KTM reagiert auf den Druck von Honda und wird laut Heinz Kinigadner 2016 auch ein Team der Schwestermarke Husqvarna bei der Rallye Dakar einsetzen
© Foto: Speedbrain
KTM wird sein Engagement bei der Rallye Dakar im nächsten Jahr ausbauen. Laut Motorsportberater Heinz Kinigadner wird der österreichische Konzern 2016 auch ein Werksteam der Schwestermarke Husqvarna bei der Marathon-Rallye in Südafrika an den Start bringen. "Wir werden Husqvarna dazunehmen und haben dann mehr Platz für Werksfahrer. So können wir den anderen Marken mehr Gegenwehr leisten", sagt Kinigadner im Interview mit '1000ps.at'. Zuletzt hatte das deutsche Speedbrain-Team 2013 Motorräder der Marke Husqvarna, die seinerzeit noch zum BMW-Konzern gehörte, bei der Rallye Dakar eingesetzt.
Mit dem Einsatz von Husqvarna reagiert KTM vor allem auf den Angriff von Honda, die in diesem Jahr den Gesamtsieg zwar verpassten, dem erfolgsverwöhnten österreichischen Team aber zunehmend auf die Pelle rücken. "Honda gibt Vollgas", stellt Kinigadner fest. "Mit was für einem Budget und Aufwand die das betreiben, dagegen sind wir ja wirklich amateurhaft unterwegs." Darauf reagiert KTM mit einer Konzentration der Kräfte.
"Da wir viel Erfahrung auf dem Sektor haben und zunehmend Druck von außen bekommen, ist es logisch, dass wir uns breiter aufstellen und schauen, damit keiner durchschlüpft", so der Österreicher. Ähnlich hatte KTM schon im Straßenrennsport auf das verstärkte Engagement von Honda reagiert. In der Moto3-Klasse der Motorrad-Weltmeisterschaft fuhren im vergangenen Jahr ebenfalls sowohl ein KTM- als auch ein Husqvarna-Werksteam.
Coma macht den Unterschied
In diesem Jahr gelang es KTM aber noch ohne Unterstützung der Konzernschwester, den Großangriff von Honda abzuwehren und mit Marc Coma den 14. Dakar-Sieg in Folge zu landen. Entscheidend dafür sei laut Kinigadner die Erfahrung seiner Mannschaft gewesen. "Beim Motorrad, beim Team und auch bei den Fahrern. Diese Kombination ist momentan auch mit ganz viel Geld noch nicht schlagbar", so der frühere Dakar-Sieger.
Den Unterschied habe vor allem Coma gemacht, der in der Gesamtbetrachtung allen anderen Fahrern noch deutlich überlegen sei, meint Kinigadner. "Marc hat über 50 Prozent der Rallye angeführt. Das heißt, er hat die Piste eröffnet und hat vorweg navigiert und ist trotzdem immer das Tempo der anderen gefahren. Da ist bei weitem keiner dabei, der das kann."
Neben der Erfahrung des mittlerweile fünfmaligen Dakar-Siegers sei vor allem die akribische Vorbereitung eine von Comas Stärken. "Marc ist nach der Arbeit am Roadbook noch in den Wohnwagen zu unserem privaten Navigator gegangen und ist mit Google Earth im virtuellen Hubschrauberflug alle wichtigen Teile dieser Etappe abgeflogen", berichtet Kinigadner. "So wusste er, wenn er beispielsweise in einem Flussbett war: Da vorne ist ein großer Berg, davor ist ein sandiger Hügel und ich muss vorher rechts raus."
Wechselt Coma zu den Autos?
Damit halte der Spanier seine jüngeren und schnelleren Rivalen erfolgreich auf Distanz. "Marc ist sicherlich nicht mehr der schnellste Motorradfahrer da draußen. Da gibt es fünf, sechs andere, von Barreda (Joan Barreda Bort) bis zu Matthias (Walkner; Anm. d. Red.), die auf einer gut markierten Piste deutlich schneller fahren", schätzt Kinigadner ein. "Aber wenn es in die freie Wüste und um die Gesamttaktik der Rallye geht, ist der Marc noch Welten entfernt."
Doch wie lange wird Coma noch für KTM fahren? Nachdem er auf dem Motorrad fünf Mal die Rallye Dakar gewonnen hat, könnte der Spanier eine neue Herausforderung suchen und wie viele seiner Vorgänger vom Motorrad zu den Autos wechseln. "Die Befürchtung gibt es immer", sagt Kinigadner, der einen solchen Wechsel aus persönlicher Sicht sogar nachvollziehen könnte.
"Wenn einer ins Autolager wechselt dann hat er es geschafft, das Motorradfahrerlager verletzungsfrei oder ohne bleibende Schäden zu verlassen und hat einen guten Platz, denn sie zahlen besser als bei den Motorrädern. Dann hätte er wirklich den Aufstieg geschafft. Das würde ich jedem von Herzen gönnen", sagt er.
Was kann Matthias Walkner?
Als KTM-Berater wünscht sich Kinigadner jedoch, "dass der Marc noch ein oder zwei Jahre da bleibt. Unsere jungen, schnellen Piloten brauchen den Marc und können unheimlich viel von ihm lernen." In seinem Schatten könnte auch Shootingstar Matthias Walkner zu einem echten Dakar-Meister heranreifen.
Denn trotz starker Vorstellungen bei seiner Premiere, inklusive eines Etappensiegs am dritten Tag, traut sich Kinigadner noch keine endgültige Einschätzung seines jungen Landsmanns zu. "Man wird in drei Jahren sagen können, ob er ein richtiger Rallye-Champion oder ob er nur ein Etappensieg-Fahrer wird und dann mit viel Glück vielleicht sogar einmal die Dakar gewinnen kann", sagt er.