Sebastian Vettel wird vorgeworfen, beim WM-Finale unter Gelb überholt zu haben - Dass er nun den Titel verliert, ist angesichts der Beweislage unwahrscheinlich
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Sebastian Vettel feiert dieser Tage seinen dritten Weltmeistertitel, doch hinter den Kulissen brodelt es. Ein YouTube-Video , das zeigt, wie der Weltmeister in der vierten Runde des Saisonfinales in Brasilien angeblich unter Gelber Flagge den Toro-Rosso-Piloten Jean-Eric Vergne überholt, sorgt im Internet für helle Aufregung - auch bei den 'Motorsport-Total.com'-Lesern wird heftig diskutiert. Und in Fernando Alonsos Heimat Spanien ist man fest davon überzeugt, dass der Ferrari-Star um die WM betrogen wurde.
'Marca.com' titelt plakativ: "Vettel außerhalb der Regeln". Und auch 'El Mundo" ist davon überzeugt, dass das Video zeigt, "dass Vettel bestraft werden sollte." Würde Vettel tatsächlich nachträglich mit einer 20-Sekunden-Strafe belangt werden, wäre er aufgrund der Safety-Car-Phase am Ende des Rennens nicht Sechster, sondern Achter, und Alonso mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister.
Ferrari überlegt Protest, Webber entspannt
Auch in Maranello wurde man längst auf die Debatte aufmerksam. Ein Ferrari-Sprecher bestätigte am Mittwochabend gegenüber 'The Telegraph': "Wir sehen uns das Material an. Alles, was die Glaubwürdigkeit dieser Weltmeisterschaft gefährdet, muss untersucht werden."
Bei Red Bull gibt man sich derzeit entspannt. Von einer offiziellen Stellungnahme sah man bisher ab, Vettels Teamkollege Mark Webber, der derzeit in Australien bei seiner Tasmania Challenge weilt, meinte aber, dass es "unwahrscheinlich" sei, dass ein Protest gegen Vettel erfolgreich sein würde. "Ich denke, das Rennen ist gewonnen, es ist vorbei", sagt der "Aussie". "Es sollte alles klar sein."
Widersprüchliche Flaggensignale
Doch wie sieht die Sachlage wirklich aus? Tatsächlich zeigten Onboard-Aufnahmen, dass Vettel unter Gelber Flagge in Runde vier in die erste Kurve einbiegt. In diesem Moment leuchtet auch das gelbe Warnlicht auf dem Lenkrad auf, das signalisiert, dass Überholverbot herrscht.
In den Kurven drei und vier bestätigen weitere Gelbe Lichtsignale, dass der Red-Bull-Pilot nicht überholen darf, als er auf eine Gruppe von Fahrzeugen aufläuft. Was dann aber von vielen übersehen wurde, ist ein Streckenposten, der auf der linken Seite eine Grüne Flagge schwenkt , ehe Vettel ausschert, und an Vergne vorbeigeht. Danach wird diese Grüne Flagge auch von den grünen Lichtsignalen am Ende der langen Geraden bestätigt. Demnach war sein Manöver regelkonform, schließlich wurde das Überholverbot durch den Streckenposten aufgehoben.
Kurios ist aber, dass die gelbe Warnlampe im Cockpit erst am Ende der Geraden erlischt. Das zeigt, dass die Signale der FIA nicht eindeutig waren, was wiederum bedeutet, dass man Vettel ein eindeutiges Vergehen kaum nachweisen kann. Es darf daher davon ausgegangen werden, dass der Automobilweltverband sich hüten wird, die Sache selbst neu aufzurollen und den Titel des Red-Bull-Piloten in Frage zu stellen.
Berufung theoretisch bis Freitag möglich
Das Ergebnis des Rennens ist zwar längst bestätigt, was bedeutet, dass die Rennkommissare keine Einwände haben und alle umstrittenen Situationen geklärt sind, Artikel 179b des Internationalen Sportgesetztes besagt aber, dass die Berufungsfrist erst am 30. November verstreicht.
Dort heißt es: "Wenn bei Veranstaltungen, die Teil einer FIA-Weltmeisterschaft sind, ein neues Element entdeckt wird, ganz egal, ob die Rennkommissare bereits eine Entscheidung getroffen haben, müssen die zuständigen Rennkommissare oder - wenn nicht möglich - die von der FIA nominierten Personen die betroffenen Parteien vorladen, um sich alle relevanten Erklärungen anzuhören, und im Licht der ihnen zugetragenen Fakten ein Urteil fällen."
Laut Reglement hat Ferrari also noch bis Freitag Zeit, Protest gegen das Ergebnis einzulegen. Die Roten aus Maranello haben diese Saison mit Felipe Massas mutwilligem Getriebewechsel, um Alonso in Austin auf die saubere Seite der Startaufstellung zu bringen, bewiesen, dass sie auch zu unpopulären Maßnahmen bereit sind, um die WM zu gewinnen. Ein Protest würde aber die Glaubwürdigkeit des Sports massiv in Frage stellen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die "Scuderia" längst gehandelt hätte, wäre man sich seiner Sache sicher. Ein nicht erfolgreicher Protest wäre für Ferrari ein PR-Fiasko.