Der DMSB hat ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheit auf der Nürburgring-Nordschleife beschlossen: Tempolimits ab 2016 wieder Geschichte
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In der Saison 2016 wird es im Motorsport auf der Nürburgring-Nordschleife zahlreiche Neuerungen geben, die sicheren und fairen Motorsport auf dieser weltweit einzigartigen Strecke auch in Zukunft ermöglichen sollen. Das Präsidium des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB) hat die Umsetzung eines umfangreichen Pakets an Maßnahmen beschlossen, die von vier Arbeitsgruppen seit dem Frühjahr erarbeitet worden waren. Dazu gehören insbesondere eine Verbesserung des Zuschauerschutzes in verschiedenen Streckenabschnitten und eine deutliche Reduzierung der Performance der Top-Fahrzeuge.
Daneben sollen geänderte Fahrvorschriften, ein überarbeiteter Strafenkatalog sowie neue Vorgaben für den "Nordschleifenführerschein" (DMSB-Permit-Nordschleife - DPN) die Disziplin im Renngeschehen positiv beeinflussen. Die nach einem tragischen Unfall beim Auftakt der Langstreckenmeisterschaft Nürburgring (VLN) ergriffenen Sofortmaßnahmen - etwa die Einrichtung von Tempolimit - können damit ab 2016 aufgehoben werden.
"Das jetzt verabschiedete Paket beruht auf einem Prozess, an dem viele Experten beteiligt waren", beschreibt DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck. "Die Technik- und Reglementsspezialisten des DMSB haben mit dem Rennstreckenbetreiber, Serien- und Rennorganisatoren, Vertretern der Streckensicherung am Nürburgring, Fahrervertretern und Fahrzeugherstellern kooperiert, um viel Know-how einfließen zu lassen und zugleich einen großen Konsens zu finden. Das ist uns gelungen, und für dieses tolle Engagement danke ich allen Beteiligten."
"Wir haben nun eine breite Basis zur Umsetzung der Beschlüsse, auch wenn naturgemäß nicht alle Anregungen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen zu 100 Prozent verwirklicht werden konnten. Der DMSB steht für sicheren und fairen Motorsport - und wir sind sicher, dies durch die Umsetzung des umfangreichen Maßnahmenpakets für die Nordschleife auch in Zukunft gewährleisten können", so Stuck weiter.
Das Maßnahmenpaket im Detail
In den vier Arbeitsgruppen (AG) "Sportreglement?, "Fahrer?, "Technik? und "Strecke? wurde seit April 2015 intensiv an einem Maßnahmenpaket gefeilt. Herausgekommen sind zahlreiche Einzelschritte, die im Zusammenspiel dafür sorgen, dass es auf der Nordschleife auch weiterhin spektakulären Sport mit attraktiven Fahrzeugklassen geben wird.
Nürburgring: Zusätzliche Sicherheitszonen
Bereits in die Umsetzungsphase gegangen sind Maßnahmen der capricorn Nürburgring GmbH. Der Rennstreckenbetreiber hat in der AG Strecke gemeinsam mit Sicherheitsexperten eine detaillierte Planung erarbeitet, die mit der Streckenkommission des Motorsport-Weltverbandes FIA abgestimmt wurde. Ihre Umsetzung stellt sicher, dass die Streckenlizenz auch weiterhin für Top-Fahrzeugklassen wie die GT3-Kategorie gilt.
Um diese Basis für den hochklassigen Rennbetrieb zu schaffen, wird bis zum Saisonbeginn 2016 eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, die für Fahrer und Zuschauer zu mehr Sicherheit führen. Neben der Beseitigung von Bodenwellen gehören dazu die Einrichtung von zusätzlichen Sicherheitszonen sowie die Installation zusätzlicher Leitplanken und FIAZäune an bestimmten Stellen. Ergänzende Maßnahmen sind in den kommenden Jahren geplant.
Top-Fahrzeuge: Leistung wird reduziert, Aerodynamik eingeschränkt
In der Arbeitsgruppe mit Vertretern von Automobilherstellern haben die Technikexperten des DMSB die Performance der Top-Klassen im Blick gehabt. In den Klassen SP7, SP-9/GT3, SP-Pro und SP-X wird die Motorleistung im Vergleich zum Saisonbeginn 2015 um zehn Prozent reduziert. Auch in puncto Aerodynamik werden diese Fahrzeuge eingeschränkt dazu gehören etwa Luftöffnungen in den vorderen Radhäusern und die Festlegung eines Mindest-Bodenabstands.
