Einschätzungen zur Causa Sebastian Vettel und den Konsequenzen seitens der FIA: Sozialdienst passende Strafe - Vettels FIA-Termin in Paris "kein Gang nach Canossa"
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Die Auseinandersetzung zwischen Sebastian Vettel (Ferrari) und Lewis Hamilton (Mercedes) nach den Vorkommnissen von Baku ist beendet. Der viermalige Formel-1-Weltmeister hat sich bereits am Montag nach einem Termin bei FIA-Präsident Jean Todt in Paris entschuldigt, Sozialstunden im Dienste der Nachwuchsarbeit aufgebrummt bekommen und sein Schuldeingeständnis am Donnerstag zum Auftakt des Grand-Prix-Wochenendes in Spielberg 2017 wiederholt.
Am Renntag in Aserbaidschan waren die beiden WM-Rivalen aneinander geraten. Vettel hatte sich aufgrund einer Fehleinschätzung zu einer Art Revanchefoul hinreißen lassen. Konsequenz: Zehn-Sekunden-Strafe im Rennen. Weil von verschiedenen Seiten die Forderungen nach drastischeren Strafmaßnahmen immer lauter wurden, musste der Heppenheimer schließlich in Begleitung von Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene am der vergangenen Montag zum Rapport beim Automobil-Weltverband FIA antreten.
"Es war für mich kein Gang nach Canossa. Wenn es ein solcher gewesen wäre, dann wäre ich bei unserem Technikchef gelandet. Der kommt nämlich aus Canossa", scherzt Vettel, nachdem ihm Hamilton klar signalisiert hat, dass die Luft zwischen den beiden Hauptprotagonisten im WM-Kampf 2017 wieder rein ist. "Es war vielleicht nicht ganz angenehm, aber es war eine sehr wichtige Sache." Ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag hatte der Ferrari-Star bei FIA-Boss Todt vorsprechen müssen.
FIA-Besuch war kein "Gang nach Canossa"
"Ich war nicht den ganzen Tag in Paris, sondern nur ein paar Stunden. Ich hatte dann noch einen schönen Abend", fasst der Deutsche zusammen. "Ich habe Lewis angerufen, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich es verstehen könnte, wenn er mit das übel nimmt. Ich wüsste nicht, wie ich es umgekehrt verdauen würde." Er sei sich bewusst, kein gutes Vorbild für die Jugend gewesen zu sein. "Die Aktion war nicht würdevoll und gut. Das gestehe ich."
"Es ist vielleicht wie beim Fußball. Wenn einer reingrätscht und trifft einen mit den Stollen. Dann hat man vielleicht zuerst das Gefühl, es war Absicht. Dann steht man auf und gibt dem anderen einen kleinen Stupser. So kann man es vergleichen", meint Vettel, vergisst dabei aber, dass ein Fußballer in einem solchen Fall schnell die rote Karte zu sehen bekommt. "Ich bin kein Fußball-Schiedsrichter. Ich habe meine Strafe bekommen, habe das Rennen damit verloren."
"Ich bin heilfroh, dass da keine weitere Bestrafung gekommen ist. Es war eine emotionale Reaktion auf ein strategisches Manöver vom Hamilton. Na gut, jetzt muss der Vettel halt in den Nachsformeln arbeiten. Vielleicht entdeckt er irgendein Talent, das er mir vorstellt. Da werde ich mich mit ihm kurzschließen", schmunzelt Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko im Interview mit 'ServusTV'. "Ob die Strafe hoch genug ausgefallen ist, das ist nicht meine Sache", meint Force-India-Youngster Esteban Ocon.
Teamkollege Sergio Perez antwortet auf die Frage, ob die Strafe bei allen anderen gleich ausgefallen wäre, oder ob der Name Vettel für Milde gesorgt habe mit einem nachdenklichen Satz: "Gute Frage. Die müsste man der FIA mal stellen." Die FIA hätte über ein Verfahren vor dem Tribunal eine deutlich härtere Strafe auf den Weg bringen können. 2012 sperrte man Romain Grosjean nach seiner wilden Crashfahrt in Spa-Francorchamps für das Rennen in Monza.
Berger macht Spaß: Sozialstunden? Das war doch was ...
"Ich glaube nicht, dass eine Sperre die richtige Konsequenz gewesen wäre. Er hat seine Zehn-Sekunden-Strafe bekommen und war damit gestraft genug", meint der französische Haas-Pilot. "Er muss die Sozialstunden leisten - und das möchte niemand machen", lacht Nico Hülkenberg (Renault). Der Emmericher meint ebenso wie seine Kollegen Daniel Ricciardo (Red Bull) und Stoffel Vandoorne (McLaren), dass der Zwist Vettel vs. Hamilton gut für die Formel 1 gewesen sei. Viel Aufmerksamkeit für die Szene.
Generell setzt sich im Kreise der Fahrer eine Meinung mehr und mehr durch: Vettels Aktion wird der Vorbildfunktion eines Formel-1-Stars nicht gerecht, verständlich war sein Verhalten unter Berücksichtigung der Umstände allerdings auch. "Ihr glaubt gar nicht, wie viel Adrenalin da im Spiel ist. Da gibt es zwangsläufig Emotionen", meint Sergio Perez. "Ich wäre auch angepisst gewesen", gibt Daniel Ricciardo offen zu. "Für die Fans war es interessant, aber es bleiben keine dauerhaften Animositäten zurück."
"Im Kartsport hatte ich viele Auseinandersetzungen. Man hat Kämpfe auf der Strecke, aber das war nach der Zielflagge nicht beendet. Bis zur Box ging das so, und auch nach dem Aussteigen ging es weiter. Dann sind die Väter sogar dazugekommen. Das passiert im Kartsport sehr oft - zu oft", berichtet Ricciardo, der mit seinem eigenen Kartsport-Team an der WM teilnimmt. "So etwas passiert, wenngleich man erwarten sollte, dass die beiden Weltmeister Vettel und Hamilton nun etwas reifer sein müssten."
Genau diese Reife soll Vettel nun bei seinen "Sozialstunden" in den Nachwuchsserien Formel 2, Formel-3-Europameisterschaft und in diversen Formel-4-Serien vorleben und weitergeben. "Mir gefällt das mit dem Sozialdienst. Das hat doch die Naomi Campbell in Amerika auch mal machen müssen. Die zwei könnten wir doch zusammenspannen", lacht Gerhard Berger. Vettel sagt abschließend: "Menschen machen Fehler. Wenn sich einer hinstellt und behauptet, ihm würde nie so etwas passieren, dann weiß ich nicht, ob ich ihm das glauben kann."