Redakteur Stefan Ziegler macht sich einige Gedanken zum Ausscheiden des bisherigen WTCC-Serienchefs Marcello Lotti und erklärt, was er vermissen wird
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Liebe WTCC-Fans,
WTCC ohne Lotti - geht das? Das ist die Frage, die ich mir schon seit geraumer Zeit stelle. Denn dass Marcello Lotti in der Saison 2014 nicht mehr länger als "General Manager" für die Meisterschaft tätig sein würde, war schon vor Monaten Gegenstand von Gerüchten. Diese haben sich in dieser Woche konkretisiert: Es wurde bekannt, dass Lotti zum 31. Dezember 2013 aus seinem Amt ausgeschieden ist.
Der nun ehemalige Serienchef wird die erste Saison unter dem neuen Reglement, das er noch auf den Weg gebracht hat, nicht mehr in seiner bisherigen Funktion miterleben. Und ich bin gespannt darauf, wie die WTCC ohne ihn zurechtkommen wird. Denn schließlich ist die WTCC auch "seine" Meisterschaft. Er hat sie als Promoter von einer nationalen zu einer internationalen Serie gemacht.
Lotti ist immer für eine Überraschung gut
Ja, es hat in der Vergangenheit nicht immer alles so geklappt, wie er es sich vorgestellt hatte. Doch Lotti hat trotzdem vieles von dem umgesetzt, was er sich vorgenommen hatte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er mir zum Beispiel 2009 in Brands Hatch frei heraus erklärt hat, er wolle mit der WTCC schon 2011 in den USA fahren. Die großen Augen des FIA-Pressemanns hättet ihr sehen sollen!
Dieser sagte mir später: "Es hat mich überrascht, dass Marcello über die USA-Pläne gesprochen hat." Doch genau so ist Lotti - überraschend, aber mit klaren Zielen. Ein Blick auf den Rennkalender zeigt: Nicht nur die USA sind inzwischen zum Standort für die WTCC geworden. Zwar fährt die Rennserie erst seit 2012 in Sonoma, doch Lotti hat Wort gehalten: "Seine" Meisterschaft ist in Nordamerika aktiv.
Sein vermutlich größtes Vorhaben hat mir Lotti ebenfalls schon sehr weit im Voraus angekündigt. Wir saßen 2011 in Macao zum Interview zusammen, als er exklusiv mit mir darüber sprach, 2015 ein neues WTCC-Reglement installieren zu wollen. Am Ende ist er mit diesem Projekt sogar seinen eigenen Plänen zuvorgekommen: Die neuen Regeln greifen nicht erst 2015, sondern schon 2014.
"Come and see me after the warm-up"
Und jetzt ist er nicht mehr da, um mit mir und meinen Journalisten-Kollegen vor Ort darüber zu reden. Sehr schade, denn die Unterhaltungen mit Lotti waren immer ein großes Vergnügen. Okay: Manchmal hat er uns auch ganz schön zappeln lassen. Da ging schon mal eine halbe Stunde ins Land, bis wir zur Audienz ins Allerheiligste, sein Büro beim FIA-Truck, gebeten wurden. Doch er nahm sich immer Zeit.
"Come and see me after the warm-up on Sunday." Das war ein Satz, den Lotti uns Journalisten meist mitgab, wenn es ihm gerade wirklich nicht in den Kram passte. Dafür hatte er sonntags, nach etlichen Meetings, oft einige Neuigkeiten parat. Nicht alles davon durften wir mit unseren Aufnahmegeräten mitschneiden. Wenn er auf eine Frage hin nur vielsagend grinste, wussten ich und meine Kollegen Bescheid.
Kaum hatten wir die Pause-Taste bedient, schilderte er uns die Hintergründe. Und diese Offenheit habe ich ihm stets sehr hoch angerechnet. Klar: Darüber schreiben durften wir nicht. Wir hatten aber immerhin Informationen an der Hand, um an anderen Stellen die richtigen Fragen zu stellen. Lotti hat dieses Spiel mit der Presse sehr gut verstanden. Und so war das Klima im Fahrerlager meist ein gutes.
Der "andere" Lotti
Lotti konnte aber auch anders. Am Salzburgring zum Beispiel, nachdem dort 2013 die Qualifikation zur Farce verkommen war. Selten habe ich Lotti derart aufgebracht gesehen. Doch bei allem Ärger hat er sich auch um seine Schäfchen gekümmert. Er wartete gemeinsam mit den Beteiligten und uns Journalisten, bis die Rennleitung zu einem Ergebnis gekommen war. Und dieses Ergebnis kam erst lange nach Einbruch der Dunkelheit.
Ansonsten war Lotti in seiner Zeit als WTCC-Serienchef auch immer für einen kleinen Scherz gut und hat sich, bei allem Ernst, stets seinen Humor bewahrt. Er ist eben ein echter Schelm geblieben, der stets über sich selbst und seine Tätigkeit in der Meisterschaft gesagt hat: "Ich gehe mit Sorgen ins Bett und wache besorgt wieder auf." Den Job als General Manager ist er nun los. Und damit wohl auch einige Sorgen.
Damit müssen sich nun andere auseinandersetzen. Und noch ist nicht ganz klar, wie die Struktur der Serienleitung künftig aussieht. Francois Ribeiro von Eurosport Events soll wohl eine größere Rolle spielen als bisher, auch der frühere Chevrolet-Sportchef Eric Neve wird aktiv mithelfen. Näheres dazu soll schon in Kürze bekanntgegeben werden. Und vielleicht äußert sich ja auch Lotti selbst noch zu seinem Ausscheiden.
Wir werden sehen. Doch ganz ehrlich: Ich vermisse Marcello schon jetzt ein bisschen. Mit ihm war es nämlich niemals langweilig. Und ich bin mir sicher: Auch ihm wird künftig nicht langweilig sein. Mir hat er schließlich mal gesagt: "Ich spiele gern Golf, bin aber nicht sehr gut darin. Ich habe einfach nicht die Zeit, um oft zu trainieren." Das ändert sich nun vielleicht. In jedem Fall wünsche ihm alles Gute!
Beste Grüße & danke für alles, Marcello!
Euer