Auf die Pflicht folgt die Kür: Mit einer starken Leistung möchte sich Volkswagen bei der Rallye Großbritannien in die Winterpause der WRC verabschieden
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Dieses Finale wird Volkswagen in vollen Zügen genießen: die Rallye Großbritannien in Wales. Nach dem Gewinn sämtlicher Wertungen der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) gönnt sich Volkswagen keine Verschnaufpause und startet vom 14. bis 17. November beim letzten WM-Lauf der Saison mit unvermindert hoher Motivation. Sebastien Ogier/Julien Ingrassia, Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila sowie Andreas Mikkelsen/Mikko Markkula reisen mit dem Ziel nach Wales, sich mit einer starken Teamleistung in die kurze Winterpause der Rallye-WM zu verabschieden. Bereits Mitte Januar feiert die Saison 2014 bei der legendären Rallye Monte Carlo ihren Auftakt.
Doch bevor der Rallye-Klassiker in den französischen Seealpen auf dem Programm steht, freuen sich die Weltmeister aus Wolfsburg auf eine ebenso traditionsreiche wie herausfordernde Rallye, die vornehmlich über rutschige Schotterpisten durch die Wälder von Wales führt. Anders als in der jüngeren Rallye-WM-Vergangenheit befindet sich das Rallye-Zentrum in diesem Jahr wieder im Norden von Wales. Dieser Umzug geht mit dem Comeback einiger beliebter Wertungsprüfungen einher. Keiner der aktuellen Rallye-WM-Piloten kann auf echte Erfahrung auf Prüfungen wie "Gwydyr", "Penmachno", "Clocaenog" und "Penllyn" verweisen, die zuletzt in den 90er-Jahren Bestandteil des britischen WM-Laufs waren.
"Die Rallye Großbritannien ist ein prestigeträchtiger WM-Lauf, den jeder Fahrer gern gewinnen möchte", so Volkswagen-Motorsport-Direktor Jost Capito. "Die Bedingungen sind mit denen keiner anderen WM-Rallye vergleichbar und bieten viele Herausforderungen. Neun von zwölf Rallyes haben wir für uns entschieden, gern wollen wir unseren Schwung dazu nutzen, auch den zehnten Siegerpokal nach Wolfsburg holen. Jeder Einzelne im Team ist heiß auf die Rallye Großbritannien und möchte ohne den Druck, noch um die WM zu kämpfen, einen erfolgreichen Saisonabschluss feiern."
Gelingt Latvala/Anttila der Wales-Hatrick?
Die vergangenen beiden Ausgaben haben sie für sich entschieden, der dritte Coup in Folge ist ihr großes Ziel: Latvala/Anttila stellen sich mit dem Polo R WRC einer Mammutaufgabe. Das finnische Duo hat sich vorgenommen, beim Saisonfinale Rang zwei der Gesamtwertung in Fahrer- und Beifahrerwertung zu erobern und damit Thierry Neuville/Nicolas Gilsoul (Ford) in letzter Minute zu verdrängen.
Dazu müssten Latvala/Anttila 14 Punkte gutmachen - bei noch maximal 28 zu vergebenden Zählern. Selbst im Falle eines Sieges bei der Rallye Großbritannien sowie dem zusätzlichen Gewinn der sogenannten Power-Stage, in der Zusatzzähler für die ersten drei vergeben werden, ist das aus eigener Kraft nicht zu schaffen. Helfen könnten beispielsweise die eigenen Volkswagen Teamkollegen: Sébastien Ogier und Andreas Mikkelsen.
100 Prozent Attacke, 100 Prozent Rallye-Lust, 100 Prozent Klassiker
Es gibt vermutlich keinen besseren Ort, um frei von jedem taktischen Zwang das Rallye-Fahren zu genießen, als die Rallye Großbritannien. Für die Volkswagen Werksduos bedeutet das: Vollgas von der ersten Minute an. Egal, ob Ogier/Ingrassia, Latvala/Anttila oder Mikkelsen/Markkula - sie alle wollen das Rallye-Jahr 2013 mit einem Top-Resultat abschließen, am liebsten jedoch mit einem Sieg. Dazu kommt ein Extraschuss Motivation: Die Rallye Wales zählt zu den echten Klassikern im Kalender der Rallye-WM, ausgetragen seit dem Jahr 1932.
Viele Wertungsprüfungen sind für aktuelle Rallye-WM-Piloten im Jahr 2013 echtes Neuland, dennoch zählen sie zum Inventar der Rallye Großbritannien - beispielsweise die WP "Great Orme". Sie führt auf einer kurvenreichen Straße direkt am Meer entlang. Die vielleicht größte Schwierigkeit ist, dass hier mit Schotterreifen gefahren wird, obwohl es eine von insgesamt zwei Asphaltprüfungen der diesjährigen Rallye Großbritannien ist. Außerdem säumen hohe, unnachgiebige Randsteine die Piste - ein Fehler genügt, um die Radaufhängung zu beschädigen. Und das auf der abschließenden Prüfung des Rallye-Jahres.
