Vettel: "Stolz, die roten Jungs besiegt zu haben"

, 08.09.2013

Titelverteidiger Sebastian Vettel kommt seinem vierten Titel in Italien einen Schritt näher - Buh-Rufe bei der Siegerehrung lassen Vettel kalt

Mit einem dominanten Start-Ziel-Sieg hat Sebastian Vettel den Tifosi beim Grand Prix von Italien den Sonntag vermiest. Der Deutsche fuhr von der Pole-Position ein nahezu fehlerfreies Rennen. Nur beim Start verschätzte sich der Red-Bull-Pilot und holte sich am rechten Vorderrad einen leichten Bremsplatten. Gegen Ende des Rennens wurde es noch einmal spannend: Das Getriebe des Autos bereitete dem Weltmeisterteam Sorgen. Doch am Ende ging alles gut und Vettel kam seinem vierten Titel in Folge ein Stückchen näher.

"Wenn er jetzt zum vierten Mal in Folge Weltmeister wird - und so sieht es ja momentan aus -, dann ist er wirklich der dominante Mann. Vier Mal in Folge Weltmeister zu werden ist beeindruckend", bemerkt Experte Marc Surer bei 'Sky'. "Der Start war der einzige Knackpunkt. Er hat einen schlechten Start hingelegt. Mark Webber konnte es aber nicht nutzen. Er müsste Pech haben, sonst ist ihm der Titel nicht mehr zu nehmen. Er muss nicht einmal alle Rennen gewinnen. Er könnte in den Punkten ins Ziel kommen. Doch solange er nicht theoretisch Weltmeister ist, darf er den Titel nicht als sicher ansehen. Es kann alles passieren." Wie Vettel das Rennen erlebt hat und was er zur Situation in der Meisterschaft sagt, verrät der Deutsche im Interview.

Frage: "Du hast hier mit einem italienischen Team deinen ersten Grand Prix gewonnen. Deshalb ist es sicher etwas Besonderes, hierhin zurückzukommen, oder?"

Sebastian Vettel: "Es war ein fantastisches Rennen. Man hört aber den Unterschied, wenn man in einem roten Rennanzug gewinnt. Ich bin trotzdem stolz, dass ich die roten Jungs besiegt habe. Darauf bin ich sehr stolz. Das Team und Renault haben fantastisch gearbeitet. Das ist für uns normalerweise eine der schwierigsten Strecken, aber diesmal war das Auto fantastisch. Das Rennen war unglaublich. Gegen Ende hatte ich kleine Probleme mit dem Getriebe. Für mich war es nicht so schlimm, weil ich einen kleinen Vorsprung gehabt habe."

"Es ist toll hier zu gewinnen. Das Podium ist mit all diesen Fans das schönste der Saison. Die meisten Fans sind natürlich in rot angezogen, aber es gibt auch einige blaue Kappen. Beim Start kam ich nicht so gut weg, es hat etwas gedauert, bis die Kupplung richtig gegriffen hat. Ich war mir dann nicht ganz sicher, ob der Mark direkt neben mir ist. Er war im toten Winkel. Dann habe ich gemerkt, dass ich doch noch vorne bin, habe dann aber relativ spät versucht, zu bremsen. Es ging sich aus, aber das Vorderrad war blockiert und ich hatte im ersten Stint einen Bremsplatten am Vorderrad. Das war sehr unangenehm."

Getriebeproblem bereitet Sorgen

Frage: "Erzähle uns etwas zu den Getriebeproblemen, die du am Ende hattest. Wurde es schlimmer oder war es nur ein Problem?"

Vettel: "Wir beendeten das Rennen, also war es nicht so schlimm. Doch der Puls im Auto und an der Boxenmauer stieg ein bisschen an, weil wir nicht wussten, was los ist. Zum Glück hatten wir kein großes Problem. Ich versuchte lediglich in den letzten zehn bis 15 Runden, mein Tempo und den Vorsprung zu kontrollieren. Es war gut, dass ich zehn Sekunden in Führung lag."

