So intensiv hat sich noch niemand auf die WTCC vorbereitet: Redakteur Stefan Ziegler schreibt über das ausgeklügelte Trainingsprogramm von Sebastien Loeb
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Liebe WTCC-Fans,
2014 beginnt eine neue Zeitrechnung in der WTCC. Und das nicht nur aufgrund der neuen Regeln, die das Aussehen der Fahrzeuge und deren Leistungsfähigkeit wesentlich verändern. Auch in einer anderen Hinsicht werden neuen Maßstäbe gesetzt. Dafür verantwortlich ist kein Geringerer als der neunmalige Rallye-Weltmeister Sebastien Loeb. Denn er bereitet sich äußerst gewissenhaft vor.
Ihr habt in den vergangenen Monaten sicherlich verfolgt, wie oft Loeb mit Citroen im Testeinsatz war. Schon seit Juli 2013 dreht er mit dem C-Elysee seine Runden. Und es sind sehr viele Runden. Mehr Kilometer hat wahrscheinlich noch kein Fahrer vor seinem Renndebüt in der WTCC gesammelt. Was zeigt, wie ernst es Loeb mit der WTCC ist. Er will um jeden Preis seinen Erfahrungs-Nachteil wettmachen.
Dass es aus seiner Sicht einen eben solchen gibt, liegt auf der Hand. Schließlich stößt er als Neuling zu einer Motorsport-Kategorie, in der Routiniers wie Gabriele Tarquini über Jahrzehnte hinweg ihre Fähigkeiten geschärft haben. Zum Vergleich: Als Loeb Mitte der 1990er-Jahre seine erste Rallye bestritt, hatte Tarquini bereits den Titel in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft eingefahren.
Das war vor 20 Jahren. Was deutlich macht, wie sehr sich Loeb in kurzer Zeit ins Zeug legen muss, will er schon 2014 konkurrenzfähig sein. Denn: "Es gibt vieles, was du lernen musst", wie ihm Yvan Muller, Loebs prominenter Stallgefährte im Citroen-Werksteam, kürzlich in einem unterhaltsamen Video mit auf den Weg gegeben hat. Doch dieser schwierigen Aufgabe scheint sich Loeb zu stellen.
Und wie: Mit dem wohl intensivsten Trainingsprogramm, das je ein WTCC-Neuling abgespult hat. Denn Loeb fährt nicht einfach nur einen Tourenwagen auf irgendeiner Rennstrecke. Er tut das auch gezielt auf den Kursen, die 2014 im Kalender zu finden sind. Und dabei scheut er offenbar keine Mühen, nimmt weite Reisen und straffe Zeitpläne auf sich, nutzt jede sich bietende Gelegenheit aus.
Macao, Salzburg, Rio Hondo - Loeb testet und testet...
Ein Beispiel: Eine Woche vor dem WTCC-Saisonfinale 2013 in Macao unternahm Loeb an gleicher Stelle einen Gaststart in einem Porsche-Markenpokal. Auf dem wohl schwierigsten Stadtkurs der Welt, den er bisher nicht kannte. Nur um zu üben, um 2014 nicht ganz ohne Erfahrungswerte erstmals dort vorzufahren. Und sein Vorstoß war von Erfolg gekrönt: Platz zwei nach einer sehr soliden Vorstellung.
Ein weiteres Beispiel: Kaum zurück aus Macao, reiste Loeb weiter nach Österreich. Und als sich die künftige WTCC-Konkurrenz noch von der rauschenden WM-Party erholte, fuhr Loeb im GT-Fahrzeug schon wieder Testrunden auf dem Salzburgring. Dort, wo die Meisterschaft in diesem Jahr ihr einziges Gastspiel auf deutschsprachigem Boden gibt, machte er sich in 40 Runden mit dem Traditionskurs vertraut.
Und noch ein Beispiel: Im Januar testete Loeb mit Citroen erst im mittleren Osten, dann in Südeuropa. Zwischendurch flog er nach Südamerika, um Etappen der Rallye Dakar (ein künftiges Betätigungsfeld von Loeb?) von vor Ort zu verfolgen. Termas de Rio Hondo, wo die WTCC seit 2013 fährt, lag da nur um die Ecke. Und auch dort hat Loeb einige Testrunden gedreht. Nicht im WTCC-Auto, aber immerhin.
Und wie schlägt er sich dann beim "Ernstfall"?
Die meisten Strecken aus dem WTCC-Kalender 2014 hat Loeb auf diese Weise bereits erkundet. Nach dem Motto: Bloß nichts dem Zufall überlassen. Denn die Trainingszeit am Rennwochenende ist begrenzt. Und Loeb hilft Citroen und sich selbst enorm, wenn er die kostbaren Minuten vor Ort nicht damit zubringen muss, den Kursverlauf kennenzulernen. Diese Zeit kann er dann viel besser nutzen.
Und so entspricht die Aussage, die Loeb im angesprochenen Video getätigt hat, völlig der Wahrheit: "Natürlich bin ich bereit", entgegnet der Franzose darin seinem Landsmann Muller. Man nimmt es ihm ab, dem WTCC-Musterschüler. Bleibt nur abzuwarten, wie sich Loeb verkauft, wenn die erste WTCC-"Klassenarbeit" ansteht. Dann wird sich zeigen, ob sich der "Hausaufgaben-Fleiß" bezahlt macht.
Ich rechne fest mit einem auf Anhieb starken "Umsteiger" Loeb, wenngleich er bei Citroen auf zwei ebenso starke Teamkollegen trifft - auf WTCC-Rekordchampion Muller und auf Jose-Maria Lopez, den Überraschungssieger von Argentinien 2013. Letzterer hat an seinem WTCC-Debüt-Wochenende gleich gewonnen. Ob Loeb dergleichen ebenfalls gelingt? Am 13. April 2014 werden wir es erfahren!
Beste Grüße & viel Vorfreude auf die neue Saison!
Euer
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