Ferrari im Pech! Trotz spektakulärer Aufholjagd verpasst Sebastian Vettel beim Großen Preis von Kanada knapp das Podest - Bremsprobleme bei Kimi Räikkönen
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Rückschlag für die Scuderia im Titelkampf: Zum ersten Mal in dieser Formel-1-Saison stand in Kanada kein Ferrari-Pilot auf dem Podest. Denn während Polesetter Lewis Hamilton vor Teamkollege Valtteri Bottas souverän zu seinem sechsten Sieg in Montreal fuhr, musste sich WM-Leader Sebastian Vettel nach einem Schaden am Start von ganz hinten durch das Feld kämpfen. Am Ende betrieb der Deutsche dank einer beeindruckenden Aufholjagd mit Platz vier aber Schadensbegrenzung.
Die Schlüsselszene für Vettels verkorkstes Rennen trug sich kurz nach dem Start zum Großen Preis von Kanada zu: Der Quali-Zweite wurde zwischen Bottas und Red-Bull-Pilot Max Verstappen in der Anfahrt auf Kurve 1 eingekeilt und verlor dabei nicht nur zwei Plätze. Verstappen touchierte beim Überholvorgang auch noch Vettels Frontflügel, der sich wenig später in Wohlgefallen auflösen sollte und den 29-Jährigen unplanmäßig früh an die Box zwang.
"Mein Start war nicht besser oder schlechter als der von Lewis", urteilt Vettel rückblickend und schildert die ersten Meter aus seiner Sicht: "Ich habe mich darauf konzentriert, mich in seinem Windschatten zu positionieren, um ein bisschen Zug zu bekommen. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass Valtteri einen besseren Start hatte und wollte ihn natürlich auf die Innenseite drücken. Das hat auch funktioniert. Ich denke, Max hat dann seine Chance auf der Außenseite gewittert und versucht, an allen vorbeizufahren, was ihm auch gelungen ist."
Ferrari bemerkte Schaden am Auto zu spät
Unglücklicherweise kam es dabei jedoch zum folgenschweren Kontakt. Doch Vettel nimmt Verstappen in Schutz: "In dem Moment sieht man das nicht wirklich, deswegen kann man ihm keinen großen Vorwurf machen. Ich konnte allerdings nirgends hin. Hätte ich später gebremst, hätte ich Lewis abgeräumt. Hätte ich früher gebremst, hätte ich sofort aufgegeben. So versuchte ich, mich da irgendwie rauszuhalten." In der ersten Kurve sei er schlichtweg "zur falschen Zeit am falschen Ort" gewesen.
Erschwerend hinzu kam, dass Ferrari Vettel nicht sofort an die Box holte. Stattdessen fuhr er weitere Runden mit dem lädierten Frontflügel. "Anfänglich zeigten unsere Daten, dass der Schaden nicht zu ernst war", erklärt Teamchef Maurizio Arrivabene. Und Vettel räumt ein: "Es fühlte sich etwas seltsam an, aber ich war mir nicht sicher. Denn die erste Runde eines Rennens ist immer so eine Sache. Die Reifen sind nicht sofort da. Zudem war es sehr windig. Dennoch hätten wir es merken müssen."
Erst als ein Teil des Flügels abfiel, kam er in Runde 6 zum Reparaturstopp. Zu dem Zeitpunkt war die erste Safety-Car-Phase des Rennens gerade erst vorbei. "Da kostet der Stopp dann ungefähr zehn Sekunden mehr", ärgert sich der 29-Jährige über das schlechte Timing. Mit frischen Supersoft-Reifen reihte er sich schließlich als Letzter wieder ein. Wie sich später herausstellen sollte, hatte er sich auch den Unterboden beschädigt, konnte aber dennoch zur Aufholjagd ansetzen und Runde um Runde Positionen gutmachen.
Volles Risiko beim Angriff auf Ocon
Nachdem er Lance Stroll (McLaren) und Kevin Magnussen (Haas) überholt hatte, lag der Deutsche in Runde 23 bereits auf dem achten Rang. Sein Rückstand auf die Spitze betrug zu dem Zeitpunkt allerdings schon mehr als 30 Sekunden. Würde er mit den Supersofts durchfahren können? Theoretisch ja. In Runde 49 entschied sich Vettels Crew dann aber doch für einen zweiten Stopp, damit der WM-Leader auf frischen Ultrasofts noch einmal attackieren konnte.
