Die Anfänge der WTCC im Rückspiegel: Wer sich beim ersten Rennwochenende der damals neuen WM durchsetzte und wie die neue Meisterschaft bewertet wurde
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2:14.726 Minuten. Diese Zahlen gingen als erste Bestzeit in die Geschichte der modernen WTCC ein. Gefahren wurde diese Rundenzeit am 9. April 2005 in Monza, beim Saisonauftakt-Rennwochenende, und von keinem Geringeren als dem späteren Weltmeister Andy Priaulx. Doch nicht er war es, der der jungen Meisterschaft bei ihrem Debüt seinen Stempel aufdrückte, sondern sein BMW-Markenkollege Dirk Müller.
Der Deutsche sicherte sich im ersten WTCC-Qualifying die Pole-Position, nachdem Priaulx in beiden Freien Trainings jeweils den ersten Platz belegt hatte. "Ich freue mich wirklich sehr darüber, das erste WTCC-Rennen von Startplatz eins beginnen zu können", sagte Müller nach seinem Coup. "Es fühlt sich wirklich klasse an." Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte der BMW-Fahrer noch nicht, was noch kommen würde.
Denn am 10. April kam es noch viel besser: Vor rund 40.000 Zuschauer setzte sich Müller im ersten Rennen gleich an die Spitze und gab die Führung nicht mehr her. Pole-Position, schnellste Runde, Sieg - schon am ersten Rennwochenende schaffte Müller mit dem BMW 320i ein "Triple". Und das machte ihn schier sprachlos: "Ich kann es kaum glauben", meinte er. "Ich bin einfach nur hochzufrieden."
Beinahe hätte es zum "Doppelsieg" gereicht
Kein Wunder, schließlich verließ Müller das Autodromo di Monza nach dem zweiten Platz im zweiten Rennen als klarer WM-Tabellenführer. Den "Doppelsieg" hatte er nur um 0,530 Sekunden verpasst - James Thompson im Alfa Romeo 156 war vom zweiten Platz in der umgedrehten Startaufstellung nach vorn gefahren und hatte Müller sicher auf Distanz gehalten. Thompson reiste als WM-Zweiter ab.
Und im Gegensatz zu Müller ist Thompson einer der wenigen Fahrer, die bis heute in der WTCC aktiv sind: Neben dem britischen Tourenwagen-Routinier waren im April 2005 auch die aktuellen WTCC-Piloten Tom Coronel, Rob Huff und Gabriele Tarquini mit von der Partie. Sie hatten offenbar bereits damals ihren Spaß: "Ich denke, es war eine fantastische Show", sagte Thompson. "Da wird wohl jeder zustimmen."
Actionreich war das erste WTCC-Rennwochenende nach der Neugründung der Rennserie (schon 1987 hatte es einmalig eine Weltmeisterschaft für Tourenwagen gegeben) allemal: Die Qualifikation war vorzeitig beendet worden, nachdem Alain Menu seinen Chevrolet Lacetti in den Lesmo-Kurven in den Banden versenkt hatte - eine Minute vor dem Ablauf der Zeit. Es ging auch damals bereits hoch her.
Und eng umkämpft war die Meisterschaft obendrein. "Ich bin mir sicher: Die Entscheidung fällt erst beim letzten Rennwochenende", meinte Alfa-Romeo-Fahrer Augusto Farfus noch am Sonntagabend in Monza. Er sollte Recht behalten: Beim Saisonfinale im fernen Macao sicherte sich Priaulx den Titel. Müller, als WM-Spitzenreiter angereist, war ohne Punkte geblieben und deshalb "nur" Zweiter geworden.