Kolumne: Grande, Alex!

, 11.09.2012

Drei Medaillen bei den Paralympics: Redakteur Stefan Ziegler schreibt über Alessandro Zanardi und dessen Leistung auf und abseits der Rennstrecke

Liebe WTCC-Fans,

er hat es geschafft. Alessandro Zanardi hat es geschafft. Gold im Zeitfahren, Gold im Straßenrennen, Silber im Teamwettbewerb. Drei Rennen, drei Medaillen. Das macht den 45-Jährigen zu einem der erfolgreichsten Sportler bei den Paralympics 2012. Und mit seinem Handfahrrad hat er erreicht, was ihm im Rennwagen nicht vergönnt war: Zanardi gewann in Brands Hatch. Und das gleich zweimal.

Eine unglaubliche Leistung, die großen Respekt und viel Anerkennung verdient. Vor allem vor dem Hintergrund seiner Geschichte, die fast auf den Tag genau vor elf Jahren eine so abrupte Wendung genommen hat. Ich denke natürlich an den schrecklichen Unfall auf dem Lausitzring, in Folge dessen Zanardi beide Beine und fast sein Leben verlor. Das Wort "aufgeben" kannte er aber schon damals nicht.

Zanardi kämpfte sich zurück ins Leben und nur zwei Jahre nach seinem Unfall auch zurück in den Motorsport. Für BMW fuhr er einen Tourenwagen - erst in der EM, später in der neuen WM . Und als ich in der Saison 2008 als WTCC-Reporter ins Fahrerlager kam, hatte er bereits Sportgeschichte geschrieben. Das Rennen in Oschersleben 2005 hatte ich noch zuhause vor dem Fernseher verfolgt.

Drei Jahre danach traf ich ihn das erste Mal. Diesen Mann, der selbst mit Prothesen noch schneller fährt als viele andere mit gesunden Beinen. Und obwohl ich vor unserer Begegnung bereits ein Fan des Italieners war, war ich es danach noch umso mehr. Bei meiner Tätigkeit habe ich das große Glück, viele nette und interessante Menschen kennenzulernen. Zanardi aber ist etwas Besonderes.

Ein Beispiel gefällig? Ich war noch ein "Frischling" im Fahrerlager, als wir uns zu unserem dritten Interview in der BMW-Hospitality trafen. Ein Medienbeauftragter von BMW stellte mich ihm vor, doch Zanardi winkte ab. "Lass nur, wir kennen uns doch. Stefan und ich waren doch schon zusammen im Kindergarten." Und da war dieses schelmische Grinsen. Dieser Mann steckt voller Überraschungen.

Ungewohnt: Ein Rennen am Mittwochabend

Und voller Leidenschaft. Das merkt man, wenn man sich mit ihm unterhält. Ich denke noch oft an unsere Gespräche am Rande der WTCC-Veranstaltungen zurück, als wir uns über den Rennsport, aber auch über ganz andere Themen unterhielten. Die Fröhlichkeit und die Lebensfreude, die er dabei versprühte, verblüfften mich jedes Mal aufs Neue. Und daran hat sich rein gar nichts verändert.

So fand ich mich am Mittwochabend im Büro vor meinem Laptop wieder, auf den Bildschirm starrend. Fernsehbilder von den Handfahrrad-Rennen der Paralympics hatte ich nicht gefunden, also war ich auf den Liveticker angewiesen. Und ich war schrecklich angespannt, was mich überraschte. Das passiert mir doch sonst nur sonntags bei den Motorsport-Rennen! Doch jetzt hatte es mich gepackt.

Die erste Zwischenzeit nach acht Kilometern war gut. Die Spannung wuchs. Und dann war Zanardi schließlich im Ziel. Als Zeitbester, aber noch waren seine Konkurrenten nicht alle über der Linie. Sein Vorsprung war jedoch so gewaltig. Das musste einfach reichen! Gewissheit hatte ich erst, als die Anzeige umsprang. Da war es: Gold! Zanardi wurde als Gewinner der Goldmedaille ausgegeben!

Gold für Zanardi - ein Wahnsinn!

Und meine Freude kannte keine Grenzen. Ich lachte, ich jubelte und ich schüttelte meinen Kopf. Er hat es wieder einmal geschafft, dieser Tausendsassa! Und das wollte ich sofort in Worte fassen. Dass Eddie Jordan die Formel-1-Gerüchteküche just zu dieser Zeit auf höchster Stufe köcheln ließ, war mir da völlig egal. Da und dort stand Zanardi für mich auf der Pole-Position. Und das völlig zu Recht.

Genau wie zwei Tage danach, als das Straßenrennen anstand. Wieder gab es keine Bilder, wieder saß ich vor dem Liveticker. Und der half mir kaum! Die Sportler umrundeten den Kurs in Brands Hatch scheinbar als Gruppe, denn ihre Zwischenzeiten waren identisch. Es würde also auf den Schlusssprint ankommen. Und da legte sich Zanardi so richtig ins Zeug und gewann knapp - um eine Sekunde.

Zanardi zum Zweiten - und er hatte noch eine dritte Chance. Am Samstag, nach der Qualifikation der Formel 1 in Monza, ging er mit dem italienischen Team ein letztes Mal auf die Strecke. Brands Hatch für ihn, Liveticker für mich. Und ich sah ihn seine Mannschaft auf den zweiten Platz nach vorn bringen. "Nur" Silber dieses Mal? Nein! Die dritte Medaille in drei Wettbewerben! Glückwunsch, Alessandro!

Selbst Zanardi kann es kaum glauben

Da musste selbst Zanardi erst einmal schlucken: "Ich bin schier sprachlos", sagte er nach dem dritten Rennen seiner Paralympics-Karriere. Die Chancen stehen gut, dass es nicht sein letztes war. Denn schon jetzt denkt er darüber nach, 2016 in Rio de Janeiro noch einmal sein Handfahrrad an den Start zu bringen. So wie vor zwei Jahren, als er erstmals damit liebäugelte, in London 2012 zu fahren.

Damals gab er an, von einer paralympischen Medaille zu träumen. Drei sind es geworden. Aus dem Traum von einst wurde erst ein Ziel, dann Realität. Genau wie vor fast exakt elf Jahren, als sich Zanardi nichts sehnlicher wünschte, als ins Leben zurückzukehren. Diesen Wunsch hat er sich erfüllt. Und mehr . Dank einer Beharrlichkeit, die bewundernswert ist. Und dank eines großen Einsatzes.

Was kommt jetzt? Ich weiß es nicht. Ich lasse mich da aber gern überraschen. Vielleicht sehen wir Zanardi ja bald wieder im Motorsport. Er schließt es zumindest nicht aus, auch nicht eine erneute Paralympics-Teilnahme 2016. Aber mal ehrlich: Wenn ein Alessandro Zanardi im nächsten Jahr in der Startaufstellung zum legendären Indy 500 stehen sollte - das hätte nun wirklich Gänsehaut-Faktor!

Beste Grüße & verblüffe uns weiter, Alessandro!

Euer

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