Analyse: Das Honda-Debüt unter der Lupe

, 30.10.2012

Zweimal WM-Punkte für den Honda Civic beim Debüt in der WTCC: Was sind die Stärken und Schwächen des Autos, wo herrscht Nachholbedarf?

Aller Anfang ist schwer. Und doch gelang es Honda, schon beim Einstand in der WTCC in die Punkte zu fahren. Tiago Monteiro kam beim Rennwochenende in Suzuka auf den Positionen neun und zehn über die Linie, nachdem er sich für Startplatz elf qualifiziert hatte. Keine Glanzleistung, aber ein erster Schritt. Und deshalb zeigten sich die Verantwortlichen der neuen Werksteams auch sehr zufrieden.

Am wichtigsten war Honda-Chefingenieur Daisuke Horiuchi, "dass wir unsere beiden ersten Rennen beendet haben". Und dabei seien "keine größeren Probleme" aufgetreten. "Das Auto und damit auch der Motor haben prima funktioniert. Trotzdem liegt noch einiges an Arbeit vor uns. Wir müssen uns verbessern", meint der Japaner, während Honda-Teamchef Alessandro Mariani viel Positives sieht.

"Wir sind hier, um zu lernen. Und solche Erfahrungen müssen wir sammeln", sagt der Italiener. "Natürlich braucht dieses Fahrzeug noch eine Menge Entwicklungsarbeit. Das Auto war aber schon sehr zuverlässig und von den Rundenzeiten her auch sehr konstant. Wir sind daher recht zufrieden. Für uns war es einfach sehr wichtig, gleich bei unserem ersten Auftritt in die Punkte zu fahren."

Noch dazu, wo das Renndebüt des Teams doch just auf der Honda-Strecke Suzuka vonstatten ging, die 2012 ihr 50-jähriges Jubiläum feiert. Und der Honda Civic, der als Basis für das neue Rennauto dient, wurde vor exakt 40 Jahren in seiner ersten Generation auf den Markt gebracht. Offiziell redet im Team zwar niemand über den Erfolgsdruck, doch ein solcher dürfte sicher gespürt worden sein.

Entsprechend groß war die Erleichterung, als Monteiro in beiden Rennen die Zielflagge gesehen hatte. "Unser Einsatz hat sich schon einmal bezahlt gemacht", sagt Teamchef Mariani. "Dass wir auf Anhieb in die Punkte gefahren und nicht weit hinter den Siegerautos über die Linie gekommen sind, war ein gutes Ergebnis. Und unsere Rundenzeiten waren gut und konstant. Wir haben uns bewiesen."

An einem Rennwochenende, das bereits vielversprechend begonnen hatte. Monteiro reihte sich in der Testsession am Freitag in 54,147 Sekunden auf Position neun ein - 1,018 Sekunden hinter der Spitze. In den Freien Trainings am Samstagmorgen gab's die Plätze vier und fünf bei 0,333 beziehungsweise 0,445 Sekunden Rückstand. Besser waren die Rundenzeiten des Honda Civic aber nicht geworden.

Das Qualifying lief nicht nach Wunsch

Erst in der Qualifikation erfolgte eine Steigerung: Monteiro brauchte 53,443 Sekunden für seinen besten Umlauf in Q1, womit er sich auf Platz sieben einreihte und den Einzug in die zweite Runde schaffte. Mit einem Abstand von fast genau einer halben Sekunde auf die Führenden. Und mit Mühe und Not, denn Honda musste Monteiro gleich dreimal auf frischen Reifen auf die Strecke schicken.

"Die Qualifikation war sehr schwierig", meint Teamchef Mariani. "Tiago unterlief auf dem ersten Satz Reifen einen Fehler. Das hatte Folgen für den weiteren Verlauf der Einheit. Wir mussten nämlich auch die Pneus einsetzen, die wir für Q2 eingeplant hatten. Wir waren daher nicht, wo wir eigentlich sein wollten." Schon gar nicht in Q2, als Monteiro vier Zehntel langsamer war und nur Rang elf ergatterte.

"Eigentlich hatten wir eine Position in den Top 8 angepeilt", gesteht Mariani. Auf gebrauchten Reifen war aber nicht mehr drin als eine Zeit von 53,886 Sekunden, erneut eine Sekunde hinter der Spitze. Was der Honda-Teamchef aber nicht als Niederlage verstehen will: "Auf gewisse Weise ist damit doch alles in Ordnung, denn es war ja unser erstes Qualifying. Bei so wenig Erfahrung ist das normal."

Chefingenieur Horiuchi scheint das anders zu sehen. Der Japaner klingt enttäuscht: "Wir haben noch einiges an Arbeit vor uns. Denn nach dem Qualifying war mir klar: Die Teilnahme an der WTCC würde kein Zuckerschlecken werden. Wir hatten allerdings auch nicht allzu viel Zeit zur Vorbereitung . Und angesichts dessen haben wir schon ein recht gutes Niveau erreicht", erklärt Horiuchi in Suzuka.

Es mangelt an Tempo in den Kurven

Die Daten aus den einzelnen Sessions scheinen dies teilweise zu untermauern. Das reine Tempo des Honda Civics ist nämlich offenbar sehr gut. Beim Topspeed, der in Suzuka am Ende der Zielgeraden gemessen wurde, lag Honda meist nur sehr knapp unter den Werten der Konkurrenz von Chevrolet. 174,8 km/h zu 176,2 km/h - da fehlt nicht viel. In den kurvenreichen Sektoren zwei und drei aber schon.

