Alex Wurz ist überzeugt, dass Mark Webber für Sebastian Vettel in Sepang kaum zu schlagen gewesen wäre und vermisst bei Red Bull erzieherische Maßnahmen
© Foto: Red Bull / GEPA
Ex-Formel-1-Pilot Alex Wurz ist sicher, dass Mark Webber den Grand Prix von Malaysia gewonnen hätte, hätte Red Bull auf eine Stallorder zugunsten des Australiers verzichtet. Was auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt, ist damit zu erklären, dass der "Aussie" seine Motorleistung reduzierte, als er erfuhr, dass ihn sein Teamkollege nicht attackieren werde. Dadurch konnte Vettel rasch aufschließen und ihn dann austricksen.
"Hätte Red Bull nicht diese Stallorder ausgesprochen, hätte Webber mit 99,9-prozentiger Sicherheit den Erfolg nach Hause gefahren", sagt der Österreicher gegenüber 'Spox'. "An diesem Tag war er vom Reifen-Management besser. Er akzeptierte den Funkspruch, schraubte die Leistung zurück. So kam Vettel ran und konnte der Versuchung nicht widerstehen, vorbei zu fahren."
Wer ging besser mit den Reifen um?
Schon davor gab es für den nunmehrigen Sportwagen-Star Anzeichen dafür, dass sich Vettel an Webber an diesem Tag die Zähne ausbeißen würde. "Alles begann in Runde 28, mit dem nicht sonderlich fein gewählten Funkspruch von Sebastian: 'Räumt Mark aus meinem Weg, er ist zu langsam'", blickt Wurz zurück. "Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Webber die Reifen gut eingeteilt, konnte als passende Antwort seine Führung auf fünf Sekunden ausbauen. Sebastian war nicht in der Lage, zu kontern."
Wurz' Aussagen über Webbers Umgang mit den Reifen sind interessant, da Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko nach dem Grand Prix von Malaysia anmerkte, dass nicht der Australier, sondern sein deutscher Teamkollege einen niedrigeren Reifenverschleiß hatte. Das sei auch der Grund gewesen, warum Webber zwei Runden später an die Box gekommen war und die harten Reifen aufziehen ließ, während Vettel den unbenutzten weichen Reifensatz vorgezogen hatte.
Wurz vermisst bei Red Bull erzieherische Maßnahmen
Der Mann aus "Down Under" war in jeder Hinsicht der große Verlierer des Grand Prix von Malaysia. Er verlor nicht nur einen möglichen Grand-Prix-Sieg und wurde von seinem Teamkollegen ausgetrickst, sondern musste auch mit ansehen wie Vettel mit seiner Aktion teamintern davonkam.
Die Machtposition Webbers, der dieses Jahr seinen Langzeit-Renningenieur Ciaron Pilbeam verloren hat, wurde dadurch weiter geschwächt. Wurz - selbst dreifacher Familienvater - vergleicht Red Bulls mangelnde Reaktion auf Vettels Missachtung der Teamorder in Sepang mit klassischen Erziehungsfragen. "Wenn du etwa dem kleinen Kind sagst, du darfst die Schokolade nicht essen, aber es isst sie trotzdem, musst du darauf reagieren und eine erzieherische Maßnahme tätigen", meint er. "So ist die Situation klar."
Doch Vettel wurde laut dem Österreicher nicht dazu angehalten, Webber wieder vorzulassen, weil man derzeit "keine Alternative" zum dreifachen Weltmeister sieht: "Entsprechend ist man sehr vorsichtig, möchte nichts tun, um ihn zu vergrämen." Dass der 25-Jährige im Weltmeisterteam das Sagen hat, müsse Webber und jedem anderen, der in Zukunft mit Vettel fährt, bewusst sein, meint Wurz.
Webber erhält "Schmerzensgeld"
Das Mitleid mit dem Routinier, nur die zweite Geige zu spielen, hält sich bei Wurz aber in Grenzen: "Da gibt es eine doppelstellige Millionen-Summe, um sich mit diesem Schmerz abzufinden. Wenn er glaubt, in einem anderen Rennstall wäre er besser bedient, sollte er sich verabschieden." Damit rechnet der ehemalige Williams-Teamkollege des Australiers aber nicht: "Er ist noch immer in einem Team, mit welchem er Erfolge feiern kann. Wenn er Glück hat und Vettel einige Defekte, könnte er sogar um die WM mitfahren."
Obwohl die Teamorderdebatte auch bei Fans für einen Aufschrei gesorgt hat und die Zuschauer lieber ein offenes Rennen sehen würden, sieht Wurz den Sport keineswegs als Verlierer: "Diese Aktionen bringen Interesse, erhöhen die Einschaltquoten. Unter dem Strich ist die Formel 1 der Sieger - vom Geschäftsmodell. Da liegen Emotionen in der Luft." Aus sportlicher Sicht lasse sich aber "diskutieren, ob die Maßnahmen einiger Teams korrekt waren".