Mit einem "extremen" Autokonzept auf Angriff fahren: Was sich dahinter verbirgt und was sich die Verantwortlichen vom neuen Honda Civic versprechen
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"Es ist eine durchaus riskante Herangehensweise", sagt Alessandro Mariani. Was der Teamchef des neuen Honda-Rennstalls damit meint: Der japanische Hersteller macht bei seiner Rückkehr in den internationalen Motorsport alles, nur keine halben Sachen. Honda will schon im ersten Jahr zur WTCC-Weltspitze aufschließen und sich nicht erst langsam an das Tempo der Rivalen herantasten.
"Unsere Konkurrenten haben schließlich mindestens ein bis zwei Jahre gebraucht, um ganz vorn zu stehen. Wir sind da anders gestrickt", erklärt Mariani. Und das bedeutet: "Wir haben uns 2012 für ein innovatives Auto entschieden. Das ist natürlich riskanter als bei einem Auto, das du Schritt für Schritt dahin bringst. Obwohl wir teils extreme technische Lösungen gewählt haben, hatten wir keine Probleme."
"Jetzt hoffen wir, dass sich unsere Entscheidungen als richtig erweisen. Das scheint der Fall zu sein, denn in Macao waren wir sehr konkurrenzfähig. Und damals hatten wir mit einem brandneuen Auto erst ein paar Rennen absolviert. Alles in allem bin ich also zufrieden", meint der Honda-Teamchef, dessen Mannschaft in der Winterpause nicht untätig war. Der Civic wurde nochmals modifiziert.
30 Prozent am Honda Civic sind neu
Und zwar zu rund 30 Prozent, wie Technikchef Stefano Fini hinzufügt. "Ich würde an dieser Stelle aber nicht von großen Veränderungen reden", sagt der Italiener. "Unser Auto war am Saisonende schon ziemlich gut. Es gab also kein größeres Problem, das wir hätten aussortieren müssen. Wenn du aber ganz vorn stehen willst, musst du natürlich in allen Belangen topp sein. Da muss dann alles stimmen."
"Wir sind da durch die Bank gut aufgestellt und haben uns sogar nochmals gesteigert", erklärt Fini und gibt einen kleinen Einblick in die Arbeit hinter den Kulissen: "Viele Teile wurden weiterentwickelt. Es handelt sich aber nicht um einen dramatischen Konzeptwechsel oder dergleichen. Wir haben die Vorderrad-Aufhängung verfeinert und auch beim Motorraum einige Veränderungen vorgenommen."
"Der Motorraum ist ziemlich voll und der Turbo läuft rasch heiß. Da musst du die nötigen Freiräume schaffen. Das ist ein unaufhörlicher Prozess. Du versuchst stets, die Situation zu verbessern und die Temperaturen zu senken, um eine bessere Zuverlässigkeit zu erreichen. Natürlich haben wir auch an der Aerodynamik gearbeitet. Allerdings nur im kleinen Rahmen, denn die Regeln sind da sehr streng."
Warum Erfahrung viel zählt für Honda
"Das Rad kannst du da also nicht neu erfinden", sagt der Technische Direktor des Honda-Rennstalls. Auch, weil die dafür notwendige Zeit gar nicht gegeben gewesen sei. "Die Saison war ja erst im November zu Ende. Die neuen Teile mussten jedoch bereits im Februar homologiert werden. Viel Zeit hatten wir also nicht. Das diesjährige Fahrzeug stellt daher eine kleine Evolution dar", meint Fini.
Und eine, die bereits intensiv auf der Strecke erprobt wurde. Kein WTCC-Team hat in diesem Jahr mehr Testrunden absolviert als Honda. Doch genau auf eine solche Vorbereitung komme es an, sagt Teamchef Mariani. "Für ein neues Team und vor allem für ein neues Auto ist das natürlich essenziell wichtig. Trotzdem haben wir noch einiges zu tun." Die erfahrenen Piloten seien aber "eine große Hilfe".
Ex-Champion Gabriele Tarquini und sein Honda-Stallgefährte Tiago Monteiro sind gewissermaßen die beiden Konstanten im Honda-WTCC-Programm. Beide verfügen über Erfahrung in der Meisterschaft, kennen die Abläufe und das Arbeiten in großen Teams. Was Honda beim Einstieg in die WTCC die Eingewöhnung erleichterte und im nächsten Schritt möglichst rasch erste Erfolge einbringen soll.
2012 war nur das "Warmup"
Bei den Testfahrten in Süd-Europa habe man den Grundstein dazu gelegt, meint Mariani. "Mit dem Auto von 2012 sind wir gewissermaßen in ein Meer gesprungen. Jetzt schwimmen wir eher in einem Pool. Wir wissen, wo wir stehen", sagt der italienische Teamchef und verweist auch auf die Eindrücke, die seine Mannschaft bei den drei Probeeinsätzen am Ende der vergangenen Saison gesammelt hat.
"Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr kommen uns natürlich zugute", bestätigt Fini und erklärt: "Das war die Vorbereitung auf 2013. Es ist ein großer Vorteil, schon 2012 drei Rennwochenenden bestritten zu haben. Auf diese Weise konnten wir viele Informationen zusammentragen und quasi unsere Getriebe ölen. Wichtig war uns auch, in direktem Wettbewerb zu den anderen Autos zu stehen."
"Du kannst beim Testen Millionen von Kilometern zurücklegen, hast dabei aber nie die gleichen Bedingungen und weißt bis zum Rennen nicht, wo du mit deiner Leistung stehst. Nun fühlen wir uns bereit, denn im Winter hat sich vieles getan", meint der Italiener. Und was heißt das für die erste komplette WTCC-Saison? "Wir sind von Anfang an gut bei der Musik", sagt Fini. "Da bin ich mir sicher."