In diesen Abschnitten hat der Honda Civic wohl am meisten Zeit verloren. Die Geschwindigkeitswerte unterstreichen dies: 139,7 km/h zu 147,5 km/h von Tom Coronel (ROAL-BMW), 132,5 km/h zu 141,9 km/h von Alex MacDowall (Bamboo-Chevrolet). Im Hinblick auf den nur 2,2 Kilometer kurzen Kurs von Suzuka eine Welt. Und für Honda die Erkenntnis, dass durchaus noch Optimierungsbedarf besteht.

Darüber können auch die positiven Rennergebnisse nicht hinwegtäuschen. Als Chevrolet im ersten Rennen vorneweg fuhr und ordentlich Dampf machte, kam Monteiro als Neunter mit 21 Sekunden Rückstand über die Linie. Neun Zehntel büßte er bei seiner schnellsten Rennrunde im Vergleich ein. Im zweiten Rennen waren es sieben Zehntel und auf dem zehnten Platz zehn Sekunden Rückstand.

Was Monteiro aber auch auf eine ziemlich defensive Fahrweise zurückführt: "Es fehlte uns ganz klar an Referenzdaten. Im Gegensatz zu den anderen Piloten wussten wir einfach nicht, wie sich die Reifen verhalten würden. Deshalb fuhr ich beim Start recht vorsichtig los. Später konnte ich das Tempo steigern. Und der Honda Civic hat gut darauf reagiert", berichtet der Honda-Werksfahrer.

Priorität hat die Entwicklung, nicht das Ergebnis

"Ich war vielleicht sogar schneller als meine Vorderleute, doch ich wollte keine Risiken eingehen. Es stand nämlich vieles auf dem Spiel - die ersten Punkte für Honda. Insgesamt bin ich zufrieden mit den Fortschritten, die wir an diesem Wochenende gemacht haben", sagt Monteiro. "Vor ein paar Wochen hatten wir noch gesagt: Es wäre großartig, in den Top 10 zu landen. Und da stehen wir nun."

Mehr als ein Anfang ist das aber nicht. Das sieht auch Monteiro so. "Das Auto fühlte sich in den Rennen schon recht gut an, viel besser als im Qualifying. Wir lernen aber noch immer dazu. Deshalb war es wichtig für uns, beide Rennen gut zu beenden. Das ist der erste Schritt", meint der Portugiese. "Wir werden weiter hart arbeiten, um in Schanghai und Macao noch mehr Erfahrungen zu sammeln."

Und jetzt, wo die ersten WM-Punkte eingefahren sind, dürfte dem Team zumindest diese Last von den Schultern genommen sein . Was das Erledigen der Hausaufgaben erleichtern sollte - und davon gibt es offenbar einige. "Bei den Testfahrten und natürlich bei unserem Renneinsatz haben wir einiges gelernt", sagt Monteiro. "Gutes wie Schlechtes. All das müssen wir jetzt erst einmal analysieren."

"Und beim nächsten Mal wollen wir es besser machen. Wir befinden uns quasi ständig in einem Entwicklungsmodus. An einem Rennwochenende ist die Zeit natürlich beschränkt, doch du verfeinerst deine Einstellungen trotzdem immer wieder und probierst neue Dinge aus", erklärt Monteiro. "Jedes Mal, wenn ich das Auto bewege, fühle ich mich wohler damit. Und da zählt wirklich jede Minute."

Erst 2013 wird es ernst für Honda

Am meisten schätzt der WTCC-Routinier aber den direkten Kontakt zur Konkurrenz. "So musst du einfach ans Limit gehen, ob du willst oder nicht. Daher war dieses erste Wochenende sehr wertvoll", meint Monteiro. "Da lernst du am meisten. Und das gilt auch für mich, obwohl ich bereits fünf Saisons in der WTCC bestritten habe." Honda stehe aber "im Prinzip da, wo wir jetzt sein wollten", heißt es.

"Wir hatten schließlich nicht geglaubt, in Suzuka gleich alle in die Schranken zu weisen", sagt Andrea Adamo, Chefdesigner beim Honda-Werksprojekt. "Wir sind hier, um unsere Arbeit der letzten Wochen zu überprüfen. Manches davon werden wir beibehalten, anderes wandert in den Papierkorb. Wir haben aber ein gutes Gefühl und sind zufrieden. Denn es könnte wesentlich schlechter aussehen."

Außerdem, und das betont Adamo ausdrücklich, seien die Renneinsätze 2012 eigentlich nur als erweiterte Testfahrten zu verstehen. "Auf diese Weise können wir viel mehr Erfahrung sammeln. Wir treten ja auf drei unterschiedlichen Kursen an. Auch deshalb haben wir diese Veranstaltungen ausgewählt. Wir wollen uns damit auf die Saison 2013 vorbereiten und nicht schon jetzt alles geben."

Letzteres steht nämlich erst im kommenden Jahr auf dem Programm. Oder wie es Hondas Motorsport-Chef Hideo Sato ausdrückt: "Unser Ziel ist klar: Ab 2013 wollen wir um den WM-Titel kämpfen . Für die drei Rennen in der aktuellen Saison haben wir uns kein bestimmtes Ziel gesetzt. Priorität hat, das Auto für das kommende Jahr zu entwickeln." Und der erste Schritt ist nun gemacht.

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