"Deshalb musste ich nicht so sehr pushen und die Reifen nicht so ausquetschen, obwohl ich einige Runden vor Fernando an die Box kam. Es war also gut. Doch wir wussten ja nicht, wie schlimm das Problem ist. Das wissen wir aber, wenn wir das Auto in der kommenden Woche auseinanderbauen, um uns das Getriebe anzusehen. Dann wissen wir bei beiden Autos, wie knapp es war."

Frage: "Im Parc Ferme wurden die Gänge fünf, sechs und sieben gewechselt. Das wurde gemacht, weil sich offensichtlich das ankündigte, was im Rennen passierte. Oder war es ein komplett anderes Problem?"

Vettel: "Wir haben bereits am Freitag etwas entdeckt. Wir wechselten vom Freitag zum Samstag das Getriebe, doch im Rennen war es dann eine Überraschung, denke ich. Uns war das Problem vom Freitag bewusst. Doch wir bemerkten vorher nichts. Da kann man nicht viel machen. Wenn man das Auto einmal gestartet hat, kann man nichts mehr ändern."

"Wir hatten am Ende Glück und waren in einer komfortablen Position, weil wir am Ende einen Vorsprung hatten. Ich weiß nicht, was die Daten an der Boxenmauer gesagt haben, ob das Problem schlimmer wurde oder konstant blieb. Ich versuchte, das Auto zu schonen, Kraft und Getriebe zu schonen so gut es nur ging. Doch ich musste auf den Geraden natürlich Vollgas geben. Ich versuchte die Gänge nicht auszudrehen, um das Auto ein bisschen zu schonen."

Frage: "Tut es weh, dass die Leute bei der Siegerehrung gegen dich waren?"

Vettel: "Ich hatte 2008 eine Erfahrung, die mich richtig beeindruckte, als ich mit einem italienischen Team und einem Ferrari-Motor gewann. Die Atmosphäre war fantastisch. Als ich 2011 und in diesem Jahr gewann... 2011 war eine Überraschung. In diesem Jahr konnte man es erwarten. Ich sagte über den Funk, dass wir umso besser gewesen sind, je mehr sie buhen. Das ist normal. Ich mache den Leuten keinen Vorwurf. Ich denke, dass deren Liebe zu Ferrari in den Genen steckt. Das ist etwas wirklich Besonderes. Fernando befand sich auf dem Podium in einer guten Position. Wenn man in einer anderen Farbe gekleidet ist, ist es nicht das gleiche. Doch es ist ein tolles Rennen und eine tolle Siegerehrung hier."

Frage: "Du hast beim Start die Vorderräder blockiert. Wie schwierig war es danach mit diesem Reifensatz?"

Vettel: "Unser Start war schwierig. Ich kam nicht so gut von der Linie weg und konnte Mark nicht sehen. Ich versuchte, ihm genug Platz zu geben und bremste spät, vermutlich etwas zu spät. Das rechte Vorderrad blockierte und ich hatte danach starke Vibrationen, weil der Reifen eine flache Stelle hatte. Zum Glück hatten wir auf diesem Kurs keine Probleme mit der Front. Der Vorderreifen war also nicht so ein großes Problem. Ich versuchte, die hinteren Reifen im Auge zu behalten. Doch es reichte, um nur einen Stopp zu machen."

Unerwartete Dominanz

Frage: "Adrian Newey bemerkte in Spa, dass Monza keine gute Strecke für Red Bull ist. Doch wenn man sich die Dominanz hier ansieht, lag er falsch. Wie habt ihr es geschafft, die Situation zu ändern?"

