Interview mit dem Technischen Direktor von Volkswagen Motorsport: Willy Rampf über den sensationellen Erfolg des Polo R WRC und die Entwicklung des Autos
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Mit zwei Siegen und einem zweiten Platz in den ersten drei WRC-Läufen des Jahres ist Volkswagen ein perfektes Debüt auf der großen Rallyebühne gelungen. Sebastien Ogier hat das Tempo in Schweden und Mexiko eindeutig bestimmen können, denn der neue Polo R WRC zeigte sich aus dem Stand als extrem schnelles Fahrzeug. Einer der Väter des Erfolges ist Willy Rampf. Der Technische Direktor von Volkswagen Motorsport beschreibt im Interview den Weg in die WRC.
Frage: "Willy Rampf, herzlichen Glückwunsch zu den großen Erfolgen, die bisher mit dem Polo R WRC gefeiert werden durften. Hatten Sie in diesem Ausmaß damit gerechnet?"
Willy Rampf: "Nein, damit konnte man wirklich nicht rechnen. Wir waren sehr positiv überrascht und hätten natürlich nichts dagegen, wenn es nun so weiterliefe. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Wir werden weiter in der Entwicklung Gas geben und hart arbeiten."
Frage: "Welcher Faktor war für die bisherigen Erfolge entscheidend: Vorbereitung, das grundsätzliche Fahrzeugkonzept, oder die Schwäche der Gegner?"
Rampf: "Keinesfalls die Schwäche der Gegner, denn die sind stark und haben deutlich mehr WRC-Erfahrung als wir. Wir werden die Konkurrenz auf keinen Fall unterschätzen, auch wenn uns nun ein herausragend guter Auftakt gelungen ist."
"Aus meiner Sicht war die Vorbereitung definitiv der Schlüssel für einen guten Start in unser neues WRC-Abenteuer. Wir haben wichtige und gute Tests absolviert und die Erkenntnisse daraus perfekt in Verbesserungen am Auto umgesetzt. Dabei spielte der Input der Fahrer eine wichtige Rolle, aber natürlich waren auch die umfangreichen Daten wichtig, die wir im Rahmen der Vorbereitung haben sammeln können."
Skoda-Einsätze brachten Anhaltspunkte
Frage: "Im vergangenen Jahr wurde der Skoda Fabia im Rahmen der WRC eingesetzt. Inwiefern hat man bei diesen Einsätzen Referenzdaten sammeln können?"
Rampf: "Das hat uns in Sachen Setup und Fahrwerksdaten durchaus geholfen. Natürlich war der Fabia nicht auf dem Niveau der Topautos in der WRC, aber wir haben den Abstand einschätzen können. Das wiederum hat es uns ermöglicht, anhand eines Dreisatzes in etwa abzuschätzen, wo wir mit dem Polo R WRC stehen."
Frage: "Es liegen drei Rallyes mit unterschiedlichen Charakteristiken hinter uns. Lässt sich jetzt schon sagen, ob der Polo R WRC in irgendwelchen Bereichen noch Schwächen hat?"
Rampf: "Nein, es zeichnen sich bisher keine solchen Schwächen ab. Das heißt aber nicht, dass wir uns nun ausruhen und den Rest der Saison einfach auf uns zukommen lassen. Wir werden weiter an der Verbesserung des Autos arbeiten. Zum Beispiel gab es am Auto von Jari-Matti in Mexiko einen Schaden am Querlenker, weil er auf einen Stein geschlagen ist. Dieses Bauteil werden wir nun modifizieren, um solche Dinge in Zukunft nicht noch einmal zu erleben."
Frage: "Jari-Matti Latvala steht bisher im Schatten von Sebastien Ogier. Der Finne sagt, dass der Volkswagen Polo WRC ganz anders zu fahren sei als der Ford Fiesta, den er aus der Vergangenheit gut kennt. Trägt der Polo eher die Handschrift von Ogier?"
Rampf: "Es ist tatsächlich so, dass wir in der Vorbereitung meistens mit Sebastien im Auto unterwegs waren. Der Input von Ogier war für die Entwicklung des Fahrzeuges sehr wichtig. Daher ist es durchaus so, dass der Polo vielleicht etwas mehr auf die Bedürfnisse und Wünsche von ihm zugeschnitten ist. Wir arbeiten aber gemeinsam mit Jari-Matti intensiv daran, dass auch er in Zukunft das Potenzial voll ausschöpfen kann."
