Die Liebe zum Motorsport und einem Zweikampf macht sie voneinander abhängig, ihr übriges Leben trennt sie: Worin die "besondere Beziehung" der Stars besteht
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Als Sebastian Vettel und Lewis Hamilton sich beim Spanien-Grand-Prix am Sonntag gegenseitig in die Kiste fuhren, gab es keine wilden Handzeichen, keine schnaubenden Funksprüche und auch im Nachgang kein verbales Nachtreten. Die Formel-1-Stars umarmten sich nach dem Aussteigen aus dem Auto und scherzten in der Pressekonferenz über die Szene. Der Ferrari-Pilot weiß um "eine besondere Beziehung" und erklärt: "Uns verbindet eine große Leidenschaft: Wir lieben Motorsport."
Das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. Vettel führt ein zurückgezogenes Privatleben im Kreise seiner Familie und tritt in den sozialen Medien nicht in Erscheinung. Hamilton dagegen meidet keinen roten Teppich, umgibt sich mit Stars und Sternchen und inszeniert sich im Internet - teilweise am Rande dessen, was mancher als guten Geschmack begreift. Auch Goldkettchen und schrille Kleidung sind so gar nicht Vettels Stil, der außerhalb des Paddocks Pulli und Jeans bevorzugt.
Für den Deutschen muss das kein Hindernis sein: "Wir sind sehr unterschiedlich, was keine Rolle spielt", meint Vettel. Er räumt aber ein, dass ein gemeinsames Feierabend-Bier mit Hamilton nie auf dem Programm stand und wohl nie auf dem Programm stehen wird: "Wir sind abseits der Rennstrecke keine dicken Freunde. Ich habe aber kein Problem mit ihm." Ähnlich sieht es der Mercedes-Star, der ein "respektvolles Verhältnis" lobt, an dem sich mit dem WM-Duell nichts geändert hätte.
Crash in Barcelona hätte die Stimmung kippen lassen können
Auch Vettel wetzt aufgrund des sich zuspitzenden Zweikampfes nicht die Messer: "Ich bin hier, um Rennen zu fahren. Ich sehe keinen Grund, abseits der Strecke nicht miteinander klarzukommen", betont er und distanziert sich damit von Duellen, die über das Fallen der Zielflagge hinausgingen. Solchen wie dem zwischen Nelson Piquet und Nigel Mansell, bei dem der Brasilianer die Ehefrau des Teamkollegen als "hässlich" bezeichnete und ihm das Klopapier klaute, als er Durchfall hatte.
Und doch hätte es einen Anlass zur Eskalation geben können, als es in Barcelona fast gekracht hätte. Es sei "kaum zu sagen", wie sich ein Crash mit Folgen auf die Beziehung ausgewirkt hätte, gibt Hamilton zu bedenken: "Hätte er mich in Kurve 1 abgeschossen und ich wäre ausgeschieden, während er das Rennen gewinnt, hätte ich nicht gesagt: 'Toll gemacht, Sebastian!'" Trotzdem ist es eben dieser schmale Grat zwischen Leben und Leben lassen, der Hamilton und Vettel verbindet, solange beide mit heilen Autos und erhobenen Hauptes aus ihren Gefechten herauskommen.
Hamilton stichelt lieber gegen Rosberg als gegen Vettel
Der Brite schwärmt davon, gegen den Rivalen auf Augenhöhe zu kämpfen und reiht das Duell in die großen der Sporthistorie ein: "Ich liebe Tennis", bekennt Hamilton, "ich schaue so gerne ein Finale zwischen Roger Federer und Novak Djokovic. Was ich wirklich bewundere, ist die Konstanz. Jeder Schlag - sei es ein vermasselter Slice oder eine Netzkantenberührung - kann das Match auf den Kopf stellen." Solche Wimpernschlagentscheidungen erlebt die Formel 1 in der Saison 2017.
Es wird klar: Vettel und Hamilton sind nicht wie einst Jackie Stewart und Jochen Rindt, die gemeinsam in den Urlaub fuhren und es hinter sich ließen, dass auf der Strecke nur einer siegen kann. Sie sind Vollgastiere, die einander brauchen, um das bekommen, wonach sie verlangen. "Es war der klassischste Kampf, den ich seit einer Weile hatte - und ich liebte es", schwärmt Hamilton von Barcelona. "Deswegen fahre ich Rennen und genau deshalb habe ich mit dem Motorsport begonnen." Der Ausgang des Fights war der Harmonie sicher zuträglich, weil der zunächst geschädigte Hamilton sich den ersten Platz mit einem glasklaren Manöver auf der Strecke zurückholte.
Aber Hamilton wäre nicht Hamilton, würde er es sich verkneifen, gegen seinen Ex-Teamkollegen Nico Rosberg zu sticheln - interessanterweise ein Jugendfreund, mit dem er als Teenager tatsächlich zusammen Ferien machte. "Es ist viel schöner, es macht viel mehr Spaß", vergleicht er die Duelle und sieht den Grund darin, dass zwei Rennställe aufeinanderprallen, was die Mannschaften intern eint: "Weil es keine Spannungen im Team gibt", erklärt Hamilton die besondere Dynamik.
Er erinnert sich daran, was nach dem Grand-Prix-Erfolg Valtteri Bottas' in Russland in ihm vor sich ging: "Es gab auch tief in meinem Herzen kein Gefühl, das mir sagte: 'Verdammt, er hat gewonnen!' Es war: 'Er hat tolle Arbeit abgeliefert.' So sollten Teamkollegen füreinander fühlen", teilt Hamilton aus - aber lieber gegen Rosberg als gegen Vettel.