Warum neue Regeln? Und was bringen sie der WTCC? Diese und weitere Fragen im Interview mit Alan Gow, dem Vorsitzenden der FIA-Tourenwagen-Kommission
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Tourenwagen sind seine Leidenschaft und sein Beruf zugleich: Als Vorsitzender der Tourenwagen-Kommission des Automobil-Weltverbands (FIA) ist Alan Gow für die Belange vieler Meisterschaften zuständig. Und das macht ihn zum idealen Ansprechpartner für eine Bestandsaufnahme zur WTCC. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der Australier über das neue Reglement für 2014, das Potenzial der Rennserie sowie über deren Status als "Mauerblümchen" im internationalen Motorsport.
Frage: "Alan, wie lautet ihre Meinung zu den neuen Regeln, die 2014 in der WTCC eingeführt werden sollen? Stellt dieses Reglement ein Fortschritt für die Meisterschaft dar?"
Alan Gow: "Ja. Meiner Meinung nach sollte eine Weltmeisterschaft nämlich stets mit Autos fahren, die oberhalb der Fahrzeuge angesiedelt sind, die auf nationaler Ebene antreten. Die WM sollte einfach der nächste Schritt sein, eine Stufe höher. Es ist nicht besonders sinnvoll, mit fast identischen Autos wie nationale Rennserien zu fahren."
"Also ja, die neuen Regeln stellen einen Fortschritt dar. Und solange die Kosten im Rahmen bleiben, ist es der richtige Weg. Es handelt sich um eine Evolution der aktuellen Fahrzeuge. Theoretisch sollte es also funktionieren. Praktisch müssen wir schauen, dass die Kosten nicht in die Höhe schnellen und außer Kontrolle geraten."
Frage: "Ist es nicht etwas seltsam, dass viele nationale Meisterschaften ein unterschiedliches Reglement haben? Sehen sie darin ein Problem?"
Gow: "Ich sehe das nicht als Problem. Jede Meisterschaft orientiert sich an einem bestimmten Markt."
"Großbritannien hat sich für die NGTC-Regeln entschieden, weil die S2000-Regeln einfach nicht für den Markt geeignet waren. Es geht um das Marketing. Und es wird niemals passieren, dass alle Tourenwagen-Rennserien weltweit nach einem Regelwerk operieren. So war es ja auch noch nie. Die australischen V8-Supercars unterscheiden sich von den US-amerikanischen NASCARs, in Japan gibt es wieder andere Regeln."
"Das geht einfach nicht, weil jeder einen anderen Markt bedienen muss und diese Märkte unterschiedliche Bedürfnisse haben. Es wird niemals nur ein allgemein gültiges Reglement geben. Die WM für Tourenwagen muss aber einen Schritt nach vorn wagen."
"Was sich bewährt, kann aufblühen"
Frage: "Die WTCC weist eine vergleichsweise kurze Geschichte auf. Sind sie zufrieden damit, wie sich diese Meisterschaft seit 2005 entwickelt hat?"
Gow: "Man darf nicht vergessen, dass wir uns auf wirtschaftlicher Seite im schwierigsten Umfeld seit Jahren bewegen. Dafür hat sich die WTCC meiner Meinung nach bisher sehr gut verkauft."
"Die Startaufstellung ist gut gefüllt. Man muss auch sehen, womit sich die WTCC konfrontiert sah: Die Hersteller verloren Geld und mussten ihre Geschäftsfelder straffen. Die Meisterschaft hat das alles überstanden. Und was sich in harten Zeiten bewährt, das kann in guten Zeiten richtig aufblühen."
Frage: "In den Augen vieler Fans gilt die WTCC nach wie vor als vergleichsweise kleine Meisterschaft. Muss sich die WTCC auch in dieser Hinsicht verbessern?"
Gow: "Ja. Das wird sie aber auch tun. Dank der neuen Regeln werden neue Hersteller zur Meisterschaft stoßen. Das wird der Meisterschaft einen ganz anderen Schwung verleihen."
"Es wird sich rasch verbessern, denke ich. Die WTCC stagnierte etwas zu lang aufgrund der aktuellen Regeln. Wahrscheinlich hätte man das Reglement nicht für eine so lange Zeit aufrechterhalten sollen. Rückblickend muss man vielleicht sagen: Als man den neuen Motor eingeführt hat, wäre es vielleicht an der Zeit gewesen, auch neue Regeln einzuführen. Das wäre sinnvoll gewesen."
"So lief es aber nicht. Das neue Reglement kommt halt erst jetzt. Es ist eine gute Meisterschaft, die ihre Schwierigkeiten hatte. Wenn die Rennserie aber dergleichen meistert, was sie in der Vergangenheit schon getan hat, dann sieht es gut aus."
Was bringt die Zukunft?
Frage: "Das klingt, als sehen sie eine gute Zukunft für die WTCC..."
Gow: "Absolut. Eurosport engagiert sich sehr. Sie haben einen neuen Vertrag mit der FIA bis 2017. Es kommt auch ihnen zugute, wenn die Meisterschaft erfolgreich ist"
" Hoffentlich erhält die WTCC ab 2014 mit den neuen Autos neuen Schwung. Aus der Sicht der FIA ist einzig entscheidend, dass wir die Kosten in einem gewissen Rahmen halten. Die Kosten werden ansteigen, doch das darf nicht zu dramatisch verlaufen. Es muss alles machbar bleiben."
Frage: "Können sie ein paar Zahlen nennen, in welchem Bereich die Kosten für ein neues Fahrzeug liegen werden?"
Gow: "Schwer zu sagen, weil so viele Zahlen im Umlauf sind. Die wahren Kosten werden wohl erst klar werden, wenn es Prototypen der neuen Fahrzeuge gibt, die auch auf die Strecke gehen. Außerdem wurden die Regeln noch nicht final ausformuliert. Wir müssen einfach zusehen, dass die Kosten kontrolliert werden."
Frage: "Warum ist das neue Reglement eigentlich noch nicht finalisiert worden?"
Gow: "Darum kümmert sich die technische Kommission, in der auch die Hersteller vertreten sind. Das Ganze ist ein Prozess, der absolviert werden muss."
"Ich bin nicht in die technische Regelgebung involviert, aber es muss einfach gewisse Instanzen durchlaufen. Es müssen sehr viele unterschiedliche Ansätze diskutiert werden. Wenn zwölf Leute an einem Tisch sitzen, ist es meist nicht einfach, einen Konsens zu finden. In den kommenden drei Monaten dürfte es aber erledigt sein."
Frage: "Die neuen Autos sollen schon im Herbst auf die Strecke gehen. Kommt das neue Reglement da nicht etwas spät?"
Gow: "Nein. Es handelt sich ja um eine Evolution der aktuellen Autos. Man nimmt also die aktuellen Fahrzeuge als Basis her und nimmt einige Modifizierungen vor. Wenn wir von einer ganz anderen Plattform ausgehen würden, wäre es eine andere Geschichte. Ja, in einer perfekten Welt hätten wir das Reglement etwas eher finalisiert. Es sollte aber schon passen."
Frage: "Gibt es etwas, das sie noch hinzufügen möchten?"
Gow: "Nein. Ich freue mich nur darauf, die neuen Autos zu sehen."