Ein Kind, das schnell laufen kann
Frage: "Rechnen Sie damit, dass es so weiterläuft wie bisher?"
Rampf: "Nein, damit kann man nicht rechnen - obwohl ich natürlich nichts dagegen hätte. Tatsache ist aber, dass wir neu in der Szene sind und viele Dinge erst noch lernen müssen. Jede Rallye bietet neue Herausforderungen, die wir meistern müssen. Jetzt warten wir erst einmal die Rallye Portugal ab und schauen, was dort für uns möglich ist. Als Seriensieger sehe ich uns nicht, auch wenn das durchaus wünschenswert wäre. Ich denke, die Gegner werden nicht locker lassen."
Frage: "Sie tragen bei Volkswagen Motorsport die technische Verantwortung im WRC-Projekt. Sehen sie den Polo R WRC als ihr Kind?"
Rampf: "Nein, so kann ich das nicht sehen. Es haben dermaßen viele Fachleute ihren Anteil daran, dass der Wagen jetzt nun so schön rennt. In erster Linie sind Francois-Xavier Demaison (Technischer Projektleiter WRC; Anm. d. Red.) und seine Leute dafür verantwortlich. Ich bin da nur einer der vielen Geburtshelfer. Wenn wir von einem Kind sprechen, so würde ich sagen, dass es kein Baby mehr ist - es läuft ja schon richtig gut. Aber es ist auch längst noch nicht erwachsen. Wenn ich bei diesem Bild mal bleibe, dann ist es aus meiner Sicht ein intelligentes, heranwachsendes Kind mit viel Potenzial."
Frage: "Sie waren jahrelang in der Formel 1 aktiv. Wo liegen beim Bau eines WRC-Autos die Parallelen und Unterschiede im Vergleich zur Königsklasse?"
Rampf: "In beiden Fällen geht es darum, auf Grundlage eines Reglements ein möglichst schnelles Auto auf die Räder zu stellen. Die Rahmenbedingungen und Marschrouten sind allerdings unterschiedlich. In der Formel 1 dreht sich sehr viel um die Aerodynamik, während im Rallyesport ganz klar das Fahrwerk im Vordergrund steht. Daraus resultiert ein Unterschied in der Arbeit. In der Formel 1 kann man in Sachen Aerodynamik sehr viel über Simulationen machen."
"In der WRC ist das in diesem Maße nicht einmal ansatzweise machbar. Wenn man das Fahrwerk im Fokus hat, dann muss man viel mehr in der Realität entwickeln. Das bedeutet, man muss mit dem Fahrzeug wirklich auf verschiedenen Untergründen fahren und die Daten sowie das Feedback des Piloten in die weitere Entwicklung einfließen lassen."
Fahrer sind wichtige Entwickler
Frage: "Bedeutet dies, dass der Fahrer im Rallyesport eine deutlich wichtigere Rolle genießt als in der Formel 1?"
Rampf: "Das würde ich nicht so unterschreiben. Im Grunde ist es gleich, denn sobald es in ein Rennen geht, ist die Aufgabe in beiden Disziplinen die gleiche: Der Pilot muss unter den gegeben Umständen versuchen, das volle Potenzial des Fahrzeuges abzurufen und umzusetzen. Wenn es allerdings nur um die Entwicklung des Autos geht, dann hat ein Fahrer im Bereich Rallye sicherlich größeren Einfluss."
Frage: "Hat der VW Polo WRC mal im Windkanal gestanden?"
Rampf: "Ja, natürlich. Allerdings sind solche Versuche bei einem Rallyeauto nicht mit der Entwicklung in der Formel 1 zu vergleichen. Bei uns geht es in deutlich geringerem Maße um die Aerodynamik des Fahrzeuges. Wir gehen aber in den Windkanal, um beispielsweise den Bereich Kühlung ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Dafür sind solche Windkanal-Sessions sehr wichtig."
Frage: "Sie haben im Verlauf Ihrer bisherigen Karriere an sehr vielen Motorsportmaschinen mitgewirkt. Auf welche sind sie besonders stolz?"
Rampf: "Das kann ich kaum beantworten. Ich war bei der Entwicklung vieler Formel-1-Fahrzeuge dabei, war am Bau eines Motorrades beteiligt, das auf Anhieb bei der Rallye Dakar gewinnen konnte und habe jetzt einen gewissen Anteil am Erfolg des aktuellen VW Polo R WRC. Da fällt es mir schwer, ein einzelnes Projekt herauszugreifen."