Vorschau auf die 24 Stunden vom Nürburgring: Gelingt Audi mit dem neuen R8 die erfolgreiche Titelverteidigung oder kann die Konkurrenz die Ingolstädter bezwingen?
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Am nächsten Wochenende wird die Eifel wieder einmal zum Nabel der Motorsportwelt, denn zum 43. Mal heißt es: 24 Stunden vom Nürburgring. Mit 156 gemeldeten Fahrzeugen hat das Starterfeld im Vergleich zu früheren Jahren zwar weniger Masse, dafür aber unvermindert viel Klasse. GT3-Fahrzeuge von sieben verschiedenen Hersteller, einige schnelle Exoten, aber vor allem das große Feld der kleineren Klassen versprechen spannenden Motorsport - rund um die Uhr.
"24 Stunden sind unglaublich lang. Die Gefühle, die man dabei erlebt, sind unglaublich intensiv", sagt Rowe-Mercedes-Pilot Maro Engel im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com.' "Es gibt Freude und Glück, aber unweigerlich geht irgendwas auch immer schief. Es gibt immer wieder Rückschläge, mit denen man kämpfen muss."
Der Kampf um die Krone am "Ring" findet in diesem Jahr allerdings unter veränderten Vorzeichen statt. Nach dem schweren Unfall von Nissan-Pilot Jann Mardenborough beim ersten VLN-Lauf, bei dem ein Zuschauer getötet wurde, dürfen die Piloten in Autos der Top-Klassen in diesem Jahr auf der Nordschleife nicht mehr überall nach Lust und Laune Gas geben. Für die Streckenabschnitte Flugplatz und Schwedenkreuz mit ihren Kuppen gilt ein Tempolimit von 200 km/h, auf der Döttinger Höhe ist bei Tempo 250 Schluss. Zudem wurde die Motorleistung der GT3-Autos um fünf Prozent gesenkt.
Tempolimit sorgt für Bedenken
"Die Tempolimits waren absolut nötig, sonst wäre kein einziges GT3-Auto am Start gewesen. Das darf keiner vergessen", stellt BMW-Pilot Dirk Adorf gegenüber 'Motorsport-Total.com' diese Maßnahme als alternativlos dar. Und beim zweiten VLN-Lauf sowie beim Qualifikationsrennen habe sich diese bewährt. "Es ist eigentlich ganz ordentlich umzusetzen, weil es eigentlich immer in Beschleunigungsphasen reingeht. Es muss nicht abgebremst werden, das macht es einfach und ungefährlich."
Doch diese Ansicht teilen längst nicht alle Fahrer. "Wenn man alleine ist, ohne Verkehr, ist das alles easy und wunderbar", sagt Audi-Pilot Pierre Kaffer gegenüber 'Motorsport-Total.com' "Wenn aber Autos vor einem und ein paar GT3-Auto hinter einem sind, ist es über die Zeit schon eine Aufgabe, sich auf das drumherum zu konzentrieren."
Ähnliche Sorgen hat auch Engel: "Ich habe noch etwas Bedenken, ob das nicht einen neuen Gefahrenherd heraufbeschwört", sagt er. "Der Fahrer muss auf deutlich mehr achten. Er hat die Augen nicht mehr permanent auf der Rennstrecke oder in den Spiegeln, sondern muss an gewissen Punkten zusätzlich die Geschwindigkeit im Auge behalten." Und auch die Überwachung der Tempolimits habe beim zweiten VLN-Lauf offenbar noch nicht reibungslos funktioniert. "Was mich gewundert hat, war die Tatsache, dass es trotz eines Tempolimits von 250 km/h auf der Döttinger Höhe im Bereich Antoniusbuche Überholmanöver gegeben hat", so der Mercedes-Pilot.
