Wo Rauch ist, ist auch Feuer, glaubt Eddie Jordan, aber Niki Lauda dementiert die Vettel-Gerüchte - Fest steht: Profitieren würde sowohl Vettel als auch Mercedes
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Schon seit Sotschi sorgt ein heißes Gerücht in der Formel 1 für Spekulationen: Sebastian Vettel soll bereits im Winter einem Vorvertrag bei Mercedes für 2018 zugestimmt haben. Das schreibt zumindest der italienische Ferrari-Insider Leo Turrini in seinem Blog. Turrini behauptet, Mercedes-Boss Niki Lauda habe das am Rande der Wintertests in Barcelona im Freundeskreis ausgeplaudert.
Aber Lauda dementiert im englischen Fernsehen: "Alles Bullshit!" Um den Gerüchten Wind aus den Segeln zu nehmen, unterstreicht er: "Das Herz eines Ferrari-Fahrers hängt an Ferrari. Und das Geld stimmt auch. Warum sollte er Ferrari verlassen, solange er gewinnt? Dafür gibt es keinen Grund. Er wird bei Ferrari bleiben, er liebt das Team. Es gibt keinen Grund für diese Gerüchte."
Auch Toto Wolff erklärt, an den Gerüchten sei "nichts dran". Gespräche mit Vettel fänden natürlich statt, aber lediglich als Nachbarn - der Mercedes-Sportchef und der Ferrari-Star leben in der Schweiz in unmittelbarer Nähe. Bekannt ist aber, dass es zwischen Wolff und Vettel im vergangenen Dezember Kontakt gegeben hat, via Smartphone-Nachrichten. Ob daraus mehr entstanden ist oder nicht, entzieht sich unserer Kenntnis.
Vettel sucht ein Cockpit, Mercedes hat eins frei
Die Faktenlage sieht so aus: Vettels Vertrag läuft zum Saisonende 2017 aus. "Ich bin zum ersten Mal in der Situation, dass ich nicht weiß, was nächstes Jahr passiert", bestätigt er. Bei Mercedes wiederum wurde Valtteri Bottas vorerst nur für eine Saison engagiert. Und Lauda scheint von Vettel begeistert zu sein: "Er ist im Moment der Beste", wird er von 'Auto Bild motorsport' zitiert. Vettel sei "einfach ein unglaublicher Typ", legt der Österreicher nach.
Laut Formel-1-Experte Martin Brundle könnte all das ein "Spielchen" sein, um beim wiedererstarkten Konkurrenten Ferrari für Unruhe zu sorgen: "Man kann mit solchen Aussagen bei der Konkurrenz Unruhe stiften und die eigene Position stärken." Aber Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene kontert: "Wenn das Nikis Ziel war, Unruhe bei uns und unseren Fahrern auszulösen, dann ist ihm das nicht gelungen."
Lauda ernst zu nehmen, der immer wieder quer gegen Ferrari schießt, hat sich Arrivabene schon länger abgewöhnt: "Ich habe großen Respekt vor Niki. Aber würde man all seine Aussagen der letzten zwei oder drei Jahre aufschreiben, dann würde manches stimmen - aber mit vielem will er auch einfach nur Unruhe stiften."
Jordan: Hat das "Orakel" wieder recht?
Eddie Jordan, in der Formel 1 seit dem Schumacher-Comeback als "Orakel" bekannt, glaubt indes: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. "Natürlich redet Mercedes mit Vettel", wird er von der 'Sport Bild' zitiert. "Sie müssen es auch. Formel 1 ist ein brutales Geschäft. Da geht es nicht nur darum, sich selbst zu stärken, sondern auch den Gegner zu schwächen."
Vettel selbst würdigt die Gerüchte im TV-Interview nur mit einem Wort: "Ey!" Und bekennt sich klar zu Ferrari: "Ich liebe die Marke. Ich bin Ferrari-Fan, seit ich klein war. Für mich ist die Situation toll. Ich genieße diese Zeit gerade." Der Satz, dass er keinen Vorvertrag unterschrieben und auch nicht mit Mercedes über eine Zusammenarbeit gesprochen hat, kommt ihm aber explizit nicht über die Lippen. Und Mercedes auch nicht.
"Sebastian", sagt sein Ex-Teamkollege Daniel Ricciardo, "ist einer der wenigen Fahrer, deren Vertrag zum Jahresende ausläuft. Ich schätze, er hat Optionen." Vettel schwächt ab: "Es gibt genug andere Fahrer, die keinen Vertrag für nächstes Jahr haben." Ricciardo weiter: "Wenn es mit Ferrari weiter gut läuft, kann ich mir kaum vorstellen, dass er weggeht." Aber: "Er befindet sich in einer guten Position. Und wir wissen auch, dass er Herausforderungen mag."
Vettel spielt Spekulationen herunter
"Die ganzen Italiener", macht Vettel den Versuch, die Gerüchte wegzulachen, "scheinen mehr zu wissen als ich selbst. Dabei ist die Situation doch klar. Ich konzentriere mich auf dieses Jahr. Das ist kein Geheimnis und keine Floskel, sondern es ist für uns alle im Team Tatsache. Wir befinden uns sportlich in einer sehr guten Position und wollen so weitermachen. Alles andere ist nicht wichtig."
Aber spekuliert wird solange, bis eine der beiden Seiten dezidiert dementiert. Denn die "Silly Season" ist laut Experte Brundle "ein riesiges Spiel" mit "einigen wenigen Fahrern, die Millionen von Euro verdienen". Klar sei aber auch: "Letztendlich sind die Erfolge das Wichtigste. Mich würde es sehr überraschen, sollte er Ferrari verlassen. Speziell wenn er Weltmeister wird."
Anthony Davidson hält Vettel für "einen der besten Fahrer der Welt. Er muss sich seine Optionen offen halten", sagt der Formel-1-Experte. "Wenn das Auto bis zum Saisonende so stark ist, wird er wahrscheinlich bleiben. Aber wenn Mercedes Ferrari im Entwicklungsrennen schlägt und so stark wird wie vergangenes Jahr, was soll er dann als Fahrer tun? Dann weißt du, wo du hin musst."
Alles nur ein riesiger Millionenpoker?
Und genau darum könnte es bei einer angeblichen Vorvereinbarung zwischen Vettel und Mercedes (sei es nun schriftlich oder verbal) gehen: sich Optionen offen zu halten, falls Ferrari das derzeitige Momentum nicht nachhaltig aufrechterhalten kann. Denn bei aller Liebe zu Ferrari: Letztendlich zählen auch für Vettel nur WM-Titel.
Und wenn das ganze Spielchen dazu dient, seinen Marktwert für eine Vertragsverlängerung bei Ferrari in die Höhe zu treiben, würde ihm das auch nicht schaden. Vettel kann sagen: Bitte mehr Gehalt - oder ich bin weg! Und Mercedes kann umgekehrt im Poker um einen etwaigen neuen Teamkollegen für Lewis Hamilton jederzeit Druck machen: Wenn du für uns fahren willst, mach es billig - sonst holen wir Vettel!
Eine Win-win-Situation. Selbst wenn es wirklich nur Gerüchte sind ...