Nicht Chevrolet, sondern Honda: Gabriele Tarquini holt die erste Pole-Position für das neue WTCC-Werksteam - Unfälle von Tiago Monteiro und Mehdi Benanni
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Die Pole-Position in Marrakesch schien nur eine Formsache für die Chevrolet-Piloten zu sein. Doch es kam alles ganz anders, denn am Ende reckte Gabriele Tarquini die Hände jubelnd in die Höhe. Der Ex-Champion stellte den Honda Civic an seinem erst zweiten Rennwochenende als Honda-Werkspilot ganz nach vorn und ließ alle Chevrolet-Vertreter - und den WM-Spitzenreiter - knapp hinter sich.
Yvan Muller (RML-Chevrolet), der beim WTCC-Saisonauftakt in Monza noch dominiert und die maximale Punkteausbeute eingefahren hatte, musste sich im zweiten Qualifying des Jahres mit Rang drei hinter Tarquini und James Nash (Bamboo-Chevrolet), dem bestplatzierten Privatier, zufrieden geben. Schnellster Deutscher im Zeittraining war Marc Basseng (Münnich-SEAT) auf Position acht.
Q1: Erst Chevrolet, dann Honda
Die Qualifikation auf dem Circuit de Marrakech begann so, wie es nach dem Freien Training kommen musste: Die Chevrolet-Autos diktierten gleich das Tempo. Es war Tom Chilton (RML-Chevrolet), der den 4,5 Kilometer langen Stadtkurs im ersten Anlauf am schnellsten umrundete. Er brauchte 1:45.755 Minuten, wurde aber alsbald von seinem Chevrolet-Markenkollegen Michel Nykjaer (Nika) unterboten.
Chilton konterte allerdings umgehend und steigerte sich auf 1:45.185 Minuten, um erneut die Führung zu übernehmen. Dann schlug die Stunde des neuen WTCC-Werksteams - in vielerlei Hinsicht. Gabriele Tarquini (Honda) hatte gerade in 1:44.910 Minuten für die neue Topzeit gesorgt, da rollte sein Stallgefährte Tiago Monteiro (Honda) mit ramponiertem Fahrzeug aus. Er hatte angeschlagen.
Monteiro war ausgangs der zweiten Schikane ins Schleudern gekommen und hatte die Mauern von Marrakesch touchiert, was seinen Honda Civic zu schwer beschädigte, als dass an ein Weiterfahren möglich gewesen wäre. Und weil das Auto mitten auf der Ideallinie stand, wurden rote Flaggen gezeigt. Die Bergung des Rennwagens ging aber trotzdem nicht gerade im Eiltempo vonstatten.
Bennani sorgt für Action, dann wird's wild...
Nach einer etwa zehnminütigen Zwangspause konnten die erbliebenen 22 Piloten schließlich wieder ins Geschehen eingreifen und die restlichen 15 Minuten unter die Räder nehmen. Es dauerte aber nicht allzu lange, bis es erneut krachte: Ausgerechnet Lokalmatador Mehdi Bennani (Proteam-BMW) hatte sich bei der Anfahrt zu Kurve vier verschätzt und rutschte mit dem Heck in die Reifenstapel.
Weil Bennani mit Schaden an seinem Fahrzeug weiterfahren konnte, wurden an der Unfallstelle nur gelbe Flaggen gezeigt. Das bremste das Feld nur kurz ein, bildete aber den Auftakt zu weiteren haarigen Szenen. Eine Runde später war es erneut Bennani, der sich einen heftigen Verbremser leistete. Wenig später wurde es in der Zielkurve der Rennstrecke fast etwas zu eng für drei Autos.
Dann die spannende Schlussphase und die Frage, wer den Sprung unter die Top 12 schaffen würde: Weil Monteiro aufgrund seines Unfalls nicht mehr eingreifen konnte, mühten sich die Piloten aus dem breiten Mittelfeld noch einmal besonders. Ein Dreher von Stefano D'Aste (PB-BMW) in der Zielkurve rief jedoch erneut gelbe Flaggen hervor. Und das war noch lange nicht das Ende der Action in Q1.
"Friendly Fire" bei ROAL-BMW
Tom Coronel (ROAL-BMW) und sein Teamkollege Darryl O'Young (ROAL-BMW) versuchten sich am Ende offenbar im Windschatten-Fahren, was aber gründlich in die Hose ging. Coronel erwischte das Schwesterauto nämlich am Heck und räumte O'Young in einer Schikane in die Reifenstapel. Runde futsch und reichlich Ärger im Team, doch Coronel hatte das Ticket für Q2 zu dieser Zeit schon gelöst.
Neben dem Niederländer auf Position zehn zogen noch Tarquini, Yvan Muller (RML-Chevrolet), Alex MacDowall (Bamboo-Chevrolet), Chilton, Pepe Oriola (Tuenti-SEAT), Nykjaer, James Nash (Bamboo-Chevrolet), Marc Basseng (Münnich-SEAT), James Thompson (Lada), Rob Huff (Münnich-SEAT) und Fernando Monje (Campos-SEAT) in die nächste Runde ein. Feierabend hatten die weiteren Deutschsprachigen.
Fredy Barth (Wiechers-BMW) scheiterte in 1:46.412 Minuten genauso am Weiterkommen wie Franz Engstler (Engstler-BMW), der sieben Hundertstel hinter Barth auf Platz 16 abgewinkt wurde. Damit lag Engstler noch zwei Zehntel vor Norbert Michelisz (Zengö-Honda/17.), den erneut technische Probleme zu schaffen machten. Rene Münnich (Münnich-SEAT/23.) bildete in 1:49.222 Minuten das Schlusslicht.
Q2: Tarquini gegen die Chevrolets
Entschieden war die Qualifikation aber nur ab Platz 13. Die zwölf schnellsten Piloten rückten im 15-minütigen Q2 noch einmal aus, um die Pole-Position und die weiteren vorderen Startränge unter sich auszumachen. Und der erste "Schuss" ging prompt an einen "Außenseiter": Nicht etwa ein Chevrolet-Pilot fuhr im ersten Anlauf die Bestzeit, sondern Honda-Fahrer Tarquini - in 1:44.358 Minuten.
Danach wurde es erst einmal still in Marrakesch. Vor allem bei Coronel und Thompson, die auf eine schnelle Runde verzichteten. Monje startete seinen Versuch erst in letzter Sekunde, um just direkt vor einer Siebenergruppe auf die Strecke zu fahren. Das schien die nachfolgenden Fahrer zu behindern. Doch Chilton verlor die mögliche Pole-Position erst lange nach dem Überholmanöver gegen Monje.
Nach zwei Sektor-Bestzeiten büßte der RML-Chevrolet-Pilot im letzten Sektor zu viel Zeit auf Tarquini ein, der seine schnelle Runde erst gar nicht mehr beendete - es reichte auch so. "Das ist eine große Überraschung", meint Tarquini, der als erster Honda-Werkspilot in der WTCC auf der Pole-Position steht. Sein Vorsprung: 0,048 Sekunden auf Nash und 0,146 Sekunden auf WM-Spitzenreiter Muller.
Nykjaer, Chilton, MacDowall, Huff, Basseng, Oriola und Monje reihten sich auf den weiteren Top-10-Plätzen ein. Und weil Coronel und Thompson nicht mehr fuhren, fuhr Monje mit seiner Runde ganz am Schluss noch auf die Pole-Position für das zweite Rennen, bei dem die schnellsten zehn Fahrzeuge aus der Qualifikation in umgekehrter Reihenfolge an den Start gehen, mit Tarquini auf Platz zehn.