Pascal Wehrleins lange Formel-1-Auszeit sorgt für Stirnrunzeln: Macht er wirklich freiwillig Pause? Fahrerkollegen wundern sich, Monisha Kaltenborn streitet alles ab
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Das andauernde Drama um Pascal Wehrlein zieht immer größere Kreise. Der Sauber-Pilot verkündete bereits am Montag, dass er auch den Großen Preis von China 2017 nicht würde in Angriff nehmen können. Er bleibt Schanghai sogar gänzlich fern. Auch über einem Start in Bahrain schwebt ein Fragezeichen. Natürlich blieb das Stirnrunzeln nicht lange aus. Weshalb fährt Wehrlein zahlreiche Tests, nur um sein Cockpit nach dem Freitag in Australien zu räumen? Und warum sagt er China schon eine Woche im Voraus ab?
Kein Wunder, dass die Gerüchteküche brodelt. Hat Antonio Giovinazzi mit seinem eindrucksvollen Debüt in Melbourne Wehrlein bereits ausgebootet? Hat Ferrari Mercedes finanziell ausgestochen, um den eigenen Junior im Sauber-Cockpit zu platzieren? Oder will Sauber sich vielleicht vergewissern, wie gut Giovinazzi wirklich ist und ihm noch ein paar Rennen geben?
Für weitere Verwirrung sorgen Äußerungen von Sergio Perez, der Wehrlein für dessen Rückzug Tage im Voraus indirekt als Weichei bezeichnet. "Wenn ich in seiner Position wäre, würde ich ohne jeden Zweifel fahren", sagt der Force-India-Pilot. Einst hatte er selbst im Sauber gesessen und beim Großen Preis von Monaco 2011 einen schweren Unfall. Schon vier Wochen später saß er wieder im Cockpit. "Ich würde fahren, selbst wenn ich im Auto leiden würde", posiert er weiter. "Das härtet am besten ab. Aber jeder Fahrer ist anders und ich respektiere seine Entscheidung."
Meiste Fahrer würden an Wehrleins Stelle fahren
Aus dem PR-Sprech übersetzt heißt das so viel wie: "Der soll sich mal nicht so anstellen." Und er steht mit seiner Meinung nicht alleine da; Roman Grosjean stößt ins selbe Horn: "Meine Frau würde mich dafür hassen, aber ich würde in seiner Situation fahren." Was zu ziemlich viel Erheiterung in der versammelten Journalisten-Meute führte.
Renault-Werksfahrer Jolyon Palmer sieht das Auslassen eines Rennens als Ultima Ratio für einen Formel-1-Fahrer an: "Jemand wie er oder ich, der in noch keinem Topauto gefahren ist und sich noch beweisen muss, muss schauen, dass er jedes mögliche Rennen fährt und sein Können unter Beweis stellt." Lance Stroll spekuliert: "Vielleicht hat er ja viel größere Probleme, von denen ich nichts weiß." Ist Wehrlein also schlicht zu weich für die Formel 1? Oder muss er gar ein böses Spiel mitspielen?
Kaltenborn wehrt Verschwörungstheorie ab
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn bestreitet sowohl das eine als auch das andere vehement: "Die Geschichte ist absolut ehrlich, aber für manche Leute scheinbar nicht gut genug, um sie anständig zu vermarkten. Die Fakten sind so und nicht anders: Er hatten diesen Unfall in Amerika und die meisten von uns haben die Bilder gesehenEr hatte einen ziemlich heftigen Einschlag, der speziell seinen Rücken mitgenommen hat. Das muss man ernst nehmen." Toto Wolff lobte Wehrlein für die Entscheidung, nicht zu fahren. "Ich bin von seiner Reife beeindruckt", sagte er kurz nach der Bekanntgabe, dass der Mercedes-Junior auch Schanghai auslässt.
Kaltenborn gibt zu, dass es sie überrascht habe, dass Wehrlein überhaupt zu den Formel-1-Testfahrten in Barcelona von den Ärzten für fahrtüchtig erklärt wurde. Bei den Testfahrten saß er stets halbtags im Cockpit. "Man darf diese Sache nicht unterschätzen", stellt sie noch einmal klar. Und kontert auch Perez aus: Man könne seinen Unfall und den von Wehrlein nicht miteinander vergleichen. "Er wollte in Kanada fahren, aber es ging nicht. So mussten wir ihn aus dem Auto holen."
Und selbst Perez gibt zu, dass er trotz der schnellen Rückkehr nicht sofort wieder zu alter Form auflief: "Komplett fit war ich eigentlich erst nach der Sommerpause. Es waren also vier bis fünf Rennen, bis alles wieder vollständig in Ordnung war." Und in der Winterpause 2017 kam hinzu, dass alle Fahrer für die höheren Fliehkräfte der neuen Fahrzeuggeneration Muskeln ohne Ende aufbauen mussten. Da kam Wehrleins Unfall natürlich zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.
Doch egal, wie verbissen Monisha Kaltenborn betont, dass an den Verschwörungstheorien nichts dran sei - die Zweifel stehen im Raum. Auch bei den Fans. Diese sehen nämlich mit großer Mehrheit in Antonio Giovinazzi das größere Talent: In einer Umfrage von 'Motorsport-Total.com' halten knapp 73 Prozent den Italiener für den besseren Sauber-Junior. Wehrlein kommt nur auf knappe 19 Prozent. Acht Prozent sehen in der Qualität der beiden Junioren keinen Unterschied.