Nach der Stallorder von Malaysia beschwichtigt Toto Wolff, es würde keine Nummer eins geben - Gerhard Berger geht mit Mercedes und auch Rosberg hart ins Gericht
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Im Vergleich zur Red-Bull-Kontroverse fiel das Echo auf die Mercedes-Stallorder in Malaysia vergleichsweise gering aus - übersehen wurde sie allerdings nicht. Obwohl Lewis Hamilton der neue Mann bei Mercedes ist, durfte er auf Ansinnen von Teamchef Ross Brawn am Ende des Grand Prix in Sepang vor Nico Rosberg bleiben und den Podestplatz nach Hause holen. Zwar beschwerte sich Rosberg am Funk, gab sich hinterher allerdings als fairer Teamplayer.
Aus seiner Ferrari-Zeit kannte man bei Ross Brawn immer nur Funksprüche in die andere Richtung: Statt Überholverbot herrschte dort zwischen Michael Schumacher und Rubens Barrichello Überholzwang, sollte sich der Deutsche hinter dem Brasilianer befinden. Das Ganze gipfelte in Spielberg 2002, als Barrichello auf der Zielgerade seinen Sieg abschenken musste. Zwar musste Rosberg gegenüber Schumacher nicht die zweite Geige unter Ross Brawn spielen, doch sind die Rollen jetzt bereits nach zwei Rennen mit Lewis Hamilton verteilt?
Laut 'Autobild motorsport' seien die Spritprobleme des Wiesbadeners in Malaysia nur eine Ausrede gewesen, der Deutsche habe genug Benzin im Tank gehabt. Dazu passen würde auch eine Aussage Hamiltons: "Nico hätte auf dem Podest sein sollen, nicht ich", wird der Brite zitiert. "Er hatte am Ende mehr Sprit und konnte mehr attackieren. Ich habe Ross deshalb gesagt, ich möchte Nico vorbeilassen, aber er erwiderte: 'Absolut nicht! Wenn ich Dir sage, was ich vorhabe, wirst du dabei bleiben!'"
Wolff: "Es gibt keinen bevorzugten Fahrer"
Doch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bestreitet eine Rollenverteilung in seinem Team: "Es gibt keinen bevorzugten Fahrer, weil beide auf Augenhöhe sind." Für den Österreicher sei es von Bedeutung, dass man auch im umgekehrten Fall, sollte er in den kommenden Rennen eintreten, ganz genau so agiert: "So eine Situation kann wieder entstehen. Wenn dann Nico vor Lewis fährt, ist es wichtig, dass man das Prozedere weiter so verfolgt, weil wir keine kontroverse Situation im Team wollen."
Für Nico Rosberg dürften diese Aussagen Musik in seinen Ohren sein, zumal sich der 27-Jährige selbst nicht als Nummer-zwei-Fahrer sieht: "Ich kann verstehen, dass nach außen vielleicht so ein Eindruck entstehen könnte. Aber ich weiß, dass - wenn ich vorne gewesen wäre - Ross dieselbe Entscheidung zu meinen Gunsten gefällt hätte", so Rosberg, der noch einmal betont: "Bei uns gibt es keine Nummer eins und Nummer zwei."
Doch warum hat es dann die Anweisung gegeben, die Plätze im Team zu halten, und sich so den Unmut zumindest eines Fahrers zuzuziehen? Bei Ex-Pilot Gerhard Berger, der selbst bei Toro Rosso Einblick in die administrativen Bereiche erfahren hat, stößt die ganze Kontroverse auf Unverständnis: "Es war ja offensichtlich, dass Nico Rosberg klar der Schnellere war und Hamilton dies auch wusste", analysiert der Österreicher.
"Hamilton ist, weil er seine Reifen im Gegensatz zu Nico zu hart rangenommen hat, nur noch rumgerollt. Wenn ein Auto sichtbar Probleme hat und wesentlich langsamer fahren muss als das des Teamkollegen, ist eine Stallorder lächerlich", schüttelt Berger den Kopf. "Ich kann auch der Argumentation überhaupt nicht folgen, dass es am Ende Spritprobleme gegeben hätte. Es war am Anfang schließlich ein Regenrennen und da kann mir keiner erzählen, dass man dann ins Spritlimit kommt."
Berger über Rosbergs Verhalten enttäuscht
Doch der zehnfache Grand-Prix-Sieger ist nicht nur von den Entscheidern im Team enttäuscht, auch mit Rosberg selbst geht er hart ins Gericht: "Er hätte Hamilton einfach überholen müssen und sich nicht drum scheren, dass das Team ihn ohne Grund hinter Hamilton lassen will", zieht er Parallelen zum Vorfall bei Red Bull. Berger hatte Sebastian Vettel für sein Verhalten und seine Einstellung zum Rennsport gelobt.
Abgesehen von dieser Situation, zeigt sich der Österreicher aber zufrieden mit dem Deutschen bei Mercedes: "Nico sieht sehr gut aus gegen Lewis. Er ist mindestens auf Augenhöhe. Er sollte jetzt einfach den Weg weitergehen. Er hat auch nach außen hin optimal reagiert und sich seinen Ärger nicht anmerken lassen. Intern sollte er aber klarmachen, dass er sich bei der nächsten ähnlichen Situation nicht mehr einbremsen lässt."
"Fest steht aber auch: Man muss Mercedes zu der Leistung gratulieren, die leider durch diese Diskussion untergeht", zollt Berger den Silberpfeilen Respekt. "Und außerdem wünsche ich mir, dass die Formel-1- Fans sich in Zukunft nicht bereits im zweiten Saisonrennen mit Stallorder beschäftigen müssen, sondern über rassige Zweikämpfe diskutieren können, bei denen am Ende der Bessere gewinnt."