Auf Spurensuche im Fahrerlager: Weshalb hat niemand überholt, als in Q2 die Zeit herunterlief? Und warum ist keine Rundenzeit "besser" als ein weiterer Versuch?
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"Wir sind sehr zufrieden, aber alle Anderen beißen sich jetzt in den Hintern." So beschreibt Tom Chilton (RML-Chevrolet) die Qualifikation am Salzburgring aus seiner Sicht. Kein Wunder: Weil er just vor dem Ablauf der Zeit mit bis nur 30 km/h und im ersten Gang um den Kurs rollte und keiner der ihm folgenden Piloten überholte, reichte die Zeit nicht mehr aus für eine letzte fliegende Quali-Runde.
Chilton und Co. kam das sehr zupass, denn dank Yvan Muller und Chilton steht das Team in der Startaufstellung zum ersten Rennen von Österreich geschlossen in Reihe eins. "Für uns war es ganz lustig", meint Muller, der im Top-12-Pulk gemütlich mitrollte und so - aufgrund seiner vorher erzielten Bestzeit - die Pole-Position einfuhr. Bei dieser Äußerung kreiste Rob Huff (Münnich-SEAT) aber schier der Helm.
"Ja, es war irgendwo witzig. Das ist aber eine seltsame Wortwahl", sagt der Weltmeister nach dem Qualifying, das er als Dritter beschloss. Ihm sei bei der "Schleichfahrt" rasch klar gewesen, worauf es hinauslaufen würde. "Ich wusste: Es würde nicht reichen, wenn wir nicht an Tempo zulegen würden. Wir wurden aber immer langsamer." Und dennoch wagte niemand aus dem Pulk einen Überholversuch.
Muller meint: Die Anderen waren am Zug
Jeder schien sich in sein Schicksal zu ergeben. "Weil es jeder auf den Windschatten der Chevrolets abgesehen hatte", meint Huff. Doch da war eben nichts zu holen, denn Chilton und Muller dachten gar nicht daran, die Lokomotiven für die Konkurrenz zu spielen. "Ich hatte meine Zeit ja schon gesetzt", sagt Muller. Der Ball lag aus seiner Sicht also bei seinen Rivalen, die sich aber keine Blöße geben wollten.
Warum, das verdeutlicht die Aussage von Tiago Monteiro (Honda): "Mir wäre es alleine und ohne Windschatten nicht gelungen, meine Zeit zu verbessern. Wir dachten wohl alle ähnlich. Und wenn dir keine Verbesserung gelingt, machst du nur deine Reifen kaputt und ziehst die Anderen in deinem Windschatten um den Kurs. Deshalb ließ ich es bleiben und wartete ab." Genau wie alle Anderen.
Bis am Ende der Zeit noch zu viel Strecke übrig war, als dass es noch für einen Versuch gereicht hätte. "Es war schon sehr seltsam", meint Monteiro. "Von außen hat es vielleicht dumm ausgesehen. Es war aber halt sehr viel Strategie im Spiel. Und bei diesen Autos ist Windschatten zu wichtig. Besonders auf dieser Strecke." Was das konkret bedeutet, erklärt sein Teamkollege Gabriele Tarquini.
Windschatten in Salzburg als das A und O
Der Ex-Champion ist nämlich davon überzeugt, dass ein guter Windschatten auf eine Runde am 4,2 Kilometer langen Salzburgring "mehr als eine halbe Sekunde" an Zeit bringen kann. "Wenn du ein schnelles Auto vor dir hast, können es sogar acht, neun Zehntel sein", sagt er. In der WTCC eine Welt. Doch diese Aussicht war im Qualifying offenbar Verlockung und Abschreckung zugleich.
Und nur ein Fahrer fasste sich letztlich ein Herz - und das angeblich unwissentlich schon nach dem Fallen der Zielflagge. "Ich sah die Fahne nicht, weil ich das Mapping veränderte und nach hinten schaute", sagt Tom Coronel (ROAL-BMW). Er setzte alles auf eine Karte. Und dann rutschte er in der schnellen Fahrerlager-Kurve von der Strecke und mit seinem Auto in die Reifenstapel am Streckenrand.
"Du hast halt nur einen Versuch. Da probierst du es halt. Alles oder nichts. Und jetzt kann ich es eh nicht mehr ändern", meint der Niederländer. Was ihm aber offensichtlich mehr stinkt als der Ausritt ins Kiesbett, ist die Schleichfahrt-Taktik von RML. "Das hätten sie nicht tun müssen, denn für sie ist es wirklich einfach." In der Tat: Die Positionen von Muller und Chilton waren in Q2 nicht in Gefahr.