Der WM-Titel war für Sebastien Ogier in Australien zum Greifen nah, doch trotz seines überlegenen Sieges wird die WM-Party verschoben
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19 Prüfungen gewonnen, maximale Punktausbeute erreicht und dem WM-Titel zum Greifen nah gekommen - Sebastien Ogier/Julien Ingrassia fuhren in Australien die Rallye ihres Lebens und feierten ihren sechsten Saisonsieg in der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC). Die zehnte Saisonrallye in Down Under sparte das sportliche Drama bis zur buchstäblichen letzten Minute auf. Auf den letzten 15 Kilometern der sogenannten Power-Stage verhinderten zwei Reifenschäden von Konkurrenten den möglichen Titelgewinn von Ogier/Ingrassia - obwohl das Duo absolut fehlerlos blieb.
Am Ende fehlte ein einziger Punkt zum frühzeitigen Titelgewinn: Vor dem kommenden Lauf in Frankreich liegen Ogier/Ingrassia 83 Punkte vor ihrem ärgsten Verfolger Thierry Neuville (Ford). Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila steuerten im zweiten Polo R WRC als Vierte wichtige Zähler zum Punktekonto von Volkswagen in der Herstellerwertung bei. Andreas Mikkelsen/Paul Nagle (N/IRL) beendeten die Rallye Australien als Gesamtsechste.
22 Wertungsprüfungen, 19 Bestzeiten, zwei Mal Zweiter - Ogier und Ingrassia riefen in Australien ihre bislang beste Saisonleistung ab - und sicherten sich so den dominantesten Sieg der Saison. Noch beeindruckender: Gegenüber der idealen Kombination aller Bestzeiten verloren Ogier/Ingrassia gerade einmal 1,8 Sekunden. In Australien stellten sich die Teams dabei unterschiedlichsten Bedingungen: Technische, enge und verwundene Abschnitte charakterisierten den ersten, offeneres Gelände den zweiten und extrem schnelle Abschnitte durch den Regenwald den dritten Rallye-Tag.
Drama, Drama, Drama - Titelentscheidung ein weiteres Mal vertagt
Die Power-Stage brachte in Australien die WM-Entscheidung - oder besser gesagt: genau das nicht. Auf der abschließenden Wertungsprüfung "Shipmans" mit ihrer spektakulären Wasserdurchfahrt wurden zusätzliche Punkte für die ersten Drei vergeben. 15 Kilometer vor dem Ende der knapp 30 Kilometer langen Wertungsprüfung überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst bremste ein Reifenschaden den Versuch von Latvala/Anttila ein, die drei Extra-Zähler für die Bestzeit einzufahren.
Ein Reifenschaden am Citroen von Mikko Hirvonen sorgte jedoch letztlich dafür, dass die frühzeitige Titelentscheidung zugunsten von Ogier/Ingrassia vertagt wurde. Hirvonen büßte Gesamtrang zwei an Neuville ein, der damit weiterhin eine mathematische Chance auf den Titel besitzt. "Was für ein verrücktes Ende bei dieser Rallye. Natürlich freue ich mich über den Sieg hier in Australien, aber wenn man die ganze Zeit auf WM-Kurs ist und dann auf dem letzten Kilometer den Titel wieder verliert, ist es schon etwas enttäuschend", gibt Ogier zu. "Ansonsten war es aber eine grandiose Rallye für uns in Down Under."
"Wir haben 19 von 22 Prüfungen gewonnen, dazu die drei Punkte bei der Power-Stage geholt. Der Polo R WRC hat das gesamte Wochenende perfekt funktioniert, das Team hat einen tollen Job gemacht - nur am Ende hat uns ein kleines bisschen Glück gefehlt, um den Traum vom Titelgewinn schon heute wahr zu machen", so Ogier. "In jedem Fall werden wir nachher kräftig feiern. Und ab morgen freue ich mich dann auf meine Heim-Rallye und die Fans in Frankreich. Dort will ich den Titel mit einem Sieg klarmachen und außerdem mein Team dem Konstrukteurstitel einen großen Schritt näher bringen."
