Yvan Muller ist weiterhin kein Fan davon, dass die WTCC beide Sprintrennen nach dem gleichen Punkteschema belohnt - Kritik an "Schleichfahrt" im Qualifying
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Wer im Qualifying den zehnten Platz belegt, startet im zweiten Rennen von der Pole-Position. Das klingt nicht weiter dramatisch, sorgt aber mit regelmäßigen Abständen für gehörige Missstimmung im Fahrerlager der WTCC. Denn im Zeittraining geht eben nicht jeder Fahrer auf Zeitenjagd. Manch einer versucht bewusst, "nur" Zehnter zu werden. Was wiederum dem Sinn des Rennfahrens widerspricht.
Neu ist diese Taktik nicht. Es gibt sie schon so lange wie die WTCC, wenngleich unter wechselnden Umständen. Anfangs bedeutete der achte Platz im ersten Rennen die Pole-Position für Rennen zwei, was in den Schlussrunden gelegentlich zu kuriosen Positionswechseln führte. Um diesem Problem zu entgehen, regelt seit geraumer Zeit die Qualifikation, wie sich die Piloten für Rennen zwei aufzureihen haben.
Doch damit hat man das eigentliche Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert - vom ersten Rennen in das Qualifying. Da hilft es auch kaum, dass die Piloten in den Top 5 nach dem Schema 5-4-3-2-1 mit WM-Punkten belohnt werden. Denn es locken natürlich weitaus mehr Punkte für eine vordere Platzierung im zweiten Rennen, denen man mit einem "schlechten" Qualifying-Ergebnis näherkommt.
Die GP2 als Vobild für die WTCC?
Dergleichen geht WTCC-Rekordchampion Yvan Muller gewaltig gegen den Strich. Kein Wunder: Er stand in der abgelaufenen Saison achtmal auf der Pole-Position, musste sich im zweiten Rennen aber jeweils auf Startplatz zehn einreihen, während andere Fahrer gezielt "Chancen-Maximierung" betrieben haben, um sein "Handicap" auszunutzen. Weshalb Muller nun seine Punktekritik erneuert.
"Im zweiten Rennen sollten einfach nicht so viele Punkte vergeben werden", meint der viermalige Weltmeister. Das wäre ein Modell, wie es beispielsweise die GP2 anwendet, die zwischen dem Hauptrennen (volle Punkte) und dem Sprintrennen (reduzierte Punkte) unterscheidet. Ähnliches würde sich Muller auch für die WTCC wünschen. Um dem Startplatz-Taktieren endlich ein Ende zu bereiten.
Beim vorletzten Rennwochenende in Schanghai hatte sich Muller nämlich wieder am Verhalten der Konkurrenz gestört: Die Honda-Piloten Tiago Monteiro und Gabriele Tarquini kamen im Qualifying nur auf die Ränge neun und zehn, starteten dann im zweiten Rennen geschlossen aus Reihe eins. Das Ende vom Lied war ein Doppelsieg. Was Muller einzig und alleine der Qualifying-Strategie zuschreibt.
Ein Schlupfloch im Reglement...
"Die Regeln lassen ihnen eben diese Möglichkeit offen. Und sie haben gut gezockt. Ihr Auto war aber besser, als es das Ergebnis vermuten lässt. Sie hätten locker in die Top 5 fahren können. Sie zogen es jedoch vor, um den zehnten Platz zu kämpfen. Das ist schade", sagt Muller. "Und es ist auch ein bisschen unfair gegenüber den Piloten, die im Qualifying auf den Positionen zwei und drei stehen."
Die Situation aus Schanghai steht jedoch nur exemplarisch für ein Schlupfloch im Reglement, das es laut Muller besser nicht geben sollte. In der Vergangenheit haben jedoch auch einige Piloten davon profitiert: Tom Coronel wusste seine Pole-Position im zweiten Rennen am Slovakiaring zum Beispiel perfekt in einen Sieg umzusetzen. Ohne Platz zehn im Qualifying wäre dieser Erfolg kaum drin gewesen...