Der Ex-Weltmeister sieht Red Bull nur in Sachen Resultate, nicht in puncto Leistung vor seinen Farben - Ausreden seien dennoch fehl am Platze, meint Vettel
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Sebastian Vettel ist trotz des Erstarkens des Red-Bull-Teams überzeugt, dass Ferrari 2016 weiter ärgster Mercedes-Verfolger sei. Ergo hat der Heppenheimer kein Verständnis dafür, warum er bei Medienterminen immer wieder gefragt wird, wie besorgt er um das sportliche Wohlergehen der Scuderia sei: "Ich glaube nicht, dass es so dramatisch ist, wie es dargestellt wird", winkt Vettel im Vorfeld des Kanada-Grand-Prix ab. "Ich verstehe teilweise nicht, wieso alle so aufgebracht sind."
Möglicher Grund ist die aktuelle WM-Tabelle der Konstrukteure, in der sein Ex-Arbeitgeber auf neun Punkte herangerückt ist. Vettel gibt zu bedenken, dass technische Defekte und Pech bei den Roten dazwischengefunkt hätten:"Gemessen an blanken Resultaten ja, aber von der Leistung her?", zieht er die Augenbrauen hoch, "ich muss nicht alles wiederholen, aber wir sind gut genug, um erster Mercedes-Verfolger zu sein." Heißt nicht, dass Ferrari sich auf die faule Haut legen würde.
Denn bei Entschuldigungen will Vettel es nicht belassen, wenn er gegenüber den Journalisten sein Unverständnis für kritische Fragen ausdrückt: "Es gibt Gründe, dass man es nicht zusammenbringt. Deshalb darf man nicht nur sagen: 'Wir sind besser als wir dastehen.' Und eine Ausrede finden." Ferrari hat erkannt, dass es im Qualifying insbesondere im dritten Abschnitt hakt. "Wenn wir weiter vorne stehen, gewinnen wir in Barcelona, sind in Monaco anders unterwegs", unterstreicht Vettel.
Für den Deutschen bedeutet es eine Hoffnung, das Problem identifiziert zu haben, auch wenn die Ursache am SF16-H noch nicht gefunden, geschweige denn gelöst ist. "Für mich ist es einfach, eins und eins zusammenzuzählen. So wie es manche Leute tun, kann ich es nicht nachvollziehen", rügt Vettel die Nörgler und richtet seinen Blick unverändert auf die Silberpfeile und die Jagd nach Rennsiegen und Titeln, ohne sich von Red Bull irritieren zu lassen: "Die Messlatte ist immer das schnellste Team - also Mercedes. Warum sollte ich hier fahren wollen, wenn ich aufgeben würde?"
Was Vettel Mut macht ist, dass er keine zwei Siege hinter WM-Leader Nico Rosberg liegt, aber schon zwei Ausfälle zu verzeichnen hatte. Wenn in Bahrain nicht die Defekthexe und in Sotschi nicht ein Daniil Kwjat außer Rand und Band zugeschlagen hätten, dann - so glaubt er - würde niemand eine Krise heraufbeschwören "Ich muss kein Genie sein und ich war auch nie besonders gut in Mathe, aber ich kann mir ausrechnen, wo wir dann wären", erklärt Vettel und stellt sich hinter Ferrari, wenn er bekennt: "Ich glaube, dass wir das Ruder herumreißen können."
Gelingt das auch dank eines neuen Turboladers schon beim Kanada-Grand-Prix? Vettel schielt doch auf Red Bull, das erstmals in beiden Autos auf den überarbeiteten Renault-Antrieb setzt: "Es kommt auch darauf an, was andere in petto haben, aber die Teile haben das Potenzial, uns in eine bessere Ausgangsposition zu bringen." Außerdem sei es auf dem Asphalt des Circuit Gilles Villeneuve schwierig, die Reifen auf Temperatur zu bringen, was schon in Monaco Problem war. Mischungen wie Pirellis Ultrasoft machten es aber auch knifflig, mit den Pneus über die Distanz zu kommen.
Ein von den Updates trotzdem überzeugter Vettel rechnet in den kommenden Monaten ohnehin mit Überraschungen: "Ich habe bereits im vergangenen Jahr geglaubt, den Titel gewinnen zu können. Aber wir fahren keine Rennen auf dem Papier. Wir bleiben nicht zu Hause und wissen im Februar, wer Weltmeister wird."