Der Motorsportchef schuftet bis zu 18 Stunden am Tag, um das Formel-1-Projekt "nicht mehr peinlich" sein zu lassen und wähnt sich "in der Schaufensterauslage"
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Die ersten Wochen seiner Amtszeit liegen hinter ihm. Toto Wolff hatte als neuer Mercedes-Motorsportchef alle Hände voll zu tun: das schwächelnde Formel-1-Team auf Kurs zu bringen, einen Fahrerkader sowie eine Management-Struktur für das DTM-Projekt zu gestalten und seine Rolle bei den Silberpfeilen zu definieren waren dabei die wichtigsten Aufgaben. Mittlerweile scheint der Österreicher angekommen in seinem neuen Job, jetzt werden Resultate vom Gesamtkonstrukt erwartet.
Dass zwei Investorengruppen bei Daimler massive Kritik an der Formel 1 geübt und sogar einen Ausstieg gefordert haben, weil die Königsklasse viel Geld koste und in Ländern gastiere, in denen Menschenrechte kein Begriff sind, toleriert Wolff: "Die Meinung von Teilhabern und Aktionären muss man akzeptieren", sagt der Finanzinvestor dem österreichischen 'Standard', macht aber auch klar: "Grundsätzlich entscheidet des Management." Und das forciert einen Verbleib in der Beletage des Motorsport.
Nachhaltigkeit als Schlüssel zum Erfolg
Für Wolff ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die letztlich dem Konzern nur helfe: "Formel 1 ist eine weltweit agierende Plattform, die größte Sportplattform der Welt, wenn man Olympische Spiele oder die Fußball-WM, die nur alle vier Jahre stattfinden, ausblendet", unterstreicht er. Das Problem: Stimmt die sportliche Leistung nicht, ist auch der Gegenwert nicht gut. Läuft es auf der Piste, ist der Imagegewinn für die Marke riesig. "Und am Ende des Tages verkaufst du auch mehr Autos", weiß Wolff.
Das wiederum kann nur im Interesse der Aktionäre sein. Dafür allerdings braucht es einen schnellen Boliden. Den Schlüssel dazu sieht Wolff in langfristiger Planung. "Mercedes war vorher Brawn und Honda, das Team ist durch vieler Eigentümer Hände gegangen", erinnert er an die wechselhafte Historie seiner Mannschaft und unterstreicht: "Es hat an der Nachhaltigkeit gefehlt." Diese herzustellen betrachtet der Motorsport-Chef nach eigener Aussage als Sache "von Monaten oder vielleicht wenigen Jahren".
Williams-Anteile: verantwortungsvoll verkaufen
Was die starken Testeindrücke aus Barcelona betrifft, ist Wolff skeptisch. Diese hätten wegen der niedrigen Außentemperaturen und dem üblichen Teilepoker der Teams "nichts" zu bedeuten. Immerhin glaubt der Mercedes-Verantwortliche aber, unter Beweis gestellt zu haben, dass in Melbourne kein Desaster droht: "Vielleicht kann man interpretieren, dass das Fahrzeug keine lahme Ente ist." Der WM-Titel steht nicht zur Debatte: "Nicht mehr peinlich zu sein, das ist der erste Schritt. Dass es nicht negativ auf den Konzern abstrahlt."
Der 41-Jährige versucht seinen Teil zum Puzzle beizutragen, indem er die Mitarbeiter motiviert und ihre Rolle in den Arbeitsprozessen überdenkt. Dabei will er die Dynamik, die die neue Personalstruktur gebracht hat, nutzen. Frei nach dem Motto: Neue Besen kehren gut. Wolff scheut keine langen Arbeitstage: "Ich verbringe 16 bis 18 Stunden am Tag in der Fabrik." So setzt er ein Zeichen für sein Personal, das - alle Projekte bis hin zur Formel 3 eingeschlossen - 1000 Mitarbeiter umfasst.
Gemessen an 280.000 Angestellten, die beim gesamten Daimler-Konzern in Lohn und Brot stehen, ist das eine verschwindende Minderheit, aber eben alles andere als eine unbedeutende. "Wir spielen eine wichtige Rolle, sind in der Schaufensterauslage", betont Wolff, der sich von seinem Besitz am Williams-Rennstall trennen will, ohne dabei die Zukunft des Teams zu gefährden: "Das ist kein Idealzustand. Ich muss mit den Anteilen verantwortungsvoll umgehen, kann nicht an den Erstbesten verkaufen. Ich werde mich bemühen, dass ich diesen Interessenkonflikt so schnell wie möglich löse."