Wiegand: "Mache beim Fahrstil Fortschritte"

, 22.04.2013

Platz drei und WM-Führung ausgebaut: Skoda-Fahrer Sepp Wiegand sammelte in Portugal wieder viel Erfahrung - Im Interview spricht der Deutsche über seine Rallye

Sepp Wiegand eroberte bei der Rallye Portugal mit dem Skoda Fabia S2000 den dritten Platz in der WRC2-Wertung. Damit führt er die WRC2-Wertung weiterhin an und hat einen Vorsprung von 15 Punkten auf Nicolas Fuchs. Der Deutsche konnte bei einigen Prüfungen das Tempo von Skoda-Markenkollege Esapekka Lappi halten. Wiegand musste aber auch einige Schwierigkeiten meistern, wie einen Fahrfehler und ein kleines Getriebeproblem. Zudem experimentierte der 22-Jährige mit der Reifenwahl. Insgesamt hat der deutsche Hoffnungsträger viel gelernt und viele nützliche Erfahrungen für die nächsten Schotter-Rallyes gesammelt. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' berichtet Wiegand über seine Rallye Portugal.

Frage: "Sepp, wie lautet dein allgemeines Fazit nach dieser Rallye?"

Sepp Wiegand: "Wir haben teilweise unser Potenzial auf Schotter gezeigt. Wir waren auf einigen Prüfungen nahe an den Zeiten unseres Skoda-Markenkollegen Esapekka Lappi dran. Er ist in Finnland geboren und auf Schotter zu Hause. Trotzdem hatte ich Probleme. Am ersten Tag ist mir in der fünften WP ein Fahrfehler passiert. Ich habe zu spät gebremst und bin in eine Betonmauer eingeschlagen. Das war klar mein Fehler. Aber wir hatten Glück im Unglück und konnten nach einem Radwechsel in der Prüfung weiterfahren. Außerdem gab es während der Rallye auch Probleme mit der Sprechverbindung."

"Am letzten Tag gab es noch einen Schreckmoment. Nach einem leichten Verbremser hat beim Rückwärtsfahren das Getriebe blockiert. Ich habe aber nicht aufgegeben und versucht einen Gang einzulegen, bis es dann gefühlt nach dem 30. Mal funktioniert hat. Trotz alldem konnte ich Platz drei erobern. Von daher können wir zufrieden sein."

Frage: "Die Erstellung des Aufschriebs soll für Neulinge nicht einfach gewesen sein, weil es viele blinde Kuppen gab. Wie ist es euch dabei gegangen?"

Wiegand: "Wir haben beim Recce deutlich gemerkt, dass es vielleicht eine der schwierigsten Rallyes überhaupt ist. Ich habe die Rallye Portugal als kleines Finnland bezeichnet, denn es war erstaunlich wie viele blinde Kurven und Kuppen es gab. Das Erstellen eines exakten Aufschriebs war wichtig, um später im Rennen dann schnell zu sein. Das haben wir gut hinbekommen. Von daher war das Recce sehr gut für uns."

Lange Prüfungen ein Härtetest

Frage: "Es gab teilweise sehr lange Prüfungen. Wie erging es dir mit der Konzentration und auch körperlich?

Wiegand: "Von den Temperaturen her war es nicht so heiß. Es herrschten meist 25 Grad und es ging körperlich gut. Ich habe nicht gemerkt, dass ich an meine Grenzen gekommen. Mit dem Motorrad bin ich früher 24 Stunden-Rennen bei teilweise 35 Grad gefahren. Ich glaube, dass ich damit gut umgehen kann und ich hatte keine Probleme. Die beiden 52 Kilometer langen Prüfungen konnten wir nicht wirklich voll attackieren, weil es beim ersten Mal schon nach wenigen Kilometern das Problem mit dem Getriebe gab."

"Danach sind wir fast 45 Kilometer im Staub eines Vordermanns gefahren. Überholen war unmöglich, weshalb es nicht anstrengend war, weil wir nicht pushen konnten. Beim zweiten Durchgang war es zugleich die letzte Prüfung der Rallye. Dabei bin ich keine Risiken eingegangen und habe versucht gut über die Runden zu kommen. Bei den anderen Prüfungen über 20, 25 und 30 Kilometer verspürte ich keine körperlichen Überbelastungen. Es war alles im grünen Bereich."

Frage: "Es ist aber schon ein Unterschied zu den kürzeren IRC-Prüfungen?"

Wiegand: "Auf jeden Fall. Man merkt den Unterschied. Das Recce in der WM dauert viel länger und die Prüfungen sind länger. Auch die gesamte Rallye ist länger. Am ersten Tag sind wir in der WRC2-Wertung bis auf Platz acht zurückgefallen, aber über den zweiten Tag konnten wir uns wieder auf Platz zwei nach vor arbeiten, weil die einzelnen Prüfungen sehr lange waren. Am dritten Tag bin ich dann durch das Getriebeproblem wieder auf Rang drei zurückgerutscht. So schnell kann es gehen. Jedenfalls ist es gut, dass man nach einem Fehler wieder Zeit gut machen kann, weil die WM-Rallyes so lang sind. Es ist schon fühlbar, dass es hier mehr auf den Menschen und das Material ankommt."

