung ist eine Sache, aber damit aber mental richtig umzugehen, ist mit Abstand das Wichtigste. Das gilt für jeden Sportler, egal, ob Mann oder Frau, ob Motorsport oder Leichtathletik. Im Grunde ist es immer der Kopf, der einen im Stich lässt."

Stewart vergleicht Hamilton mit Murray und McEnroe

Der dreifache Formel-1-Weltmeister vergleicht Hamilton mit dessen Landsmann Andy Murray, dem ebenfalls von Kritikern unterstellt wird, im Kopf Schwächen zu haben. Bestes Beispiel: Beim Heimspiel in Wimbledon scheiterte der Brite im Finale gegen Roger Federer einmal mehr daran, sein erstes Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Bei den Olympischen Spielen triumphierte er hingegen an selber Stelle und argumentierte dies damit, dass er als Lokalmatador mit der enormen Aufmerksamkeit zunächst nicht zurecht gekommen sei, während sich diese bei Olympia besser verteilt habe.

Murray ist laut Stewart "ein ähnlicher Typ" wie Hamilton: "Er lässt sich sehr oft ablenken und ärgert sich über seine eigenen Fehler - dass der Kopf nicht funktioniert, wirkt sich nachteilig auf seine Leistung aus." Er nennt noch einen weiteren Superstar aus dem Tennissport, auf den dies seiner Meinung nach zutrifft: "Auch John McEnroe musste diese Lektion lernen. Wenn er sich geärgert hat, dann meist über sich selbst und nicht über das Verhalten anderer. Es war eher umgekehrt - er erlaubte dieser Person, sich auf eine gewisse Art und Weise zu verhalten und ihn so zu schlagen."

Der ehemalige Formel-1-Teamchef ist jedenfalls zuversichtlich, dass Hamilton aus den Ohrfeigen des Vorjahres seine Schlüsse gezogen hat - ob diese allerdings dauerhaft sind, kann er nicht sagen. "Ich glaube, Lewis hat das zu einem großen Teil auch verstanden und ich hoffe, dass sich das durch die kürzlichen Erkenntnisse bei ihm eingeprägt hat", spielt er auf die Rolle des Kopfes an. "Das wird sich aber erst im Laufe der Zeit zeigen."

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