In der Folge gelang es Vettel, sowohl Teamkollege Kimi Räikkönen zu überholen als auch im Schlussspurt noch an den starken Force Indias von Sergio Perez und Esteban Ocon vorbeizugehen. Der Ferrari-Fahrer profitierte dabei auch von internen Querelen bei Force India, deren Piloten sich über eine mögliche Teamorder uneinig waren. So flog Vettel von hinten heran, bremste sich erst an Ocon vorbei, der ins Gras ausweichen musste, und schnappte sich in der vorletzten Runde auch Perez.
"Es war ein bisschen haarig", kommentiert Vettel sein mutiges Manöver an Ocon. "Man hat gesehen, dass die Strecke generell schmutzig war an diesem Wochenende, gerade neben der Linie war es sehr rutschig. Aber es hat gereicht. Ich wollte vorbei und musste vorbei und habe es dann erzwungen." Für eine Attacke gegen Daniel Ricciardo (Red Bull) wurde die Zeit dann aber zu knapp. Am Ende fehlten Vettel sechs Zehntelsekunden auf den Drittplatzierten.
WM-Sprung von Vettels schmilzt auf zwölf Punkte
"Ich wäre gerne aufs Podium gefahren. Wir kriegen ja die Pokale vor dem Rennen vor die Nase gestellt. Da sieht man, was man bekommen könnte", sagt der Ferrari-Fahrer mit etwas Galgenhumor und gibt zu: "Der große Pokal war nach dem Zwischenfall in der ersten Runde vielleicht abgefahren, aber mit dem dritten hatte ich dann doch noch gerechnet." Allerdings habe er hinter den beiden Force Indias zu viel Zeit verloren. "Die waren unheimlich schnell auf der Geraden und Daniel konnte davon profitieren."
Mit einer Runde mehr wäre das Podium drin gewesen, glaubt Vettel. Ob es unter normalen Umständen auch für den Sieg gereicht hätte? "Der Speed war da im Rennen, um das Tempo mitzugehen. Aber im Endeffekt kann man das nicht vergleichen. Ich hatte ja das ganze Rennen die Hände voll und Autos um mich herum. Dass man dann mit den Reifen nicht so gut umgeht wie vorne, wenn man sich das Rennen einteilt, ist klar. Dann ist die Pace auch nicht ganz so gut."
Dennoch machte der Deutsche aus seiner misslichen Lage noch das Beste und sicherte sich zwölf wichtige Punkte für sein WM-Konto. Die Tabelle führt er nunmehr mit 141 Zählern ein. Sein Vorsprung auf Verfolger Hamilton schmolz durch dessen Sieg auf zwölf Punkte. Teamkollege Räikkönen, der in Montreal als Siebter ins Ziel kam, büßte gegenüber Bottas an Boden ein. Im finnischen WM-Duell steht es jetzt 93:73 für den Mercedes-Piloten.
Räikkönen mit Beinahe-Crash in erster Runde
Wie Vettel erwischte auch Räikkönen nicht den besten Start und verlor Positionen an die Red Bulls. Zudem schlüpfte ihm wenig später auch noch Perez durch, nachdem Räikkönen sich kurzzeitig auf die Wiese verirrt hatte. "Es waren schwierige erste Runden. Ich hatte keinen allzu guten Start", urteilt er selbst. Bis zum ersten Boxenstopp in Runde 18 verharrte der Finne im Force-India-Sandwich, blieb auf den Supersofts dann eher unauffällig und hatte, wie sein Team twitterte, nach dem Ausritt ins Gras mit Balance-Problemen zu kämpfen.
Ein Wechsel auf Ultrasofts in Runde 42 ließ Räikkönen zur Konkurrenz zunächst aufschließen. "Wir hatten nach dem Boxenstopp ein gutes Tempo", bestätigt der 37-Jährige. Dann aber verhinderten Bremsprobleme eine weitere Attacke. Stattdessen ging Vettel an ihm vorbei, nachdem Räikkönen in der letzten Schikane geradeaus fuhr. Weil er auch danach deutlich langsamer war, konnte der Ferrari-Pilot im Kampf mit Force India keine Rolle mehr spielen.
Abgesehen von seinem "schwierigen Rennen" sieht er im Vergleich zu den Vorjahren in Montreal jedoch deutliche Fortschritte am Auto, das heute ein besseres Ergebnis verdient hätte. Darin sind sich Räikkönen und Vettel einig. "Wir sind in diesem Jahr in einer wesentlich stärkeren Position", sagt der Finne. Auch für den nächsten Grand Prix in Baku am kommenden Wochenende. Dort stand Vettel im Vorjahr auf dem Podium, Räikkönen wurde Vierter.