Formel-1-Experte Marc Surer hält das Urteil in der Reifentestaffäre für angemessen, und glaubt, dass die Sache für Mercedes nun ausgestanden ist
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Mercedes hat das Urteil des Internationalen Tribunals akzeptiert, Red Bull hat das Urteil des Internationalen Tribunals akzeptiert, und auch Experte Marc Surer hat das Urteil des Internationalen Tribunals akzeptiert. Laut dem Schweizer wurde bei der Verhandlung genau die richtige Entscheidung getroffen, wie er gegenüber 'Motorsport-Total.com' erklärt. "Wir haben jetzt zum ersten Mal das Tribunal gesehen, die eigentlich vernünftig und auch für den Sport reagiert haben", lautet das Fazit von ihm.
Das Tribunal entschied am zweiten Verhandlungstag, Mercedes und Pirelli im Zuge der Reifentestaffäre zu verwarnen, und die Silberpfeile vom Young-Driver-Test auszuschließen. Für Surer geht das so in Ordnung: "Ich habe einen positiven Eindruck von der ganzen Geschichte. Man kann darüber diskutieren, ob es zu milde war oder nicht, aber grundsätzlich fand ich, das Tribunal hat funktioniert." Laut dem Schweizer hätte die Diskussion von Anfang an ein Problem gehabt: "Jeder der die Akten durchgelesen hat, fragt sich: Wen will man eigentlich bestrafen?"
Denn: Alle drei Parteien seien involviert, und alle hätten etwas falsch gemacht: "Pirelli hat etwas falsch gemacht, weil sie die anderen Teams nicht eingeladen bzw. informiert haben. Die FIA hat wohl auch was falsch gemacht - nämlich nicht klargestellt, dass man nicht mit dem aktuellen Auto fahren darf", so Surer. Darum könne man jetzt nicht Mercedes bestrafen, wenn alle drei mitschuldig sind. "Ich glaube, mit diesem Urteil sind sie elegant rausgekommen, weil schlussendlich kann man nicht einen einzelnen bestrafen, wenn alle was falsch gemacht haben."
Natürlich weiß auch der ehemalige Grand-Prix-Pilot, dass die Strafe auch viel höher hätte ausfallen können, demnach sei Mercedes mit der milden Strafe gut bedient. "Auf der anderen Seite ist es eigentlich ausgleichende Gerechtigkeit", sagt er bezüglich des Ausschlusses vom Young-Driver-Test. "Wir wissen, dass viele Teams bei dem Young-Driver-Test nicht unbedingt 'young driver' einsetzen, sondern erfahrene Testfahrer, die dann auch echte Tests fahren." Sportlich habe sich der Vorteil Mercedes' dann zumindest ausgeglichen.
Doch Surer vermutet noch einen anderen Grund für das milde Urteil gegen die Silberpfeile. Hätte man Mercedes härter bestraft, hätte man wohl auch Pirelli und die FIA selbst härter bestrafen müssen - für Surer zu viel des Guten: "Pirelli kann man ja nur zivilgerichtlich verklagen. Das ganze würde so kompliziert werden", glaubt er. "Wenn man das richtig knallhart verfolgen würde, müsste sich die FIA wahrscheinlich selber bestrafen, weil sie nicht ganz klargestellt haben, was erlaubt ist und was nicht. Es würde uferlos werden, wenn man jetzt alles auf den Punkt bringen würde."
Dass die seichte Strafe politische Hintergründe hat, glaubt er hingegen nicht. Auch wenn häufig von einem Formel-1-Ausstieg des Teams die Rede war, denkt Surer nicht, dass sich das Tribunal davon hat beeinflussen lassen: "Ich glaube nicht, dass sich davon jemand beeindrucken lässt. Es kann nicht sein, nur weil man was falsch gemacht hat, dass man dann sagt, jetzt steigen wir aus, weil man uns beim illegalen Reifentest erwischt hat. Das wäre nicht Mercedes. Das kann ich mir nicht vorstellen."
Für den Schweizer ist die Sache mit dem Urteil abgehakt. Nun sieht er die FIA in Zugzwang: "Wir können jetzt nur hoffen, dass es in der Geschichte von der FIA Klarstellungen gibt, was erlaubt ist und was nicht. Das ist ja jetzt erst herausgekommen, dass es eigentlich gar nicht so eindeutig klar war." Die Grauzone habe man allerseits geschickt ausgenutzt. "Dass es nicht sauber war, haben die alle gewusst", ist sich Surer sicher. "Aber was Mercedes selbst betrifft, denke ich, das hat sich erledigt."