Der Moscow Raceway ist die erste neue Strecke im diesjährigen WTCC-Kalender, weshalb sich die Piloten gezielt und individuell darauf vorbereitet haben
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Stell Dir vor, Du kommst an einen Ort, an dem Du noch nie gewesen bist. Trotzdem wird von Dir erwartet, dass Du gleich mit Vollgas über die Strecke braust, die Du noch gar nicht kennst. Für die Rennfahrer der WTCC ist das kein neues Szenario. Sie müssen sich alljährlich mit mehreren für sie neuen Strecken beschäftigen. So wie an diesem Wochenende mit dem Moscow Raceway in Russland.
Doch wie genau bereitet man sich denn auf einen neuen Rennplatz vor, wenn man vorab keine Chance hat, ein paar Testrunden zu drehen? 'Motorsport-Total.com' hat nachgefragt und einige interessante Details über die Arbeitsweise der Piloten erfahren. Von Datenanalyse über einen Trackwalk vor Ort bis hin zu YouTube-Videos oder gesundem Selbstvertrauen ist nämlich alles dabei.
Tom Chilton (RML-Chevrolet) ist zum Beispiel einer derjenigen Fahrer im Starterfeld, die sich gern virtuell auf eine Rennstrecke einstimmen. "Ich habe einige sehr wertvolle Stunden im Simulator verbracht", berichtet der Brite. "Mir macht es immer sehr viel Spaß, einen neuen Kurs zu entdecken." Praktischer Nebeneffekt: Chilton sammelte auf diese Weise auch wichtige Daten für das Setup.
Tarquini: Mit Simulatoren fange ich erst gar nicht an...
Wie RML-Projektleiter Ron Hartvelt bestätigt, hat das Team zusätzliche Simulationen erstellt, um sich vorab ein Bild von den Streckenanforderungen zu machen. "Deshalb sind wir zuversichtlich, gleich eine gute Basis zu haben", meint er. Diese Zuversicht setzte Yvan Muller (RML-Chevrolet) in der Testsession am Freitag gleich in die Bestzeit um. Die Vorbereitung bei RML hat sich also gelohnt.
Gabriele Tarquini (Honda), mit knapp drei Zehnteln Rückstand als Dritter klassiert, hat dagegen eine ganz andere Vorstellung, wie ein Rennfahrer mit neuen Strecken umgehen soll. "Ich habe noch nie einen Simulator benutzt und ich fange jetzt sicherlich nicht damit an", sagt der 51-Jährige. Er beschränke sich bei einer neuen Strecke auf den Trackwalk und schaue sich höchstens noch Videos an.
Apropos Trackwalk: Weshalb ein Spaziergang (oder eine Fahrrad-Fahrt) um die Strecke so wichtig ist, erklärt Tiago Monteiro (Honda): "Du gewinnst einen Eindruck von den Kurven, der Linie und dem Gripniveau. Du erkennst auch Bodenwellen und dergleichen. Sitzt du danach im Auto, kannst du all das wieder abrufen. Das gibt dir einen gewissen Vorsprung." Eine Simulation wirke ergänzend.
Wie viel macht Streckenkenntnis aus?
Allerdings nur bedingt, wie Monteiro hinzufügt. "Ein Simulator ist sicherlich ein gutes und nützliches Werkzeug, doch wenn es nur ein Spiel ist, dann bringt es dir nicht viel." Am allerbesten ist natürlich noch immer der Live-Eindruck, den mittlerweile alle Piloten genossen haben. Tom Coronel (ROAL-BMW), der schon 2012 einen Gaststart in Moskau absolviert hat, bewies dabei, was Vorkenntnis wert ist.
Er stellte seinen BMW gleich mal auf die zweite Position, nur 0,158 Sekunden hinter Muller. Doch wie lange hält ein solcher Erfahrungsvorsprung an? Anfangs etwas mehr, am Ende nicht mehr so viel, meint Fredy Barth (Wiechers-BMW). "Hier fahren schließlich nur gute Piloten. Die meisten davon sind innerhalb von kürzester Zeit auf einem sehr hohen Niveau. Von daher ist das eigentlich kein Thema.
Ein Blick auf das Ergebnis der Testsession zeigt: Auf feuchter Strecke bewegten sich die Top 8 innerhalb von nur einer Sekunde, die Top 18 innerhalb von zwei Sekunden. Dazwischen immer wieder Abstände im Tausendstel-Bereich. "Und am Ende des Wochenendes ist der Streckenvorteil dann eh nicht mehr relevant", erklärt Barth. Am Moscow Raceway hat der Fahrbetrieb aber gerade erst begonnen...