Mit einem Mygale-Ford-Sportwagen und rund 300 PS über den altehrwürdigen Salzburgring: Redakteur Stefan Ziegler wagte den Selbstversuch
© Foto: WTCC
Ob ich will? Was für eine Frage. Natürlich will ich! Man hat ja schließlich nicht jeden Tag die Chance, einen Sportwagen über eine Rennstrecke zu jagen. Und deshalb muss ich nicht lange überlegen, als mir Eurosport am Freitagabend vor dem Rennwochenende am Salzburgring die Möglichkeit gibt, den Selbstversuch zu wagen. 300 PS und ich - so ein Erlebnis kann ich mir doch nicht entgehen lassen!
Doch so schnell geht es nicht auf die Strecke. Bevor sich an der altehrwürdigen Rennbahn auch nur ein Rad dreht, ist erst einmal eine Fahrerbesprechung angesetzt. Mit mir sitzt eine kleine Gruppe von Personen aus der WTCC-Boxengasse am Tisch, um sich in unser kleines Abenteuer einweisen zu lassen. Bei ihnen kribbelt es genau so wie bei mir. Das ist mir klar, noch ehe das Briefing beginnt.
Und dann wird es erst einmal technisch. Unsere französischen Gastgeber nennen uns zunächst ein paar Rahmendaten zu den Autos, die wir bereits im Fahrerlager bestaunt haben. Es sind Sportwagen aus dem Hause Mygale, wo unter anderem die Formel-BMW-Fahrzeuge gebaut werden. Unsere "Babys" verfügen über einen rund 300 PS starken 2,5-Liter-Ford-Turbomotor. Und das klingt doch gut!
Nur nicht in den zweiten Gang schalten...
Als nächstes ist die Strecke dran, der Salzburgring. Ungeheuer schnell und an manchen Stellen sehr tückisch. Ich denke da sofort an die Fahrerlager-Kurve, in der ich bei meinem "Schnuppertag" als Streckenposten ein paar interessante Beobachtungen gemacht habe. Zum Beispiel, dass man es dort besser nicht übertreibt. Was übrigens auch ganz im Sinne der Veranstalter unserer Ausfahrt ist.
Denn jetzt kommen die Anweisungen: "Auf den Geraden könnt ihr Vollgas geben, aber beim 200-Meter-Schild vor den Kurven leitet ihr bitte den Bremsvorgang ein. Wartet bitte, bis das Lenkrad nach der Kurve wieder gerade steht, ehe ihr wieder Gas gebt. Sonst produziert ihr einen Dreher. Und bleibt bitte selbst in den Schikanen im dritten Gang. Im zweiten kriegt ihr die Leistung nicht auf den Boden."
Okay, so weit klar. Nun schauen wir uns das Ganze mal aus der Cockpitperspektive an. Und wir haben freie Wahl. Ich entscheide mich für den gelben Flitzer und steige ein. Naja, "einsteigen" wäre wohl übertrieben. Irgendwie gelingt es mir aber, im Fahrersitz Platz zu nehmen. Zum Glück kann ich den Sitz so weit vorstellen, dass ich die Pedale gut erreiche. Ich bin gerade groß genug für das Auto.
Endlich: Die Motoren werden angelassen
Unsere Einweiser beugen sich zu mir herein ins Cockpit und erklären die einzelnen Funktionen von Anlasser, Hebeln, Schaltwippen und Rückwärts-Kamera. Rückwärts-Kamera? Ja, allerdings. Um die Sicht nach hinten zu erleichtern, filmt das Auto, was in seinem Windschatten passiert. Am Monitor in der Mittelkonsole werden dann die Bilder gezeigt. Eine gute Idee, doch dazu später noch etwas mehr.
Einen Gang höher schalten, zurück in den Leerlauf, den Rückwärtsgang einlegen. All das wird uns Laien-Rennfahrern direkt im Cockpit gezeigt. Und bevor es losgeht, noch ein paar letzte Hinweise: "Wir fahren einmal in Formationsfahrt langsam um den Kurs, dann zurück in die Boxengasse:" Also gewissermaßen eine Installationsrunde. Danach sollen wir zeitversetzt und einzeln weitermachen.
Mit einer Einschränkung: "Auf der Strecke gilt ein Überholverbot. Ihr fahrt bitte hintereinander. Nur auf der Zielgeraden darf überholt werden. Und das auch nur nach Handzeichen unserer Mitarbeiter." Nun denn. Hebel umlegen, Starterknopf drücken. Dann erwachen 300 PS zum Leben. Und mit ihnen, so scheint es, das gesamte Auto. Es rumort und ruckelt in der Bude, und bei mir kribbelt es noch mehr.
Bitte, bitte, lass mich das Ding nicht abwürgen...
