Der Vorsprung ist größer, als er auf den ersten Blick aussieht: Sebastian Vettel am ersten Tag in Neu-Delhi vor Teamkollege Webber - WM-Rivale Alonso nur Fünfter
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Sebastian Vettel ist seinem vierten WM-Titel am heutigen Freitag in Neu-Delhi wieder einen Schritt näher gerückt. Zwar entschied das Oberste Gericht zuerst, dass der Grand Prix planmäßig am Sonntag stattfinden darf (sonst wäre die Titelentscheidung quasi kampflos gefallen), doch in den beiden Freien Trainings sicherte sich der Red-Bull-Pilot die Bestzeit, jeweils vor seinem Teamkollegen Mark Webber.
Am Ende waren die beiden durch 0,289 Sekunden getrennt, obwohl Vettel nach Suzuka schon wieder Probleme mit seinem KERS-Hybridsystem hatte. Sein Vorsprung war in Wahrheit aber noch größer, als es der Blick auf die Zeitentabelle vermuten lässt, denn seine schnellste Runde brach er nach zwei absolut besten Sektorenzeiten ab. Hätte er diese nicht an der Box beendet, wäre der Vorsprung auf Webber wahrscheinlich eine halbe Sekunde oder größer gewesen.
"Es war soweit ganz gut, sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag", bilanziert der Indien-Sieger von 2011 und 2012. "Am Nachmittag hatten wir einen kurzen Wackler drin. Beim zweiten Schuss auf weichen Reifen habe ich auf einmal ziemlich viel Grip an der Hinterachse verloren. Wir haben dann etwas länger gesucht, bis wir wieder rausgefahren sind. Es ist noch nicht ganz klar, ob es ein Problem gab oder nicht. Allzu groß kann es aber nicht gewesen sein, denn der Longrun danach war ganz gut."
Vettel für Experte Surer klarer Favorit auf den Sieg
Für Experte Marc Surer ist Vettel in Indien wieder klarer Favorit. Als einzigen "Gegner", stuft der ehemalige Formel-1-Pilot die Pirelli-Reifen ein: "Der einzige Knackpunkt sind die weichen Reifen. Die gehen bei denen auch sehr schnell kaputt. Das könnte im Rennen für Spannung sorgen." Aber allzu viel Hoffnung sollte sich die Konkurrenz seiner Meinung nach nicht machen: "Wenn er dann die harten Reifen drauf hat, kann er ja alles wieder aufholen."
Erster Red-Bull-Verfolger war heute Romain Grosjean (Lotus) mit einem Rückstand von 0,498 Sekunden. Nicht ganz so nahe dran war der Franzose, als es in der letzten halben Stunde bei den Volltank-Tests ums Renntempo ging: Auch in dieser Wertung setzte sich Vettel (1:29.8 Minuten) vor Webber (1:29.9) an die Spitze, gefolgt von Grosjean und Nico Rosberg (Mercedes/beide 1:30.6). Letzterer scheint in der absoluten Tagestabelle mit 0,860 Sekunden Rückstand als Sechster auf.
Damit ist Rosberg grundsätzlich "zufrieden", aber an den ersten Sieg seit Silverstone denkt er deshalb noch lange nicht: "Wir werden um den dritten Platz auf dem Podium kämpfen, weil die beiden Red Bulls einfach wieder zu schnell sind." Auch die Pole-Position sei "sicherlich außerhalb unserer Reichweite. Red Bull und besonders Vettel waren wieder einfach zu schnell heute. Das ist ärgerlich, aber so ist es nun mal. Also ist der dritte Platz das Ziel."
Räikkönen und Alonso im Renntrimm nicht überzeugend
Alle anderen blieben im Renntrimm über 1:31 Minuten, wobei die Hackordnung zu lauten scheint: Red Bull vor Lotus/Mercedes und Ferrari. Fernando Alonso, absolut mit 0,708 Sekunden Rückstand Fünfter, war bei den Volltank-Tests mit einer Bestzeit von 1:31.7 Minuten der langsamste aller Mitfavoriten. Im Vergleich dazu konnten selbst die beiden McLaren-Piloten, für die es heute immerhin zu Top-10-Platzierungen reichte, recht ordentliche Rundenzeiten setzen.
Einen ungewöhnlich schwierigen Freitag erlebte Kimi Räikkönen (Lotus/+0,910), obwohl er sich über Mittag immerhin noch vom 17. auf den achten Platz verbessern konnte. Aber der "Iceman" war im Smog von Neu-Delhi mindestens zweimal neben der Strecke und sah gegen Grosjean alt aus. Vielleicht lag das am linken Vorderreifen, der mehreren Fahrern zu schaffen machte: "Jesus, das sieht übel aus", erschrak etwa Nico Hülkenberg einmal, als er an die Box kam.
Hülkenberg: Am Ende doch noch zufrieden
Der Deutsche wurde heute mit 1,769 Sekunden Rückstand 14. Zu Beginn des Nachmittags freute er sich darüber, die Bremsprobleme von heute Morgen überwunden zu haben, später dann aber klagte er über Reifenprobleme. Am Ende dann noch die Erleichterung: "Auf den harten Reifen fühlt sich das Auto mega an!" Untersteuern lautet hingegen die Diagnose bei Adrian Sutil (+1,653), der beim Force-India-Heimspiel kaum realistische Chancen hat, Teamchef Vijay Mallya ein Podium zu bescheren.
Ein großes Thema könnten an diesem Wochenende die Reifen werden, denn besonders vorne links gab es heute in mehreren Teams Schwierigkeiten. "Die Reifen werfen Blasen. Das ist so, wie wenn man ohne Handschuhe zu viel arbeitet", erklärt Experte Surer. Pirelli-Sportchef Paul Hembery versucht zu erklären: "Es sieht so aus, als wäre Untersteuern in den Kurven 10 und 11 der Grund für die Blasen an den Vorderreifen. Bei den Hinterreifen ist es möglicherweise die Traktion."
Das lose rechte Vorderrad bei Pastor Maldonado (16./+1,998) hatte hingegen nichts mit Pirelli zu tun, sondern mit einer losen Radmutter - bitter, denn Williams hatte erst kürzlich wegen eines ähnlichen Schlampigkeitsfehlers eine Geldstrafe kassiert. Ganz hinten übrigens die üblichen Verdächtigen: Giedo van der Garde im Caterham war diesmal schneller als seine drei direkten Konkurrenten in der inoffiziellen Wertung der Nachzügler Caterham und Marussia.