Mercedes-Sportchef Toto Wolff hält Dietrich Mateschitz' Ausstiegsdrohung nicht nur für Säbelrasseln und rät Red Bull zu einem selbstkritischen Analyseprozess
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Toto Wolff, so sagt man sich im Formel-1-Paddock, ist für Dietrich Mateschitz ein rotes Tuch. Dass der Mercedes-Sportchef Red Bull einst abschätzig als "Brausehersteller" belächelt hat, hat der Energydrink-Milliardär seinem österreichischen Landsmann nie verziehen. Und so muss es wohl als Geste im Sinne der Deeskalation verstanden werden, wenn Wolff heute Verständnis für die Unzufriedenheit von Red Bull in der Formel 1 äußert und die Kritik aus Fuschl nicht nur als beleidigtes Säbelrasseln abtut.
Man tue gut daran, genau zuzuhören, wenn Mateschitz mit Ausstieg droht: "Red Bull ist in keiner guten Situation", sagt der 43-Jährige. "Das Team, das den Anspruch stellt, Weltmeister zu werden, das auch viermal geschafft hat, steckt in einer Sackgasse, wo es nur wenige Möglichkeiten gibt. Wenn du deine Marke promotest, dann ist es schwierig, mit dem Misserfolg umzugehen. Also muss man die Argumentation schon ernst nehmen. Wir verstehen das und akzeptieren die Problematik."
Red Bull übte zuletzt immer wieder scharfe Kritik an Antriebshersteller Renault, aber auch am Formel-1-Reglement, das eine technische Aufholjagd schwierig macht. Den Vorsprung von Mercedes wettzumachen, sei mit der aktuellen Token-Lösung fast unmöglich. Aber auch mit anderen Regelaspekten ist Red Bull unzufrieden. Mercedes hat dafür Verständnis: "Man kann nicht nur auf seine eigene Agenda schauen und sagen: Wir gewinnen, alles andere ist uns egal", sagt Wolff.
Nicht nur Idioten bei Motorenhersteller Renault
"Sondern wir nehmen das ernst und diskutieren, wie man dazu beitragen kann, dass es vielleicht besser wird", so der Mercedes-Sportchef, der Red Bull einen Rat erteilt: "Ich kenne die Situation nicht im Detail, aber was am allermeisten gefragt ist, ist, die Sache mit Ruhe anzugehen und zu analysieren, was falsch war oder ist. Renault ist ein Motorenhersteller, mit dem Red Bull vier Weltmeisterschaften gewonnen hat. Nur Idioten können dort nicht sitzen."
Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie in der Haut von Dietrich Mateschitz stecken würden? Wolff antwortet respektvoll: "Ich würde mich nach Hause setzen und mich freuen, was ich alles geschafft habe im Leben und was für eine tolle Marke ich habe." Und weiter: "Das Erste ist mal, sauber zu analysieren, wo man vielleicht falsch abgebogen, was falsch gelaufen ist. Das haben wir bei Mercedes vor drei Jahren auch gemacht." Nämlich nach Austin 2012.
Austin 2012 als Schlüsselerlebnis für Mercedes
"In dem Rennen ist der Mercedes nur rückwärts gefahren, fast bis auf Platz 15, 16, 17. Das war eine Katastrophe, für die Marke absolut kontraproduktiv. Das muss man verstehen und einsehen und akzeptieren. Was wir gemacht haben, war zu analysieren: Was müssen wir besser machen, um wieder nach vorne zu kommen? Meine Strategie wäre: Bevor ich mit dem Finger auf wen zeige, würde ich sicherstellen, dass ich den Richtigen erwische."
Trotzdem verwehrt sich Wolff kategorisch gegen teilweise auch geforderte Regeländerungen während der Saison, etwa hinsichtlich der minimalen Lebensdauer der Antriebseinheiten. Das wäre so, unkt ein Formel-1-Teamchef, als würde man während einer Fußballsaison die Tore größer machen, weil ein ins Hintertreffen geratener Verein bessere Stürmer hat. Da solche Regeländerungen aber ohnehin nur einstimmig beschlossen werden können, sind sie bislang nicht passiert.
Wolff stört sich "an dieser generellen Einstellung, mal eben während der Saison die Regeln zu ändern, wenn es einem gerade nicht gut geht. Und damit meine ich nicht Red Bull." Dem österreichisch-britischen Team wünscht der Österreicher einen baldigen Aufschwung: "Man muss die die Dinge schon ernst nehmen. Wir brauchen die Plattform, ein Team wie Red Bull ist wichtig für die Formel 1. Deshalb muss man das schon akzeptieren."