Über 32 Kilometern lang, ein echter Klassiker: "Hafren". Die Strecke führt vom Ort Hafren zunächst durch dichten Wald bergauf. Zwischen den Bäumen hält sich Nebel oft sehr lange und wenn es regnet, ist die Piste schmierig und glatt. Im mittleren Abschnitt wird die WP schneller und führt mit lang gezogenen Kurven durch Grasland und Moor. Ebenfalls eine Ikone des Rallye-Sports ist die WP "Sweet Lamb". Wasserdurchfahrt, Sprung, Haarnadelkurve - all das hat die Prüfung innerhalb eines Teilabschnitts von nur 500 Metern zu bieten. Das Gelände, auf dem sonst Rallye-Fahrkurse abgehalten werden, ist von den Zuschauerplätzen beinahe komplett einzusehen. Hier lassen sich besonders gut Vergleiche zwischen unterschiedlichen Fahrstilen ziehen.
Mikkelsen und die Hommage an die Fans
Diese Geste ist eine Verbeugung vor den Fans: In Wales starten Mikkelsen und Markkula mit einer Sonderlackierung des Polo R WRC mit der Startnummer 9. Knapp 4.000 Fotos von Fans wurden via Internet gesammelt, die auf dem 315 PS starken World Rally Car aus Wolfsburg platziert wurden. Im Internet können die Fans, die als zusätzliche "Beifahrer" von Mikkelsen in Wales dabei sind, ihr platziertes Foto heranzoomen und sich das 315 PS starke World Rally Car im Fan-Look aus allen Perspektiven in einer 3-D-Darstellung ansehen.
"Die Rallye Großbritannien ist wie eine zweite Heimrallye für mich", sagt Latvala. "Ich bin 2002 in Wales zum ersten Mal in der Rallye-WM gestartet. Trotz des oftmals schlechten und herausfordernden Wetters habe ich großartige Erinnerungen an die Rallye. Das Profil der Prüfungen und der Rhythmus sind einmalig. Ich mag schnelle Strecken - und dies ist definitiv eine schnelle Rallye. Manchmal hofft man in Wales, dass es nicht zu rutschig und matschig wird. Das kann schon manchmal anstrengend werden. Wir fahren in dieser Saison mehr im Norden - im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, in denen wir hauptsächlich im Süden von Wales gefahren sind."
"Im Norden gibt es mehr kurvenreiche und daher auch technisch anspruchsvollere Prüfungen. Im Süden waren die Wertungsprüfungen insgesamt schneller. Ich freue mich riesig auf die Rallye und kann sie ganz entspannt angehen. Natürlich möchte ich ums Podium kämpfen, weil es immer noch um den zweiten und dritten Platz in der Fahrer-Wertung geht. Das Wichtigste ist jedoch, dass wir keinen Druck haben, weil wir uns bereits die Hersteller-Weltmeisterschaft gesichert haben. Ich werde so schnell wie möglich fahren und die letzte Rallye in dieser Saison einfach genießen", so der Finne.
Ogier: "Vollgang von der ersten Minute an"
"Ich bin mir sicher, dass wir die Rallye Großbritannien genießen werden", sagt Ogier. "Denn sie ist die erste Rallye des Jahres, bei der wir keinen Druck verspüren. Keine Taktik, nur Vollgas von der ersten Minute an. Volkswagen hat die Hersteller-Wertung gewonnen, Julien und ich die Fahrer- und Beifahrer-Wertung. Die Rallye gehörte nie zu meinen Lieblingsveranstaltungen, aber mit zunehmender Erfahrung wächst auch mein Selbstvertrauen hier."
"Einige Dinge sind eher unwirtlich: die niedrigen Temperaturen, Regen, Nebel und Matsch auf den Straßen in den Wäldern von Wales", so der Weltmeister. "Das klingt wie das Rallye-Paradies für meine Teamkollegen - und ich muss ihnen zustimmen. Es gibt womöglich keine bessere Art, die Saison zu beenden, als mit einem Sieg bei der Rallye in Wales. Das ist also mein Ziel."
"Die Rallye Großbritannien ist ein besonderer Ort für mich. Ich war 17, als ich angefangen habe, Rallyes zu fahren. Ich habe aber die meisten Erfahrungen ein Jahr später und 2010 gesammelt, als wir in Wales die SWRC gewonnen haben", erinnert sich Mikkelsen. "Es gibt für uns ein paar neue Wertungsprüfungen. Das spielt mir jedoch sehr in die Karten. Vor allem die Wertungsprüfung 'Great Orme', die in diesem Jahr wieder auf dem Plan steht. Seit 2006 halten wir bei dieser Prüfung den Rekord. Ein großartiges Gefühl, an diesen speziellen Ort zurückzukehren."
"Das Schwierigste sind die Wetterbedingungen. Die Luft ist kalt und feucht, es gibt viel Regen. Es kann dort schnell kälter werden als erwartet, manchmal sogar frostig. Ich hoffe, der Schnee bleibt uns in diesem Jahr erspart. Insgesamt ist die Rallye durch die schnell wechselnden Bodenverhältnisse sehr knifflig. Dafür brauchen die Fahrer viel Gefühl. Es wäre super, wenn wir zum Abschluss der Saison ein gutes Resultat erzielen würden. Zurzeit fühle ich mich im Polo R WRC wohler als jemals zuvor", so der Norweger.