Gleichzeitig wird die Zulieferindustrie in die Pflicht genommen, ihren Anteil an der Leistungsreduzierung zu leisten: Reifenhersteller in diesen Top-Klassen müssen sich beim DMSB anmelden und sich dazu verpflichten, extreme Konstruktionen (so genannte Entwicklungsreifen) zu unterlassen. DMSB-Präsident Stuck dazu: "Die Hersteller von GT3-Fahrzeugen und die meisten Zulieferer aus der Reifenindustrie haben verstanden, dass auch sie einen Beitrag dazu leisten müssen, dass die Rundenzeiten nicht in jedem Jahr um mehrere Sekunden schneller werden."
"Spätestens der schreckliche Unfall zu Saisonbeginn hat gezeigt, dass eine Grenze erreicht war. Aus der Analyse des Unfallgeschehens haben wir alle, übrigens auch dank verschiedener Simulationsmodelle der Automobilhersteller, gelernt. Nun müssen es alle Beteiligten - Fahrer, Hersteller, Reifenindustrie, Rennstrecke, Veranstalter und DMSB - gemeinsam umsetzen", fordert Stuck.
DMSB-Permit-Nordschleife wird überarbeitet
Der Weg zur speziellen Nordschleifen-Zulassung, die sicherstellen soll, dass bei Langstreckenrennen auf der schwierigsten Rennstrecke der Welt nur erfahrene Piloten an den Start gehen, wird in Zukunft klarer definiert und gleichzeitig unbürokratischer. Die DPN wird auch weiterhin in zwei Stufen (A und B) erteilt, die zur Teilnahme mit Fahrzeugen unterschiedlicher Leistungsklassen berechtigen (Stufe B: mehr als 4,5 Kilogramm Fahrzeuggewicht/PS, Stufe A: weniger als 4,5 Kilogramm/PS).
Zur Stufe B gelangen Piloten künftig durch die Teilnahme an einer Mindestzahl von Leistungsprüfungen in der Rundstrecken-Challenge Nürburgring (RCN) oder durch die Teilnahme an einem DPN-Fahrerlehrgang. In beiden Fällen muss wichtiges Basiswissen durch das Absolvieren von E-Learning-Lektionen der DMSB-Academy erworben werden. Eine DPN der Stufe A können Inhaber der DPN-Stufe B beantragen, wenn sie eine Mindestanzahl von Rennen (VLN/24-Stunden-Qualirennen) gefahren sind. Die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen ist Fahrern mit einer DPN der Stufe A vorbehalten.
Fahrvorschriften präzisiert
Verfeinert wurden im Rahmen der breiten Diskussion in der AG Fahrer die Fahrvorschriften für die Nordschleife sowie der für Verstöße geltende Strafenkatalog. Dabei geht es insbesondere um das korrekte Verhalten in Gefahrensituationen. Von der gelben über die doppelte gelbe Flagge bis hin zu einer "Code-60"-Zone gilt künftig ein dreistufiges System - Piloten, die in diesen Zonen die maximale Geschwindigkeit überschreiten, drohen spürbare Sanktionen. Neben Zeitstrafen kann dies in schweren Fällen bis hin zum Entzug der DPN und einem Sportgerichtsverfahren reichen.
Ein zentrales Register des DMSB erfasst zudem schwere Verstöße und hilft dabei, zu offensive Fahrer zu identifizieren. Dem verschärften und präzisierten System von Sanktionen wurde bewusst eine verbesserte Aus- und Fortbildung gegenübergestellt. So bereiten die obligatorischen E-Learning-Module zur Erlangung des DPN Stufe A etwa auf streckenspezifische Besonderheiten vor. Piloten der VLN müssen vor der ersten Teilnahme an einem VLN-Rennen in einem jährlichen Wissenstest ihr Know-how auffrischen. Diese Maßnahmen sollen zu einer höheren Disziplin und noch mehr Fairness auf der Nordschleife führen.