Audi in der Favoritenrolle
Doch auch mit diesen Einschränkungen ist in diesem Jahr erstklassiger GT-Sport garantiert. Dafür sorgt alleine schon das Feld von über 20 Fahrzeugen der Klassen SP 9, SP-Pro und SP-X. Und hier hat sich beim zweiten VLN-Lauf ein klarer Favorit herauskristallisiert. "Ich glaube, dass der neue Audi sehr stark sein wird", sagt Adorf. "Ich drücke Audi ganz klar den Favoritenstempel auf, sie können eigentlich nur verlieren. Alles andere als ein Sieg, wäre eine Niederlage für sie."
Nach dem Sieg im vergangenen Jahr rüstet Audi 2015 auf uns setzt vier R8 LMS der zweiten Generation ein. Für Phoenix starten die Titelverteidiger Christopher Haase/Christian Mamerow/Rene Rast/Markus Winkelhock sowie Marc Basseng/Marcel Fässler/Mike Rockenfeller/Frank Stippler. Hinzu kommen zwei neue R8 LMS des belgischen WRT-Teams, das seit vielen Jahren eine feste Größe im GT-Sport ist.
Hier lauten die Fahrer-Quartette Mies/Sandström/Nico Müller/Vanthoor und Thiim/Joens/Kaffer/Vanthoor. WRT waren es auch, die mit einem Doppelerfolg beim zweiten VLN-Rennen Audi in die Favoritenrolle gebracht hatten. "Die Pace, die sie gehen konnten, war schon sehr schnell. Und so wie ich unsere Freunde aus Ingolstadt kenne, haben sie noch nicht alles gezeigt", meint Maro Engel. "Daher werden sie mit Sicherheit diejenigen sein, die es zu schlagen gilt."
BMW will mit Erfahrung und Konstanz punkten
Pierre Kaffer hingegen gibt zu bedenken, dass die starke Vorstellung in der VLN nicht nur der eigenen Stärke, sondern auch den Fehlern der Konkurrenz bei wechselhaften Wetterbedingungen geschuldet war. "Von außen sah das alles sehr beeindruckend aus, aber andere haben auch gepatzt", sagt er, kommt aber nicht umhin anzuerkennen. "Von der Papierform her, sollte man davon ausgehen, dass wir um das Podium beziehungsweise den Sieg mitreden können."
Doch das will auch BMW, die mit dem bewährten Z4 GT3 und den erfahrenen Teams Schubert und Marc-VDS an den Start gehen. Dort möchte sich Adorf, der sich den BMW mit der Startnummer 26 mit Augusto Farfus, Jörg Müller und Nicky Catsburg teilt, endlich den Traum vom Sieg bei den 24 Stunden vom Nürburgring erfüllen. "Bisher fehlte mir die nötige Portion Glück, die man braucht, um das Rennen zu gewinnen", sagt der Westerwälder.
Und Adorf weiß, wie der Sieg in diesem Jahr gelingen kann. "Wir müssen vor allem rennstrategisch stark sein - denn Überholen auf Strecke wird für uns ganz ganz schwer", sagt Adorf. Denn der BMW ist vor allem in den Kurven schnell, dafür aber bei Beschleunigung und Top-Speed einigen Kontrahenten unterlegen. Dennoch glaubt Adorf: "Wenn wir das Glück haben, das uns im vergangenen Jahr gefehlt hat, können wir über ein konstant gutes, schnelles Rennen über die Distanz unsere Erfahrung ausspielen, die andere vielleicht noch nicht haben."
Rowe Mercedes: Engel will den Gesamtsieg
Über reichlich Erfahrung auf der Nordschleife verfügen auch die Mercedes-Mannschaften. Hier schicken Black Falcon und Rowe je zwei SLS AMG GT3 ins Rennen. Stark besetzt ist auch der Flügeltürer der Haribo-Mannschaft sowie das Auto des Zakspeed-Teams. Dort fahren mit Sebastian Asch und Luca Ludwig die Söhne zweiter DTM-Legenden, hinzu kommen der aktuelle DTM-Pilot Christian Vietoris und WTCC-Ass Tom Coronel.