Vor diesem Augenblick hat es mir nämlich schon die ganze Zeit gegraut: Dem Anfahren in der Boxengasse. Und wenn das halbe Starterfeld der WTCC zusieht, wie sich Journalisten mal selbst am Rennfahren versuchen, will ich mir natürlich keine Blöße geben. Zumal Tom Coronel und Darryl O'Young grinsend die Flucht ergriffen haben, als ich ihnen von meiner bevorstehenden Fahrt erzählte.
Irgendwie gelingt es mir aber, das Auto in Bewegung zu setzen, ohne den Motor abzuwürgen. Und ich bin überrascht, wie viel Schub mir schon in der Boxengasse zur Verfügung steht. Weil ich aber als der Vorletzte unserer kleinen Gruppe auf die Strecke gehe, muss ich mich an das Tempo der Fahrer vor mir halten. Und unsere Kolonne ist schon bei der Installationsrunde flotter unterwegs als mir lieb ist!
Bei der Bremszone zur ersten Schikane habe ich aufgeschlossen, lenke ein und gebe anschließend zum ersten Mal richtig Gas. Der erste Aha-Moment: Da geht richtig was! Per Schaltwippe haue ich die Gänge rein und spüre jedes Mal, wie es mich kurz in den Sitz drückt. Beim Runterschalten an der Nockstein-Kehre bin ich dann wiederum froh über den Sechspunkt-Gurt, der mich sicher festhält.
Jetzt geht's so richtig los!
Und dann geht es den Hügel hinauf, die lange Gegengerade entlang. Ich habe aber viel zu viel Respekt vor diesem Auto, um Vollgas zu geben. Meine Vorderleute scheinen indes kein Problem mit der Geschwindigkeit zu haben. Sie ziehen mir etwas davon. Und ich stehe vor dem Dilemma: Soll ich über meinen Schatten springen und mitziehen oder die Sache ruhig angehen? Letzteres, entscheide ich.
Und so warten die Anderen schon ein paar Sekunden, als ich wieder in die Boxengasse zurückkehre. Das ist aber kein Problem, denn im Abstand von etwa zehn Sekunden geht es einzeln auf die Bahn. Als die Autos vor mir nach und nach ihre Reise antreten, übe ich gleich das Anfahren und rolle auf die jeweils nächste Position, sammle Selbstverstrauen. Nur um meinen "Start" zu versauen: abgewürgt!
Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Schöner Anfängerfehler. Jetzt also noch einmal von vorn: Hebel umlegen, Starterknopf drücken, Gang einlegen. Und dann versuche ich, die schwergängige Kupplung so kommen zu lassen, dass ich mit etwas Gas vorangelange. Ein triumphierendes Lächeln ist es jetzt, was über mein Gesicht spielt, denn jetzt hat es geklappt. Und mein Abenteuer beginnt.
Die erste Runde, und ich werde überholt
300 PS und ich. Die nächsten fünf Runden gehören mir ganz alleine, also will ich sie auch genießen. Auf dem ersten Umlauf will ich aber nichts über's Knie brechen. Ich versuche erst einmal, vor den Schikanen und Kurven die richtigen Bremspunkte zu treffen und die Linie zu finden. Auch wie sich die Continental-Profilreifen verhalten, weiß ich nicht. Dinge, die ich nicht bei Topspeed herausfinden will.
Und als ich mich dann mit viel Respekt der langgezogenen Fahrerlager-Kurve nähere, taucht schon mein Hintermann im Kamerabild auf. Sorry, aber da muss er jetzt noch durch, bis wir wieder auf der Zielgeraden sind. Dort bleibe ich ganz rechts und lasse ihn ziehen. Um dann meinerseits erstmals richtig auf die Tube zu drücken. Wie schnell ich bin, weiß ich nicht, aber es fühlt sich absolut irre an.
Das 200-Meter-Schild kommt rasch näher, also bremse ich das Fahrzeug ab. Der nächste Aha-Moment: Wenn du bremst, dann tu es richtig. Es reicht nämlich gerade so, um das Auto durch die Schikane zu zwingen. Da war ich wohl ein bisschen zu enthusiastisch. Was durch die Euphorie, die ich im Rennwagen verspüre, aber auch kein Wunder ist. "Drück drauf, drück drauf", scheint sie zu schreien.
Das tue ich dann auch, auf der Gegengeraden. Lenkrad gerade und Vollgas. Ich drehe den Motor beim Hochschalten aber nicht voll aus, sondern schalte bewusst etwas eher. Just to make sure. Das Auto fliegt jedoch auch so ganz schön dahin, über diese herrliche Naturstrecke, am Hang entlang, links über der Boxenanlage. Bis zum 200-Meter-Schild, an dem man eigentlich nicht bremsen will.
Ich tue es trotzdem, hallo Fahrerlager-Kurve, und schleiche lieber um diese Passage, als dort im Kiesbett zu landen. Abwürgen ist ja okay, aber abfliegen? Eben! Und so bremse ich die Kehre am Ende der Fahrerlager-Kurve sehr früh an und genieße die Neigung der Fahrbahn, die mich zurück zur letzten Schikane und der Zielgeraden führt. Und schon wieder sitzt mir ein Verfolger im Nacken!
