Redakteur Stefan Ziegler schreibt über seine ganz persönlichen Höhepunkte aus der WTCC-Saison 2013 und schildert, wie er diese an der Strecke erlebt hat
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Liebe Leser,
am Jahresende lohnt der Blick zurück. Und den möchte ich Euch nicht vorenthalten. In dieser Kolumne schreibe ich über meine ganz persönlichen Höhepunkte aus der WTCC-Saison 2013 und darüber, wie ich sie vor Ort an der Rennstrecke erlebt habe. Von Monza im März bis Macao im November - auch in diesem Jahr hat mir die WTCC wieder einige schöne und spannende Momente beschert.
Monza
A Walk in the Park. Genau das habe ich vor dem Saisonauftakt der WTCC gemacht: Ich habe mir den Parco di Monza und vor allem die alten Steilkurven der Traditionsstrecke einmal näher angesehen. Und es stimmt: In Monza ist die Geschichte des Motorsports lebendig. Das spürst du. Und in der Steilkurve hast du tatsächlich das Gefühl: Gleich kommen Fangio und Co. mit Karacho um die Ecke!
Das war aber nur das "Vorprogramm". Denn der Saisonauftakt ist natürlich eine ganz spezielle Sache, die ich jedes Jahr regelrecht herbeisehne. Ich wurde nicht enttäuscht: Die Regenrennen waren klasse, wenngleich Yvan Muller beide Läufe gewonnen hat. In Erinnerung geblieben ist mir aber auch das starke WTCC-Debüt von Marc Basseng. Nur 0,087 Sekunden fehlten zum Podestplatz beim ersten Einsatz.
Marrakesch
Ich dachte schon, ich habe meine Sensation. Doch der Teenager-Sieg von Pepe Oriola war nur die eine Hälfte der Geschichte, die das Rennwochenende in Marokko schrieb. Denn durch den längst überfälligen Sieg von Michel Nykjaer im zweiten Rennen hatte die WTCC ein Novum erlebt. Erstmals überhaupt (mit Ausnahme der Premiere 2005) gab es zwei neue Laufsieger an einem Wochenende!
Und dann war da noch das Wetter in der Wüste. Marrakesch verbindet man ja nicht gerade mit Kälte und Niederschlägen. Doch am Freitag hat es geregnet ohne Ende. Ein Gewitter fegte über die Strecke, nichts ging mehr. Beim Mittagessen schüttelte mir der Donnerschlag sogar die Nudeln von der Gabel. Es war das schlimmste Unwetter in Marrakesch seit Beginn der Wetteraufzeichnung...
Budapest
Kein Rückblick wäre komplett, würde er nicht den Hungaroring beinhalten. Und das hat einen ganz einfachen Grund: das Publikum. Ihr erinnert Euch an die "Schumi"-Ära in Hockenheim oder am Nürburgring? Gut, denn dann wisst Ihr, wie es in Budapest zugeht, wenn die WTCC vorfährt - wegen Norbert Michelisz. Auch in diesem Jahr stand ich dort mit Gänsehaut in der Startaufstellung. Nagyon köszönöm!
Salzburg
Für mich als Münchner das "Heimrennen". Und in diesem Jahr etwas ganz Besonderes: Ich durfte wieder gemeinsam mit Uwe Winter für Eurosport kommentieren. Ein großartiges Erlebnis! Doch der Salzburgring bot mir 2013 noch mehr: Schon am Freitag durfte ich einen Mygale-Ford-Sportwagen um die Strecke bewegen. Mit mehr als 200 km/h den Hang entlang, das war schon eine ganz tolle Nummer!
Eine Erfahrung, für die ich ebenfalls sehr dankbar bin, war mein Gastspiel bei den Sportwarten vom Internationalen Strecken Sicherungs Club (ISSC). Einen Tag lang bekam ich hautnah mit, was es heißt, ein Streckenposten zu sein. Mehrfach fuhr mir dabei der Schreck in die Glieder, mir flogen sogar Kieselsteine an den Helm! Dieser Blick hinter die Kulissen hat mich nachhaltig beeindruckt.
Moskau
In Moskau saß ich erneut hinter dem Eurosport-Mikrofon, um mit Uwe Winter das Geschehen zu begleiten. Und dass das Bergefahrzeug geborgen werden muss, zählt durchaus zu den Dingen, die man nicht alle Tage sieht. Deshalb taucht dieser kuriose Zwischenfall in meinem Jahresrückblick auf. Unvergessen ist aber auch das Bild der fünf Autos von fünf Marken beim Positionskampf auf der Zielgeraden!
