Thierry Neuville ist der Aufsteiger der Saison - Nach zwei Mal in Folge Platz zwei traut Teamchef Malcolm Wilson dem Belgier schon bald den ersten Sieg zu
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Thierry Neuville (Ford) ist in der Rallye-Weltmeisterschaft der Mann der Stunde. Einem dritten Platz in Griechenland und Rang zwei in Italien ließ der Belgier bei der Rallye Finnland einen weiteren zweiten Platz folgen und bestätigte damit seine starke Form. Bei den vergangenen drei Rallyes hat kein anderer Fahrer mehr Punkt als der 25-Jährige geholt. In Finnland führte Neuville nach einer starken Vorstellung am Donnerstag sogar die Rallye an. Nach 23 Wertungsprüfungen (WP) musste er sich schließlich nur WM-Dominator Sebastien Ogier (Volkswagen) geschlagen geben.
"Nicolas (Gilsoul, Beifahrer, Anm. d. Red.) und ich haben einen wirklich guten Job gemacht. Ich hatte nach den Ergebnissen der vergangenen Rallyes viel Selbstvertrauen, und wir konnten kämpfen und sehen, wo das Limit ist", freut sich Neuville über das ausgezeichnete Ergebnis. "Wir haben einen guten Rhythmus zwischen nur fahren und Druck machen gefunden. In den Spurrillen musste man manchmal vorsichtig sein, um sich keinen Plattfuß einzufahren. Wir hatten einen, sind aber durchgekommen", beschreibt der M-Sport-Pilot seine Herangehensweise.
"Das war erst mein zweites Mal (in Finnland), und jeder sagt, dass man hier viel Erfahrung braucht, aber wir hatten eine gute Vorbereitung und einen guten Aufschrieb erstellt, was uns dabei geholfen hat, ein gutes Resultat zu erzielen", blickt Neuville auf die Rallye zurück. Zum ersten Mal in seiner Karriere machte der 25-Jähirge die Erfahrung, als Gesamtführender einer WM-Rallye zu übernachten, nachdem er nach zwei WP-Bestzeiten am Donnerstagabend auf Position eins lag.
Konstante Leistungen über drei Tage
Vom Sieg träumte Neuville in der Nacht allerdings nicht. "Ich habe nicht über den Sieg nachgedacht. Ich wusste, dass Seb sehr stark und fast unmöglich zu schlagen sein würde. Am ersten Tag sah ich, dass er keinen guten Rhythmus hatte und es für uns gut lief - da dachte ich, dass ein Podium möglich sei", beschreibt er seine Erwartungshaltung. Dies sollte sich als realistische Einschätzung herausstellen, denn am Freitag zog Ogier das Tempo an und einteilte dem Belgier. Der hatte es daraufhin mit einem neuen Rivalen zu tun, denn Teamkollege Mads Östberg schickte sich an, Neuville Platz zwei streitig zu machen.
"Dann hat Mads am Freitagvormittag attackiert und uns elf Sekunden aufgebrummt. Da wusste ich, dass ich aufwachen muss", sagt Neuville. Das gelang dem Belgier. "Nachdem ich meinen Rhythmus gefunden hatte, sind wir fast immer die gleichen Zeiten gefahren. Ich wusste: Wenn wir so weitermachen, vermeiden wir Probleme." Das Duell der beiden jungen Ford-Piloten spitzte sich im weiteren Verlauf zu. Vor der vorletzten WP, der legendären "Ouninpohja" war Östbergs Vorsprung auf 0,1 Sekunden zusammengeschmolzen.
"Ich sah, wie Mads vor mir in die Prüfung ging. Er war in der ersten Kurve sehr schnell. Ich sah, dass er angriff und hatte keine Wahl. Wir machten es ihm nach und jetzt stehen wir ihr", sagt Neuville. Auf dieser Prüfung fiel die Entscheidung im Kampf um Platz zwei. Östberg musste einem Stein ausweichen und verlor die entscheidenden Sekunden. "Es ist schade, dass er diesem Stein ausweichen musste. Ich habe ihn auch gesehen, aber für mich ging alles gut", so Neuville.
Neuville glaubt: Der Sieg ist möglich
Nach der Pflicht folgte dann auf der Power-Stage die Kür. Neuville war dort 0,3 Sekunden schneller als Ogier, und kassierte damit drei Zusatzpunkte, die ihn auf den geteilten zweiten WM-Rang katapultierten. "Jetzt bin ich punktgleich mit Jari-Matti (Latvala). Ich brauche nur einen Sieg, um an ihm vorbeizuziehen", rechnet Neuville vor.
Einmal Dritter, zwei Mal Zweiter - folgt nun bald der erste WRC-Sieg für Neuville? "Natürlich ist das möglich, aber ich glaube, Sebastien muss in Schwierigkeiten kommen", meint der Belgier, für den mit der Rallye Deutschland nun sein Quasi-Heimspiel auf dem Programm steht. "Ich freue mich auf die erste Asphalt-Rallye in Deutschland. Ich bin dort schon zwei Mal gefahren, muss aber sehen wie der Fiesta funktioniert und ob wir eine gute Abstimmung finden. Falls uns das gelingt, werde ich mit den Volkswagen und Citroen kämpfen."
Auch Teamchef Malcolm Wilson macht die starke Vorstellung seines Piloten mächtig Spaß: "Wir sind sehr erfreut über die Aussichten auf Asphalt, denn wenn man unsere Performances in Deutschland und Frankreich anschaut, dann waren die sehr gut. Ich denke, das Großartige ist, dass er so viel Selbstvertrauen im Auto hat", lobt Wilson den Belgier. "Wenn ein Fahrer das hat, dann ist das unglaublich. Ich hoffe, dass dieses Selbstvertrauen auch auf Asphalt Bestand hat."
"Ich denke aber schon, denn wir haben gesehen, welche Pace Jari-Matti im vergangenen Jahr gehen konnte - selbst gegen Loeb. Ich bin sicher, dass ein Sieg nicht mehr weit entfernt sein kann. Wir haben gesehen, dass Thierry eine fantastische Zukunft hat", so Wilson, der von der Rallye Finnland begeistert ist: "Für mich war es eine der aufregendsten Rallyes für viele, viele Jahre. Wir hatten vier verschiedene Führenden und es war ein enger Kampf. Und so sehr ich Loeb und Ogier bewundere: Der Sport braucht echten Wettbewerb. Ich glaube, man wird mir zustimmen: Dieses Wochenende war unglaublich. So sollte Rallye sein."