Hamilton war vor Wasserleck und Zwangseinbremsung siegessicher - "Final-Failure"-Hybriddefekt bremste Rosberg - Mercedes kurz vor Rückzug beider Autos
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Nächster Triumph für Nico Rosberg, nächste Mission Schadensbegrenzung für Lewis Hamilton: Geht es um Mercedes, war der Russland-Grand-Prix am Sonntag in Sotschi ein Abziehbild der bisherigen Saison. Der Wiesbadener baute seine Führung in der WM-Gesamtwertung auf 43 Punkte und sicherte sich mit einem von Start bis Ziel tadellosen Rennen seinen siebten Sieg in Serie. Hamilton ging dahin, wo es wehtat: Er überstand ein Tohuwabohu am Start, kämpfte sich durch das Feld, hatte erneut Motorenprobleme und behauptet: "Kein Zweifel, ich hätte gewinnen können."
Während Rosberg die Szenerie vom Start weg von der Spitze aus bestimmte, entging der von Platz zehn gestartete Hamilton im Mittelfeld nur knapp einer Havarie. "Die erste Kurve war nicht die einfachste", sagt er über ein Manöver, bei dem er - völlig regelgerecht - in der Auslaufzone am Feld vorbeifuhr und sich binnen weniger Hundert Meter auf Rang vier schob. Während bei der Konkurrenz Teile flogen, behielt der Champion den Überblick und hatte das Glück auf seiner Seite.
Fortuna hatte Hamilton zuvor lange vermisst und sie wich auch wieder. Zunächst kassierte er aber Räikkönen und Bottas. "Kimi hat nicht erwartet, dass ich ihn überholen würde. Bei Valtteri kam ich von weit hinten und er schien sich nicht zu verteidigen - das war einfach", schildert er, wie er Rang zwei eroberte. Als der Rückstand auf Rosberg von 13 auf acht Sekunden geschrumpft war und Hamilton die schnelleren Rundenzeiten fuhr, war der Fehlerteufel zurück: ein Wasserleck am W07.
Wundersame Heilung: Hamilton gab kein Vollgas mehr
Der Brite hatte schon den Sieg vor Augen: "Ich war schnell genug", beklagt er. "Doch es gab ein Problem mit dem Motor und ich bin zurückgefallen. Ich habe auf der Geraden nicht mehr Vollgas gegeben." Auch Mercedes-Team-Aufsichtsrat Niki Lauda hätte es Hamilton nach eigener Aussage zumindest zugetraut, auf Rosberg aufzuschließen und spricht von einer "Behinderung" durch das eigene Team. "Ich war einfach froh, das Auto ins Ziel bekommen zu haben", seufzt Hamilton.
Der Mercedes-Sportchef gibt sich zerknirscht, wenn es um seinen Champion geht: "Er war richtig schnell und hat alles für den Sieg gegeben", erkennt auch Toto Wolff in Hamilton einen möglichen Gewinner. Dass es nicht klappte, nimmt er auf die eigene Kappe: "Es ist unsere Aufgabe, ihm ein Auto zu geben, mit dem er bis zum Ende angreifen kann." Beim Einbau der neuen Antriebsteile infolge des Qualifying-Defektes ging offenbar etwas schief. Der Wasserdruck fiel kontinuierlich bis zu einem Punkt, an dem Mercedes bereits darüber nachdachte, das Rennen aufzugeben.
Rosberg-Auto meldete schon den Exitus
Doch es geschah ein Wunder: "Dann hat es sich stabilisiert, auch die Temperaturen", sagt Wolff, der nicht nur wegen des Hamilton-Autos schwitzte. Auch bei Rosberg stand es Spitz auf Knopf. "Es hat ausgesehen, als ob wir das Auto abstellen müssten", schnauft er. Beim WM-Leader war eine der Hybridkomponenten beschädigt. Meldung an den Kommandostand: "Final failure", also ein Defekt, der zwangsläufig zum Ausfall führt. "Und final heißt in diesem Fall final", weiß Wolff.
Doch Rosberg half sich und dem Antrieb selbst: "Ich musste ein paar Einstellungen ändern und den Motor runterdrehen, was mich eine Menge Leistung gekostet hat. Ich hatte aber viel Vorsprung und meine Reifen waren großartig, weil ich sie schon zuvor geschont hatte", erklärt er, was geschah, ehe sich das Problem wie von Geisterhand selbst erledigte - was die Aufholjagd Hamiltons relativiert.
Zum Schluss gelang Rosberg sogar noch die schnellste Rennrunde. "Einen Vettel gemacht", nennt Wolff das in Anlehnung an Zeiten der Red-Bull-Dominanz. "Ich habe nochmal nachgeschaut, ob es dafür Punkte gibt, aber es gibt definitiv dafür keine", scherzt er. "Vielleicht hat er das gebraucht." Damit liegt Wolff nicht falsch. Rosberg wollte das Limit suchen, um nicht den Fokus zu verlieren: "Ich mache es nur, damit ich konzentriert bleibe. Wenn ich vom Gas gehe, mache ich Fehler", erklärt er und bedauert, dass es in Sotschi nicht mehr zum Duell mit Hamilton kam.
"Ich bin hier, weil ich einen direkten Kampf will. Er ist die Messlatte. Die Ekstase fehlt mir - die habe ich, wenn ich ein Duell mit Lewis gewinne, das ist der ultimative Kick", so Rosberg. Wolff will indes trotz der Technikprobleme den Mercedes-Erfolg nicht schmälern. "Man muss jetzt nicht rumrennen und panisch fragen, wie wir diese Probleme lösen können", bremst der Sportchef. "Es klingt total lächerlich, nach einem Doppelerfolg von einem Alptraum-Rennen zu sprechen." Doch die Zitterpartie in Russland wirkt nach: Niki Lauda wird die Fehleranalyse in Brixworth persönlich und vor Ort beaufsichtigen.