Auch im Mercedes-Lager will man in diesem Jahr zum ganz großen Schlag ausholen. "Unser Ziel ist schon, um den Gesamtsieg zu fahren", sagt Engel, der im vergangenen Jahr mit Rowe Dritter geworden war. "Wir wissen aber, dass vieles passen muss, damit man am Sonntag um 16 Uhr auf dem Podest ganz oben steht."
Einer der Geheimtipps im Lager der GT3-Fahrzeuge ist Bentley. Der britische Hersteller tritt in diesem Jahr erstmals beim 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring an und hatte mit starken Zeiten bei den VLN-Läufen aufhorchen lassen. "Es ist auf jeden Fall ein Auto, das man auf der Rechnung haben muss", meint Engel. Das gilt besonders für die Startnummer 84, auf der mit Jeroen Bleekemolen, Lance David Arnold, Christian Menzel und Christopher Brück vier Nordschleifen-Asse gemeldet sind.
Glickenhaus: schön und schnell, aber auch standfest?
Außenseiterchancen haben auch die Porsche-Mannschaften Frikadelli und Falken. Bei Frikadelli wird die Stammbesatzung Sabine Schmitz, die am Wochenende parallel auch beim Rennen der WTCC an den Start geht, und Patrick Huisman von den Werksfahrern Patrick Pilet und Jörg Bergmeister unterstützt. Für Falken fahren wie im Vorjahr Wolf Henzler/Peter Dumbreck/Martin Ragginger/Alexandre Imperatori, die nach Platz vier im Jahr 2014 in diesem Jahr auf das Podium wollen.
Pierre Kaffer hat jedoch noch einen weiteren Hersteller auf der Rechnung: "Die Aston Martin sind sehr schnell, hatten aber all die Jahre immer mal wieder ein kleines Problem. Wenn die mal fehlerfrei durchkommen, sind die auch mit dabei." Das gilt für allem für die Startnummer 007 mit der Top-Besatzung Stefan Mücke/Darren Turner/Pedro Lamy.
Schön und schnell sind auch die beiden SCG 003c der Scuderia Glickenhaus. Nach dem P4/5, der vor einigen Jahren zum Publikums-Liebling wurde, schickt US-Milliardär James Glickenhaus in diesem Jahr zwei neue, spektakuläre Renner auf die Nordschleife, die mit ihrem aggressiven Design fast schon an ein LMP1-Auto erinnern. Schnell ist der SCG 003c, was Startplatz vier beim Qualifikationsrennen zeigte. "Ich kann mir vorstellen, dass die am Anfang mit dabei sind, denke aber nicht, dass sie über 24 Stunden vorne sind", meint Kaffer. "Über 24 Stunden wird an BMW, Mercedes und Audi kein Weg vorbeigehen."
Viele spannende Autos in den kleinen Klassen
Neben den Spitzenteams gibt es am Nürburgring aber auch viele unbesungene Helden, denn erst durch das Heer der Teilnehmer aus den kleineren Klassen wird das 24-Stunden-Rennen zu dem, was es ist: dem (gemessen an der Teilnehmerzahl) größten Rennen der Welt. Autos wie der von Hyundai Deutschland eingesetzte i30 sind auf der Nordschleife das Salz in der Suppe. Und um die Siege in den Klassen wird nicht weniger hart gekämpft wie um den Gesamtsieg.
Los geht die Action am Nürburgring am Donnerstag um 15:45 Uhr mit dem Freien Training. Am Abend folgt dann um 19:25 Uhr das erste Qualifying. Am Freitag findet um 9:30 Uhr ein weiteres Qualifying statt, bevor dann um 17:10 Uhr im spektakulären Top30-Qualifying die besten Startplätze vergeben werden.
Ein Warmup findet am Samstag wegen des vollen Rahmenprogramms, bei dem mit der WTCC zum ersten Mal seit über 30 Jahren wieder eine Weltmeisterschaft auf der Nordschleife fährt, nicht statt. Start zum Rennen ist am Samstag um 16 Uhr, 24 Stunden später fällt die Zielflagge. Motorsport-Total.com berichtet an allen vier Tagen mit News, Interviews und einem Live-Ticker von vor Ort.