Gleiches Spiel noch einmal: Ich fahre rechts, er zieht links vorbei, ich gebe wieder Gas. Und dieses Mal erwische ich die erste Schikane deutlich besser. Ich habe sogar die Zeit, mich noch darüber zu wundern, warum es knattert und knirscht. Dass ausgangs der Schikane mittlerweile reichlich Kies auf der Fahrbahn liegt, hatte ich beim Einlenken kaum registriert. Jetzt poltern die Steinchen am Unterboden.
Mit 200 km/h über die Gegengerade
Ich bin daher besonders vorsichtig, als ich wieder gen Nockstein-Kurve beschleunige. Und in meiner bereits dritten Runde will ich an deren Ausgang mal richtig früh am Gas sein. Das gelingt. Weshalb ich mit einem absoluten Hochgefühl und mit etwa 200 km/h (wie ich mir später habe sagen lassen) wieder den Hügel hinaufdüse. Entspannt bin ich trotzdem nicht. Das geht wirklich alles so verflixt schnell!
Wie schaffen es Rennfahrer nur, alles um sie herum auszublenden und sich nur auf das Auto und sich selbst zu konzentrieren? Das frage ich mich, als ich die vergleichsweise enge Strecke vor mir habe, links und rechts die Leitplanken, unter mir ein schnelles Auto. Und dann ist da schon wieder das 200-Meter-Schild und der Rausch der Geschwindigkeit legt sich, als ich das Fahrzeug erneut herunterbremse.
Ja, es ginge deutlich schneller in der Fahrerlager-Kurve. Und nein, ich werde es nicht ausprobieren. Ganz sicher nicht. Dafür bin ich einfach nicht genug Rennfahrer und nicht genug versiert. Deshalb lasse ich es bleiben, fahre lieber vorsichtig weiter. Auf der Geraden ist erstmals keiner hinter mir. Deshalb drücke ich gleich richtig drauf und sause schneller als jemals zuvor über den Salzburgring.
Es kracht: Einer meiner Vorderleute verunfallt
Meinen Bremspunkt an der ersten Schikane habe ich wohlweislich ein bisschen vorverlegt. Und ich ertappe mich tatsächlich dabei, mich etwas darüber zu ärgern, dass ich bei der Anfahrt zur Schikane etwas Zeit habe liegenlassen, wie es die Rennfahrer nennen. Da wäre noch Luft gewesen. Aber gut: Besser so als viel zu spät. Runter zur Nockstein-Kehre, wo ich dieses Mal eine weite Linie fahre.
Das klappt gut, ich komme prima raus, schieße schon wieder über die Gegengerade, "schleiche" durch die Fahrerlager-Kurve. Und dann sehe ich es: Einer meiner Vorderleute, er hatte mich wenige Minuten zuvor noch überholt, steckt mit dem Heck voran in den Leitplanken der Schikane. Später erfahre ich: Er hatte in den zweiten Gang geschalten, zu viel Gas gegeben, das Auto verloren.
Ich fahre ganz langsam vorbei an der Unfallstelle und biege wieder ein auf die Zielgerade. Dort bekomme ich das Zeichen: letzte Runde. Ich genieße noch einmal, aber das Bild aus der Schikane ist prägend für die restlichen Minuten. "Keep it on the black stuff." Die letzte Runde wird also nicht als meine schnellste in meine Salzburgring-Geschichte eingehen. Aber vielleicht als die eindrucksvollste.
Die letzten Meter: Nochmals genießen!
Ich versuche nämlich, wie es sich für einen Journalisten auf Reportage-Reise gehört, noch einmal möglichst viel von dem aufzusaugen, was ich erlebe. Die Cockpitperspektive und die Geräusche im Auto zum Beispiel. Die Konzentration am Bremspunkt und beim Einlenken. Die Euphorie, die mich auf der langen Geraden überfällt und zu noch mehr Tempo überreden will. Der Respekt vor den Kurven.
Und dann ist es zu Ende. Ich fahre zurück in die Boxengasse und stelle mein Auto am Ende der Reihe ab. Ganz kurz genieße ich noch das Wummern des Motors, dann lege ich den Hebel um. Und alles Leben weicht aus dem Auto. Es ruckelt nicht mehr, es knattert nicht mehr, alles still. Eine interessante Stille. Ich breche sie, als ich mit einem Klacken meine Gurte löse. Und dann wird auch schon die Türe geöffnet.
"Hat's Spaß gemacht?", werde ich von den Gastgebern gefragt. Spricht mein fettes Grinsen nicht für sich?, denke ich mir, sage aber: "Und wie! Eine sehr spannende Erfahrung, vielen Dank!" Um dann, wenig elegant, aus dem Auto herauszuklettern. Irgendwie klappt das auch. Und so stehe ich da in der Boxengasse am Salzburgring. Einmal Journalist wird Rennfahrer und zurück in einer Viertelstunde...