Volkswagen unternimmt großen Schritt in der Herstellerwertung
Auch in Hinblick auf die Hersteller-Wertung der Rallye-Weltmeisterschaft verlief die Rallye Australien für Volkswagen nahezu perfekt - dank des Ogier-Sieges und des vierten Platzes von Latvala/Anttila, die im zweiten Polo R WRC wichtige WM-Zähler beitrugen. Trotz eines verkorksten Zeittrainings kämpfte sich das finnische Duo in der Gesamtwertung der Rallye Stück für Stück nach vorn. So baute Volkswagen den Vorsprung in Herstellerwertung um 22 auf 48 Punkte aus. Latvala/Anttila entschieden eine Wertungsprüfung für sich und rangierten weitere zehn Mal unter den Top 3.
"Es war von Anfang an unser Ziel, möglichst viele Punkte für die Herstellerwertung einzufahren, was uns auch gelungen ist", so Latvala. "Allerdings war der Weg dahin nicht so problemlos, wie wir es uns gewünscht hätten - wir hatten Dreher und ganz am Ende noch einen Reifenschaden. Die Rallye hat sich für mich ein wenig angefühlt, als würden wir uns durch die Wüste kämpfen und am Ende sind wir endlich in Dakar angekommen. Am Ende zählt aber nur das Ergebnis und das war gut für Volkswagen. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass ich für meinen Polo hier eine perfekte Abstimmung für schnelle Schotter-Rallyes gefunden habe, die für die weiteren Rallyes sehr nützlich sein wird."
Rang sechs und wertvolle Punkte für Mikkelsen
Einen starken Eindruck hinterließen Andreas Mikkelsen/Paul Nagle bei ihrem Australien-Debüt. Gleich die erste Wertungsprüfung ging an das Duo im Polo R WRC mit der Startnummer 9. Den ersten Rallye-Tag beendeten Mikkelsen/Nagle am Donnerstag in Führung liegend. Kleinere Fehler ließen das Duo am Freitag allerdings zurückfallen, ehe es sich am Samstag in der Gesamtwertung zurückkämpfte. Am Sonntag verteidigten Mikkelsen/Nagle ihre Position klug und trugen damit indirekt dazu bei, dass Volkswagen den Vorsprung in der Hersteller-Wertung weiter ausbaute.
"Meine Rallye Australien hatte Höhen und Tiefen", sagt Mikkelsen. "Am Donnerstag durfte ich das Gefühl genießen, erstmals eine WM-Rallye anzuführen. Freitag lief es zu Beginn super, doch kleine Fehler haben viel Zeit gekostet. Samstag habe ich noch einmal dafür büßen müssen - als eines der ersten World Rally Cars auf der Strecke. Und Sonntag?"
"Da habe ich alles dafür getan, ins Ziel zu kommen und damit dem Team in der Herstellerwertung zu helfen. Das bedeutete, in den 'Cruise Mode' zu schalten und nicht zu attackieren", erklärt der Norweger. "Anders hätte es bestimmt mehr Spaß gemacht. Alles in allem sind wir mit Platz sechs aber äußerst zufrieden. Es war ein gutes Rallye-Australien-Debüt für uns und eine gute Zusammenarbeit mit meinem Beifahrer Paul Nagle, der kurzfristig für meinen Stamm-Co-Piloten Mikko Markkula eingesprungen ist."
"Die Rallye Australien hat sich das ganze Drama für die letzten Kilometer aufgespart", sagt Volkswagen-Motorsport-Direktor Jost Capito. "Aus der Sicht der Herstellerwertung waren die sich überschlagenden Ereignisse auf der Power-Stage gut für Volkswagen. Leider hat es auch dafür gesorgt, dass eine Vorentscheidung zugunsten von Sebastien Ogier nicht gefallen ist. Er hat einen fantastischen Job gemacht, so dominant wie noch nie in dieser Saison gewonnen und alles richtig gemacht."
"Er hätte es verdient, sich schon heute Rallye-Weltmeister nennen zu dürfen. Doch die Entscheidung ist vertagt. Jetzt hat er die Chance, bei seiner Heimrallye in Frankreich alles klar zu machen. Das gesamte Team wird ihn dabei bedingungslos unterstützen. Dann geht auch der Kampf um die Hersteller-WM in die nächste Runde, in der wir dank Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen besser dastehen als vor der Rallye Australien. Wir sind super-zufrieden, auch wenn die süßeste Kirsche auf dem Kuchen heute fehlt", so Capito.