Frage: "Was würdest du als den schwierigsten Punkt in Portugal herausstreichen?"

Wiegand: "Schwierig war das hundertprozentige Vertrauen in den Aufschrieb, weil man bei den vielen blinden Kurven es oft nur mit dem Popo gefühlt hat. Ich musste mir selbst sagen: 'Das Recce war okay, ich habe einen guten Aufschrieb und ich kann blind nach meinem Aufschrieb fahren'. Es gab wirklich viele blinde Kuppen und Kurven. Das Vertrauen in sich selber war aufgrund der Strecken das Schwierigste."

Wiegand auch auf Schotter schnell

Frage: "Du bist am Samstag auch einen Cross-Mix mit harten und weichen Reifen gefahren."

Wiegand: "Genau. Grundsätzlich war das am ersten Tag eine sehr gute Wahl. Man kann den zusätzlichen Grip richtig spüren. Das geht aber nur am Anfang, wenn die WPs nicht ganz so brutal sind. Eigentlich kann man es nur im ersten Durchgang verwenden. Es soll auch nicht besonders warm sein. Wir haben das gleiche Spiel auch am zweiten Tag probiert, aber es hat nicht funktioniert und war ein Rückschritt."

"Die Außentemperaturen waren zu warm. Die Strecke war auch etwas anders, weil der Boden etwas felshaltiger war. Dadurch hatten wir nicht genug Grip. Es kommt also auch auf die Strecken an. Ich glaube, dass man im Recce schon vormerken muss, wo man so fahren kann. Man muss anhand von Temperaturen und Bodenbeschaffenheit entscheiden."

Frage: "Wenn alles glatt gelaufen ist, konntest du das Tempo von Lappi halten. Er ist teilweise ein sehr hohes Tempo gefahren. Für dich war das positiv."

Wiegand: "Auf jeden Fall. Im Vorfeld war es ein kleines Fragezeichen, wie schnell Lappi und Kubica sein werden. Wir haben schon gezeigt, dass wir den Speed der Besten in der WRC2 mitgehen können. Das hat mich natürlich schon gefreut, weil ich seit Schweden lange nicht im Auto gesessen bin. Es war auch meine erste Schotter-Rallye in diesem Jahr. Meine letzte Schotter-Rallye davor war Zypern. Portugal war meine erst vierte Schotter-Rallye überhaupt. Es stimmt einen natürlich positiv, wenn man vorne mithalten kann. Für die nächste Schotter-Rallye weiß ich, dass es geht, und wir nur noch an Details arbeiten müssen."

Die Meisterschaft ist möglich

Frage: "Unter dem Strich kann man sagen, dass du wieder viel gelernt hast."

Wiegand: "Genau. Ich habe auf jeden Fall viel gelernt. Ich werde auch sicher nicht mehr den gleichen Fehler wie in der kurzen 'Lisboa'-Stage machen. Auf drei Kilometern macht es keinen Sinn, zu pushen. Man muss großes Risiko gehen und kann mehr verlieren als gewinnen. Wenn ich eine gute Zeit gefahren wäre, dann hätte ich vielleicht zwei oder drei Sekunden gewinnen können. Im Endeffekt habe ich aber zwei Minuten verloren. Das war auf jeden Fall ein wichtiger Lernprozess für die Zukunft: Ich werde nur attackieren, wo es wirklich Sinn macht."

"Ansonsten war es eine wertvolle Erfahrung, wenn man eine 52 Kilometer lange Prüfung fährt. Von daher haben wir viel gelernt. Auch beim Fahrstil habe ich gemerkt, dass ich die Erkenntnisse von Zypern umsetzen konnte. Ich bin etwas aggressiver gefahren und bin mehr den richtigen Schotter-Stil gefahren. Ich merke auch für mich, dass sich mein Fahrstil geändert hat. Ich kann fühlen, dass ich Fortschritte mache. Das ist sehr positiv."

Frage: "Wenn man auf den WM-Stand der WRC2 blickt, dann sieht es auch sehr positiv für dich aus."

Wiegand: "Es war mir sehr wichtig, dass ich in den letzten Prüfungen ins Ziel gekommen bin, um die Punkte mitzunehmen. Ich freue mich natürlich, wenn ich auf die Wertung schaue und sehe, dass wir die Führung ausgebaut haben. Teilweise haben Leute hinter mir eine Rallye mehr absolviert. Das ist natürlich positiv. Ich muss mich darauf konzentrieren, bei jeder Rallye ganz nach vorn zu fahren, weil ich glaube, dass es möglich ist die Meisterschaft zu gewinnen."

"Alles in allem habe ich in Portugal wieder viel gelernt. Ich habe gesehen, dass ich schnell bin, aber auch, dass man schnell wieder viel verlieren kann. Es war ein Auf und Ab. Wichtig war, dass ich die Punkte mitgenommen habe. Damit können wir zufrieden sein."

Frage: "Wann wirst du das nächste Mal im Skoda Fabia sitzen?"

Wiegand: "Unsere nächste Rallye wird Sardinien sein."

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