Porto
Was bedeutet es eigentlich, eine Rennserie um die Welt zu transportieren? Die praktische Umsetzung durfte ich mir nach dem Europa-Finale in Porto mal ganz genau ansehen. An der dortigen DHL-Station standen nämlich die Hochsee-Container bereit, die Rennwagen und Material aufnehmen und an den jeweiligen Bestimmungsort bringen. Ein sehr interessanter Einblick in die Welt der Motorsport-Logistik!
Termas de Rio Hondo
Schon alleine die Anreise nach Argentinien war kurios: Nach drei Flügen und 31 Stunden on the road war ich vor Ort. Und was ich dort sah, hat mich absolut begeistert: Jose-Maria Lopez habe ich bereits am Freitag als sehr sympathischen jungen Mann kennengelernt, doch seine Show am Sonntag im Wiechers-BMW war das Tüpfelchen auf dem i. Und jetzt ist er Werksfahrer. Ein Motorsport-Märchen!
Sonoma
Mit dem Mietauto über die Golden-Gate-Bridge. Das war ein sehr intensives Erlebnis. Mehr Emotionen gab es aber am Sonntag nach den Rennen in Sonoma: Mit dem Sieg von Gabriele Tarquini machte Honda den Gewinn der Herstellerwertung perfekt. Und es flossen Tränen. Zum Beispiel bei Andrea Adamo, dem Chefingenieur des japanisch-italienischen Werksteams. Das waren schöne Momente.
Zum Sightseeing in San Francisco hat es an diesem Wochenende zwar nicht gereicht, aber Dominik Greiner vom Wiechers-Rennstall hat kurzfristig trotzdem noch eine kleine Einlage organisiert: Am Freitagabend ging's zum Baseball-Spiel ins Stadion. Ich kann nicht behaupten, das Spiel völlig durchschaut zu haben, aber dass auf dem Feld ein Homerun gelungen ist, habe sogar ich verstanden! ;)
Suzuka
Einmal zu Fuß über den Suzuka International Racing Course. Davon hatte ich lange geträumt. Im Oktober konnte ich mir diesen Traum erfüllen und die kompletten 5,8 Kilometer ablaufen. Also die Strecke, die ab 2014 auch die WTCC befahren wird. Und ich kann Euch sagen: Die TV-Bilder werden dieser Bahn nicht gerecht! Zusammen mit Brands Hatch und Monza ganz klar meine absolut liebste Traditionsstrecke!
Und Suzuka war auch aus anderen Gründen etwas Besonders. Norbert Michelisz siegte für Honda beim Honda-Heimrennen auf der Honda-Hausstrecke. Unser Interview hinterher war daher überaus emotional und sein "Ich muss Dich jetzt noch kurz drücken!" eine sehr nette Geste. In der nächsten Box sprach ich dann noch mit Weltmeister Yvan Muller. Der zog sich nebenbei um - sein Flughafen-Taxi wartete schon...
Schanghai
War es ein Geschenk oder nicht? Ich weiß es bis heute nicht. Tom Chilton ist jedenfalls überzeugt davon, dass er Yvan Muller überholt und so den Sieg eingefahren hat. Doch wer Muller kennt, der weiß: Fehler macht er nur äußerst selten (Schanghai scheint da eine Ausnahme zu sein, siehe 2012...) und einen Sieg lässt er sich nicht nehmen. Seine Miene in der Pressekonferenz sprach Bände!
Das war aber nicht der einzige Höhepunkt des Schanghai-Wochenendes. Was ich nämlich ebenfalls als bemerkenswert empfand: Der gesamte WTCC-Rennzirkus war in einem Hotel untergebracht (nur die Honda-Fahrer hatten eine andere Herberge), was ein interessanter Kontrast zum Treiben an der Rennstrecke war. Bei Frühstück, Abendessen und Barbetrieb gab es ein angenehm-fröhliches Miteinander.
Macao
Kein Jahresrückblick ohne Macao, denn Macao ist die Krönung! Ein total verrückter Ort, fast unbeschreiblich. Aber auch ein Ort, an dem es heißt: Abschied nehmen. Hier endet die Saison. Deshalb schwingt stets etwas Wehmut mit, wenn bei der offiziellen Siegergala am Sonntagabend die Bilder des Jahres gezeigt werden. So viel Action, so viel Spannung und so viel Spaß. Ein tolles Jahr!
Es endete für mich auf Platz 82 im Pressezentrum am Guia Circuit (man könnte auch sagen: am Roulette-Tisch im MGM-Kasino, aber das ist eine andere Geschichte...), in der "deutschen Ecke", die ich mir mit den deutschsprachigen Kollegen teile. Auch das ist, was Macao zu etwas Besonderem für mich macht. Die Saison in netter Gesellschaft an einer irren Rennstrecke zu beschließen. Gibt's was Besseres?
Beste Grüße, schöne Winterpause & und bis bald an der Strecke!
Euer