Ein Blick hinter die Kulissen der WTCC: Weshalb die Saison 2012 für die Beteiligten erst im neuen Jahr wirklich beendet ist und was das bedeutet
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Am 18. November 2012 fiel die letzte Zielflagge des Jahres. Beendet ist die WTCC-Saison aber noch nicht. Zumindest nicht für die Logistik-Verantwortlichen der Rennserie. Und auch nicht für die Teams, die ihre Fahrzeuge erst zu Jahresbeginn wiedersehen. Wenn diese als Seefracht vom anderen Ende der Welt in Antwerpen ankommen. Weniger als drei Monate vor dem Beginn der neuen Rennsaison.
Doch warum ist das eigentlich so? Aus zwei Gründen: Weil das Saisonfinale der WTCC seit 2005 traditionell in Macao ausgetragen wird und weil die Fahrzeuge die lange Rückreise nach Europa per Schiff antreten. Das kostet Zeit, spart aber Geld. Und es verlängert die Rennsaison der unmittelbar Beteiligten nochmals beträchtlich. Denn hinter den Kulissen ist 2012 noch nicht völlig abgeschlossen.
Begonnen hat die letzte große Reise des Jahres direkt nach den Rennen in Macao. Oder eben nicht, wie Holger Krätzig, DHL-Spezialist für Motorsport-Logistik gegenüber 'Motorsport-Total.com' erklärt. Denn weil es sich beim Guia Circuit um einen Stadtkurs handelt, müssen sich Krätzig und seine Kollegen erst einmal in Geduld üben: Bevor nicht aufgeräumt ist, kann der Transport nicht beginnen.
"In Macao führt die Rennstrecke über normale Straßen. Daher muss erst die Streckenbegrenzung abgebaut werden, damit der Straßenverkehr wieder fließen kann. Erst dann gelangen die Lastwägen mitsamt der Container und den notwendigen Kränen in den Paddock", sagt Krätzig. Und dort haben die Teams bereits das Ihre getan: Autos, Werkzeug und Ausrüstung sind reisefertig vorbereitet.
Dabei haben die Mitarbeiter der Rennställe nach den letzten Rennen des Jahres eigentlich Anderes vor, als bis tief in die Nacht das Fahrerlager zu bevölkern. Krätzig: "Jedes Team wünscht sich verständlicherweise eine sehr zügige Verladung des gesamten Equipments, um schnellstmöglich den Paddock zu verlassen und den Saisonabschluss - eventuell auch die gewonnene Meisterschaft - zu feiern."
In der Boxengasse geht das Licht nicht aus
Fahrer und Teamchefs sind daher meist schon bei der offiziellen Siegerehrung, während die Lichter in der WTCC-Boxengasse noch immer brennen. Mitunter bis in die frühen Morgenstunden. Dann nimmt die Transport-Reise der Meisterschaft erst so richtig an Fahrt auf - buchstäblich. Lastwagen bringen die nun beladenen Container zum Hafen von Macao, eine Fähre setzt die Fracht in Hongkong ab.
Die Rede ist von über 2.000 Kubikmetern an Rennmaterial - exklusive Reifen und Benzin, die von den WTCC-Ausrüstern Yokohama und Panta separat transportiert werden. "2012 hatten wir für die WTCC stellenweise über dreißig 40-Fuß-High-Cube-Container im Einsatz", meint Krätzig. Wovon jeder einzelne ein Fassungsvermögen von rund 70 Kubikmetern hat, das die Teams individuell nutzen können.
In Übersee braucht ein Rennstall neben dem Fahrzeug schließlich auch noch weitere Gegenstände. "Boxenausrüstung, Ersatzteile und dergleichen mehr", sagt Krätzig. Deshalb variiere das Gewicht der Container sehr. "Je eingesetztem Rennauto werden vom Team zwischen 4.000 und 8.000 Kilogramm zusätzliches Material mitgeschickt." Was sich auf eine Gesamtfracht von über 200 Tonnen beläuft.
Die lange Reise zurück nach Europa
Und diese Fracht tritt ihre lange Seefahrt nach Europa an, wenn Fahrer, Teamchefs und Mechaniker bereits zuhause oder an ihren Urlaubsorten angekommen sind. Und die Rückreise der Ausrüstung dauert auch wesentlich länger als ein üblicher Elf-Stunden-Flug von Hongkong nach München: Etwa 35 Tage sind die Container auf See, bis das Transportschiff im Januar seine Fracht entladen kann.
Dies geschieht im belgischen Antwerpen, wo die Übersee-Saison der WTCC im Juni 2012 ihren Anfang genommen hat - also vor über einem halben Jahr. Dazwischen lagen für die Container über einhundert Tage auf See und mehrere Tage auf der Ladefläche von Lastwagen, um die Rennplätze in Brasilien, USA, Japan, China und Macao zu erreichen und kurz darauf schon wieder zu verlassen.
Und bereits vor der Ankunft in Antwerpen laufen die Planungen für die WTCC-Rennsaison 2013 bei DHL-Spezialist Krätzig und seinen Kollegen auf Hochtouren. Zwar mögen die Reiserouten ähnlich sein, doch die Logistik einer Rennserie ist jedes Mal aufs Neue eine große Herausforderung. Hinter den Kulissen der Meisterschaft. Und nach dem Fallen der Zielflagge.