Tarquini: "Als hätte ich eine neue Freundin ..."

, 13.09.2012

Honda-Fahrer Gabriele Tarquini spricht im Interview über den neuen Honda Civic und schildert einige Eindrücke zu dem Fahrzeug, mit dem er 2013 antritt

Gabriele Tarquini steht vor einem neuen Abenteuer. Der italienische Rennfahrer hat sich dem Honda-JAS-Rennstall angeschlossen, der noch in diesem Jahr in die WTCC einsteigt. Gemeinsam mit Tiago Monteiro arbeitet Tarquini aber schon jetzt fleißig daran, den neuen Honda Civic rennbereit und vor allem konkurrenzfähig zu machen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' schildert der 50-Jährige, was er angesichts der neuen Aufgabe empfindet und wie ein Testtag beim Honda-Team abläuft.

Frage: "Gabriele, du hast ein neues Baby. Wie lauten deine ersten Eindrücke?"

Gabriele Tarquini: "Alles ist gut. Eigentlich war der Montag auf dem Slovakiaring unser erster richtiger Testtag. Die beiden Tage in Vallelunga hatten wir wie einen ausführlichen Shakedown betrachtet. Damals war noch alles brandneu für uns - das Auto, der Motor und die Elektronik. Das Auto ist sehr komplex. In Vallelunga überprüften wir einfach, ob alles so funktioniert, wie es funktionieren soll."

"Diese beiden Tage brachten wir also damit zu, den Shakedown des Autos zu absolvieren. Am Slovakiaring probierten wir zum ersten Mal, etwas am Fahrzeug zu verändern. Wir hatten zuvor noch nicht mit dem Setup herumgespielt. Ich bin aber sehr zufrieden, denn das Auto reagiert sehr gut. Ich denke, wir haben eine gute Ausgangsbasis."

Kurze Stints, lange Besprechungen

Frage: "Welche Erkenntnisse habt ihr bei den ersten Tests gewonnen?"

Tarquini: "Wir haben natürlich gewisse Eindrücke gesammelt. Noch ist es aber viel zu früh, um ein Urteil dazu abzugeben. Derzeit nutzen wir vielleicht 20 Prozent des Potenzials unseres Autos."

"Nach sieben Jahren mit SEAT kenne ich die Werkzeuge, die man braucht, um ein Fahrzeug an eine bestimmte Strecke anzupassen, natürlich aus dem Effeff. Diese Werkzeuge entdecken wir erst nach und nach. Es ist eine große Entdeckungsreise für die Ingenieure, beim Motor und beim Chassis. Das Ziel ist, möglichst viel zu verändern, um in Erfahrung zu bringen, wie sich all dies auf das Setup auswirkt."

"Im Augenblick sind wir noch weit weg, weil wir erst ein paar ordentliche Testtage hatten. Zum Glück gab es dabei keine Probleme. Wir legten viele Runden zurück. Wir fuhren sehr viel (Fotostrecke: WTCC-Tests mit Honda). Wir brauchen halt mindestens zehn Tage, um das Potenzial des Autos zu erfassen, denke ich."

Frage: "Wie muss man sich einen Testtag vorstellen? Ihr absolviert eine kurze Ausfahrt, kommt wieder herein, dann wird am Auto gearbeitet. Was passiert da genau?"

Tarquini: "Normalerweise verändern wir etwas und fahren dann vier Runden. Wir fahren hinaus, absolvieren zwei schnelle Runden, kommen wieder herein. Dann überprüfen wir die Daten und das Gefühl. Wir geben ein Feedback und führen weitere Tests durch."

"Insgesamt fahren wir jeweils nur kurze Strecken. Am Slovakiaring versuchten wir, einen ersten Longrun durchzuführen, doch es wurde spät und ich musste die Fahrt abbrechen. Am Tag darauf standen dann aber noch zwei Longruns auf dem Programm."

"Dabei ging es nicht um die Leistung, sondern darum, festzustellen, ob etwas am Auto den Belastungen nicht gewachsen ist. Solche Dinge musst du ausprobieren. In zwei Monaten muss dieses Fahrzeug ja schon ein Rennen bestreiten. Die drei Rennen, die wir 2012 absolvieren, gehören noch zum Entwicklungsprozess."

"Wir werden in Japan, China oder Macao noch kein Siegerauto haben. Wir müssen uns aber mit den Anderen messen, um unsere Leistung einschätzen zu können. Wir wollen uns über den Winter ja auch verbessern und uns auf 2013 vorbereiten. Das Ziel ist, so schnell wie möglich zu sein - und das beim Saisonauftakt 2013."

Frühlingsgefühle in den Sommermonaten

Frage: "Die Ingenieure nehmen viele Daten aus einem solchen Test mit. Wie steht es mit dir als Rennfahrer? Hast du gewisse Hausaufgaben bekommen?"

Tarquini: "Ja. Ich gehe professionell an diese Aufgabe heran. Es handelt sich aber quasi um ein neugeborenes Baby. Bei SEAT war es wie eine lange Beziehung zu deiner Ehefrau (lacht; Anm. d. Red.). Du weißt einfach alles über deinen Partner. Das ist negativ und positiv zugleich."

"Ich fühle mich im Augenblick, als hätte ich eine neue Freundin. Du weißt einfach nicht, was dich erwartet. Es ist eine große Überraschung (lacht; Anm. d. Red.). Das ist sehr aufregend. Ich kann es kaum erwarten. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe ich glücklicherweise einige Fahrzeuge entwickelt. Ich fühle mich dadurch etwas jünger. So ist das halt, wenn du eine neue Beziehung eingehst."

Frage: "Was gefällt dir am besten an diesem neuen Projekt? Gibt es da etwas Bestimmtes?"

Tarquini: "Ja. Ich mag das Cockpit. Das Innere des Autos. Ich fühle mich dort sehr wohl. Die Elektronik ist ebenfalls klasse. Es handelt sich um deutlich komplexeres Auto als der SEAT."

"Wir haben vielleicht bis zu 30 Prozent mehr Sensoren, um Dinge zu analysieren. Mir gefällt das. Die Elektronik kann uns ein bisschen voranbringen - und das schon sehr bald. Außerdem scheint das Chassis sehr gut auf jede kleine Änderung zu reagieren. Ich halte es für eine gute Ausgangslage."

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