Wer hat Angst vor dem Mann in Schwarz?

, 30.07.2012

Lotus-Fahrer Kimi Räikkönen entwickelt sich mehr und mehr zu einem ernsthaften Titelkandidaten und die Konkurrenz rechnet mit baldigen Lotus-Siegen

Heimlich, still und leise. So hat sich Kimi Räikkönen vor der Sommerpause der Formel 1 in eine sehr gute Ausgangslage manövriert. Und auf einmal zählt der finnische Rennfahrer zu den Titelkandidaten, obwohl er 2012 noch keinen Grand Prix für sich entschieden hat. Ein beeindruckender Aufwärtstrend seit Valencia unterstreicht aber: Mit Lotus und vor allem mit Räikkönen ist in diesem Jahr zu rechnen.

Ein Umstand, der sich schon frühzeitig angedeutet hatte, der aber erst jetzt richtig offenbar wird. Denn noch vor vier Rennen lag Räikkönen inmitten eines breiten Verfolgerfeldes. Aus eben diesem löste er sich in den vergangenen fünf Wochen mit einer Bilanz, die lediglich vom souveränen WM-Spitzenreiter Fernando Alonso (Ferrari) übertroffen wird. Der Spanier holte 78 Punkte, Räikkönen bringt es auf 61.

Zwei zweite Plätze, ein dritter Rang und eine vierte Position verschafften Räikkönen mächtig Aufwind, während die weiteren Titelkandidaten um Mark Webber (Red Bull/45), Sebastian Vettel (Red Bull/37) und Lewis Hamilton (McLaren/29) im gleichen Zeitraum deutlich weniger Zählbares einfuhren. Und auf einmal ist Räikkönen dran. Nur acht Punkte trennen ihn vom zweiten Platz in der WM-Gesamtwertung.

Damit ist der Formel-1-Rückkehrer - gemeinsam mit seinem Lotus-Teamkollegen Romain Grosjean - zu einer ernsthaften Gefahr für Ferrari, McLaren und Red Bull geworden. Ohne Sieg, aber mit einer sehr guten Konstanz, die lediglich vom bisherigen Punktehamsterer Alonso übertroffen wird. Wohl auch deshalb hegt Lotus mit Räikkönen für die zweite Saisonhälfte noch einige große Erwartungen.

Der erste Saisonsieg ist Pflicht

"Es sieht alles sehr vielversprechend aus", sagt Lotus-Teamchef Eric Boullier nach dem elften Rennen des Jahres. Räikkönen und Grosjean belegen die WM-Ränge fünf und acht, das Team liegt nur einen Punkt hinter McLaren auf dem dritten Platz der Konstrukteure. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Der erste Saisonsieg lässt weiter auf sich warten. Und das wurmt den Rennstall ganz gewaltig.

Die Geschwindigkeit ist schließlich vorhanden, das fahrerische Können auch - an was also fehlt es Lotus, um endlich ganz vorn zu landen? An einem guten Startplatz, meint Boullier. "Wir müssen einen Weg finden, ein besseres Qualifying zu fahren", sagt der Teamchef. "Ab Spa werden wir uns unter den Top 5 qualifizieren. Dann können wir auch gewinnen. Der erste Sieg muss bald kommen."

Räikkönen kann diesen Aussagen nur beipflichten. "Wir waren bisher im Qualifying nicht so stark und machen es uns am Sonntag schwer. Mich nervt das aber nicht. Es gelingt uns ja, uns in eine gute Position zu manövrieren, aus der heraus wir eine Siegchance haben. Natürlich willst du aber lieber gewinnen als Zweiter werden", meint der Finne. "Die Saison ist noch lang. Und wir werden besser."

Räikkönen und Lotus als feste Größen

Die Konkurrenz wird das nicht gern hören, auch wenn sie Räikkönen und Lotus schon lange auf der Rechnung hatte. "Ich bin nicht überrascht von Kimi", sagt Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali über seinen früheren Angestellten und merkt an: "Ich habe ihn schon immer für einen guten Fahrer gehalten. Und er ist ein Weltmeister. Das wirst du nur, wenn du etwas Besonderes an dir hast."

Die bisherigen Ergebnisse hätten diesen Umstand vielleicht etwas verschleiert. "Ich denke, Lotus hat nicht immer alle möglichen Punkte mitgenommen. Sie hatten von Anfang an ein gutes Auto, könnten aber mehr Zähler auf ihrem Konto haben", sagt Domenicali. "Trotzdem: Sie scheinen sehr sanft mit den Reifen umzugehen. In der zweiten Saisonhälfte werden sie sicherlich ein sehr gutes Team sein."

Davon ist auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner überzeugt. "Ihr Auto war schon das gesamte Jahr über sehr schnell. Und sie haben zwei gute Piloten", betont der frühere Rennfahrer. "Deshalb spielt Kimi sicherlich eine Rolle in der Fahrerwertung. Er liegt lediglich einen WM-Punkt hinter Lewis. Er wäre töricht, im Augenblick einen unserer Rivalen zu unterschätzen. Die Saison ist ja noch lang."

Zuversicht bei Lotus, Entspanntheit bei der Konkurrenz

In Panik verfallen müsse man aber auch nicht, erklärt McLaren-Sportdirektor Sam Michael. "Ja, sie sind sehr schnell. Es ändert aber rein gar nichts, wenn wir uns darüber die Köpfe zerbrechen. Du musst dein eigenes Auto schneller machen", meint der Brite . Nichts anderes haben Ferrari, McLaren und Red Bull im Sinn, aber auch Lotus wird in der Sommerpause nicht die Hände in den Schoß legen.

Erzwingen kann man den Sieg jedoch nicht, wie Räikkönen hinzufügt. "Manchmal bist du nahe dran. Dann ist es natürlich enttäuschend, wenn es dir nicht gelingt", sagt der Lotus-Pilot. "Wenn es sich ausgeht, wunderbar. Wenn nicht, dann versuchen wir es halt weiter. Ich bin lange genug in diesem Geschäft, um zu wissen, dass man sich nicht zu viele Sorgen machen sollte", erklärt der Finne.

"Fest steht: Wir haben unsere Position verbessert. Das gilt für die Lage in der Fahrerwertung als auch in der Konstrukteurswertung. Vielleicht liegen wir heute einen Platz zurück, doch insgesamt sind wir näher an der Spitze dran", meint Räikkönen nach dem Ungarn-Rennen. "Solange wir damit fortfahren können, werden die Siege hoffentlich bald kommen. So geben wir uns selbst eine gute Chance."

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