Vettel: "Ich denke, er war genauso überrascht wie wir alle. Auf dem Weg zum Podium meinte er: 'Ich dachte, es geht an diesem Wochenende um Schadensbegrenzung.' Ich sagte zu ihm, 'wenn das Schadensbegrenzung ist, dann möchte ich für den Rest der Saison viel Schadensbegrenzung betreiben'. Es war ziemlich unerwartet."

"Das Tempo am Freitag überraschte uns. Die Balance war sehr gut. Es war wie vor zwei Jahren. Wir waren in Kanada und Spa sehr konkurrenzfähig. Das sind Strecken, auf denen nicht so viel Abtrieb gefahren wird. Hier war es ungewiss. Wir waren auf den Geraden wieder nicht die Schnellsten, waren aber irgendwo im Mittelfeld. Das reichte, um die Stärken in den Kurven trotz der kleinen Flügel zu nutzen."

Frage: "Du meinst, das Auto hat dich an 2011 erinnert. Das war ein ziemlich dominantes Auto. Du liegst 53 Punkte vor Alonso. Was erwartest du für den Rest der Saison? Du bist sehr nah an deiner vierten Meisterschaft in Folge."

Vettel: "Ich versuche, nicht so viel daran zu denken. Als ich es mit 2011 verglich, meinte ich die Erfahrung hier in Monza, weil es 2009, 2010 und 2012 schwierig für uns war. Dieses Jahr war 2011 sehr ähnlich, als das Auto in den Kurven sehr gut ausbalanciert war. Ich hatte in den mittelschnellen Kurven und den Schikanen ein gutes Gefühl. Es ist nicht so einfach, wie man denkt."

"Die Leute meinen, man bräuchte in Monza nur Leistung und einen kleinen Flügel am Auto. Doch wenn das Auto sich nicht richtig anfühlt und einem nicht erlaubt, damit zu spielen, verliert man sehr viel Rundenzeit, weil man sich nicht wohlfühlt. Die Autos rutschen stärker als sonst, weil man weniger Abtrieb fährt. Damit muss man klarkommen und es akzeptieren. Wir haben in diesem Jahr ein Auto, das dem von 2011 diesbezüglich ähnelt und mir erlaubt, damit zu spielen und mich wohlzufühlen, auch wenn das Auto rutschte."

"Die beiden vergangenen Rennen waren ziemlich gut, doch insgesamt ist es in dieser Saison ziemlich eng. Gestern haben wir die erste Pole-Position unter trockenen Bedingungen geholt. Melbourne sollte man ausblenden, weil es etwas feucht war und im Q3 abtrocknete. Wir haben offensichtlich diesbezüglich Fortschritte gemacht. Und im Rennen hatten wir in diesem Jahr immer ein starkes Auto. Wir sind zusammen mit Ferrari in den Rennen die Schnellsten."

Vettel freut sich auf die anstehenden Rennen

Frage: "Ab der wievielten Runde beginnt man, unter dem Helm zu lachen, wenn man einen so großen Vorsprung hat?"

Vettel: "Wir hatten ja das Problem mit dem Getriebe. Aber dennoch schießt der eine oder andere Gedanke quer. Das versucht man relativ schnell zu verdrängen. Man weiß, wie schnell sich das Blatt wenden kann und man einen Fehler begeht - gerade hier, wenn man auf den Geraden sehr schnell ist und einen Bremspunkt verpasst oder neben die Strecke kommt. Dann ist das Auto ruckzuck im Kies. Deshalb versucht man, die Gedanken schnell zu verdrängen. Man hat ja nach dem Rennen genug Zeit."

Frage: "Der Vorsprung ist mittlerweile ziemlich groß. Ist es beruhigend, dass man sich einen Fehler erlauben könnte?"

Vettel: "Man will sich keine Fehler erlauben. Aber es ist eine gute Position. Wenn man mit dem gleichen Abstand dahinter ist, dann weiß man, dass man abliefern muss. So kann man sich auf jedes einzelne Wochenende freuen und versuchen, das Beste herauszuholen."

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