In Katar verabschiedeten sich zwei Legenden aus der WTCC, doch im Mittelpunkt stand die emotionale Inszenierung des Rücktritts von Yvan Muller
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"Ich denke nicht an mich, ich denke nur an Yvan. Heute geht es nur um ihn, denn er verlässt uns." Jose-Maria Lopez stellte am späten Freitagabend nach dem letzten Rennen der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) 2016 klar, wessen großer Tag das sein soll. Zwar bestritt auch der dreimalige Weltmeister in Katar sein vorerst letztes Rennen in der WTCC, doch im Mittelpunkt stand auf dem Losail International Circuit der Rücktritt seines Teamkollegen Yvan Muller.
Nach genau 250 Rennen, von denen er 48 und damit im Schnitt fast jedes fünfte gewonnen hatte sowie vier WM-Titeln, trat der Rekordmann der WTCC endgültig von der Bühne ab und hängt den Helm an den Nagel. Und die Organisatoren gaben sich alle Mühe, diesen Abschied gebührend zu inszenieren.
Zur Verabschiedung von Muller (und auch Lopez) hatte Promoter Eurosport Events Andy Priaulx, den WTCC-Champion der Jahre 2005 bis 2007 nach Katar eingeladen. So kam es auf dem Kurs von Losail zu einem historischen Zusammentreffen aller sechs Tourenwagen-Weltmeister, zu denen neben Priaulx, Lopez (2014-2016) und Muller (2008, 2010, 2011, 2013) auch Roberto Ravaglia (1987, heute Teamchef von ROAL), Gabriele Tarquini (2009) und Rob Huff (2012) zählten.
Rührende Worte der Weggefährten
Einige seiner Weggefährten aus elf Jahren WTCC richteten in einer Videobotschaft Abschiedsworte an Muller. So bezeichnete Priaulx Mullers Karriere als "phänomenal. Du kannst stolz auf das sein, was du erreicht hast und wirst eine große Lücke hinterlassen. Der Motorsport wird dich vermissen", sagt der Brite. Ray Mallock, den Erbauer der Chevrolet Cruze, mit denen Muller drei seiner vier WM-Titel gewonnen hatte, bezeichnete den Franzosen als "großen Sportler und Champion."
Citroen-Teamchef Yves Matton würdigte Mullers Anteil an den Erfolgen des französischen Autobauers. "Als du zu uns gekommen bist, hatten wir vom Rundstreckensport keine Ahnung. Wir mussten eine Menge lernen, und dabei hast du uns geholfen. Ich werde dich als großen Motorsportler in Erinnerung behalten", sagt der Belgier. Auch wenn es nicht immer einfach mit Muller gewesen sei: "Du warst manchmal aber auch alles andere als ein einfacher Charakter, zeitweise bin ich dir die halbe Zeit lieber aus dem Weg gegangen."
Ganz anders die Reaktion von Gabriele Tarquini. "Du lässt mich alleine! Warum machst du das? Du trittst zurück, ein junger Kerl wie du", sagt der 54-Jährige mit gespielter Empörung. "Ernsthaft, wir haben oft miteinander gekämpft und hatten eine Menge Spaß miteinander, vor allem in den Jahren bei SEAT. Dort haben wir uns ständig bekämpft und sind beim letzten Mal in Macao zusammen im Krankenhaus gelandet."
Bewegende Abschiedsrede am Boxenfunk
Die vielen netten Gesten brachten in Losail etwas Bewegung in das sonst oft stoische Gesicht des Elsässers. Muller war, nicht nur bei den Worten seiner Weggefährten, sichtlich gerührt. "Es gab in meiner Karriere viele wichtige Menschen, bei denen ich froh bin, dass sich unsere Wege gekreuzt haben", sagt er. "Und solche Aussagen bedeuten mir mehr als jeder Titel."
Vor dem Hauptrennen, Mullers letztem Auftritt als Rennfahrer in der WTCC, durfte er dann selber "auf Wiedersehen" sagen. Während der Aufwärmrunde wurde Mullers Boxenfunk im TV-Signal gesendet. Hier folgt seine bewegende Abschiedsrede im Wortlaut: "Guten Abend, willkommen in meinem Auto zum letzten Rennen der WTCC. Ich freue mich, dass ich an dieser Stelle live zu Ihnen sprechen kann, denn das ist ein ganz besonderer Moment für mich. Denn das wird mein letztes Rennen auf diesem Niveau sein. Mein allerletztes Rennen nach einer Karriere von 37 Jahren."
"Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Menschen zu bedanken, die mir im Laufe meiner Karriere geholfen habe. Dankeschön an alle Motorsportfans und vor allem an meine Fans, die mich so lange unterstützt haben. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch Citroen danken. Ihr habt mir in den letzten drei Jahren eine Menge Spaß bereitet. Ich hoffe, ich konnte etwas davon zurückgeben. Danke für alles, ich werde euch immer im Herzen tragen."
Muller verspricht: Ich komme zurück
"Schließlich möchte ich meiner Familie danken. Meiner Frau, meiner Schwester, vor allem aber meinem Vater und meiner Mutter. Ohne euch hätte ich diese Karriere niemals einschlagen können. Vielen Dank."
Nach dem Rennen wurde Muller dann nicht nur von seinem Team mit stehenden Ovationen in der Box empfangen. Seine Mechaniker trugen den viermaligen Weltmeister auf Schultern durch die Boxengasse. Es war der emotionale Höhepunkt seiner Abschiedsgala, nach der bei Muller vor allem Erleichterung vorherrschte. "Ich bereue meine Entscheidung kein bisschen. Das ist meine letzte Pressekonferenz, und das freut mich", sagte Muller bei seiner letzten Runde mit den Medienvertretern.
Sorge darum, dass es dem 47-Jährigen in Zukunft langweilig werden könnte, muss man sich nicht machen. "Ich werde mich um mein Team und meine jungen Fahrer kümmern und sie weiter ausbilden. Aber die Zeit, die ich bisher als Rennfahrer unterwegs war, werde ich mit der Familie verbringen. So sehe ich meine Kinder aufwachsen. Die restliche Zeit werde ich mit etwas anderem verbringen", sagt Muller über seine Zukunftspläne und verspricht: "Ich werde in anderer Rolle wiederkommen, verrate aber noch nicht in welcher."